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Das kannst du fürs Klima tun

Die großen Verursacher des Klimawandel sind fossile Industrien – als Einzelne:r kann man da nicht viel machen. Oder vielleicht doch?

Darum geht’s:
Wir sind nicht die großen Verursacher des Klimawandels
DU kannst das Klima retten – solche Botschaften liest man häufig. Dann gibt es Tipps, wie jeder Haushalt Energie einsparen kann, oder dass man öfter mal mit dem Rad zur Arbeit fahren sollte als mit dem Auto.

Nur: Die globale Klimakrise wird kaum in den Griff zu bekommen sein, wenn wir alle öfter mal das Fahrrad nehmen und ab und zu das Fleisch weglassen. Tatsächlich wurde das Konzept des CO2-Fußabdrucks erst vom Ölriesen BP so richtig populär gemacht – weil es das Problem des Klimawandels auf einzelne Personen abschiebt und damit weg von denen, die tatsächlich für große Mengen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Wie zum Beispiel eben den Ölkonzernen.

Einer Analyse der Nonprofit-Organisation Carbon Disclosure Project zufolge lassen sich 70 Prozent der weltweiten Emissionen auf nur 100 Produzenten zurückführen. Das sind zum einen fossile Unternehmen, und zum anderen Staaten, die stark auf fossile Energien vertrauen. Der Weltklimarat IPCC schreibt im 2022 erschienenen dritten Teil des sechsten Sachstandsberichts, dass eine systemische Transformation nötig ist, um die Erderwärmung auf unter 2 °C zu begrenzen. Für einzelne Personen, die mehr für den Klimaschutz tun wollen, kann sich das ziemlich entmutigend anfühlen. Bringt es überhaupt etwas, wenn ich das Auto stehen lasse und versuche, im Alltag etwas Strom zu sparen?

Darum sollten wir drüber sprechen:
Die Lösung auf die „Systemebene“ zu schieben, funktioniert auch nicht
Das Problem ist: Wenn ich nur höre, dass der Klimawandel auf einer systemischen Ebene gelöst werden muss, weiß ich nicht, was ich beitragen kann, und tue im Zweifelsfall gar nichts. Wenn mir Klimaschutz aber eigentlich wichtig ist, ist Aufgeben ziemlich frustrierend, und letzten Endes auch nicht zielführend.
In der Forschung lassen sich zwei Arten von Gesellschaften unterscheiden: individualistische und kollektivistische. Individualismus heißt, dass Menschen sich als eigenständig wahrnehmen, als getrennt von anderen, und als diejenigen, die über ihr Leben entscheiden. Deutschland, Westeuropa und die USA sind beispielsweise solche individualistischen Gesellschaften. Demgegenüber steht der Kollektivismus: Dabei haben Menschen das Gefühl, dass ihr Leben stark mit dem von anderen überlappt, und dass ihre Gefühle, Gedanken und Entscheidungen nicht unabhängig von ihrer sozialen Umgebung sind.

Laut einer Studie von 2017 ist dieses individualistische Denken auf dem Vormarsch. In immer mehr Ländern sehen die Menschen die Welt auf diese Weise. Dadurch ist es nicht erstaunlich, dass es frustrierend sein kann zu hören: Du, Individuum, kannst nichts gegen den Klimawandel tun. Denn diese Aussage läuft dem Weltbild entgegen, das in westlichen Gesellschaften vorherrscht.

Unsere Weltbilder lenken, wie wir die Klimakrise wahrnehmen
Ein Blick in die Forschung zeigt: Klimakommunikation funktioniert nur, wenn sie Rücksicht auf die Weltbilder nimmt, die Menschen haben. Wenn eine Botschaft zum Klimaschutz dem widerspricht, was ich über die Welt denke, lehne ich die Botschaft eher ab. Ein Beispiel: Eine Studie zeigt, dass Menschen mit einem konservativen Weltbild Klimaschutzmaßnahmen eher zustimmen, wenn diese Maßnahmen als Zünder für mehr Jobs und Innovation beschrieben werden. Es ist also im Grunde keine gute Idee, in unserer individualistischen Gesellschaft zu argumentieren, dass einzelne Personen nichts gegen den Klimawandel unternehmen können. Auch wenn sich das mit Blick auf die großen Verursacher erst mal so anfühlen kann.

Tatsächlich sind „individuelle“ und „systemische“ Ebene gar nicht so klar voneinander trennbar, wie manchmal suggeriert wird. Das führen drei Philosophen in einer Veröffentlichung von 2021 aus. Ihnen zufolge ist es ein Denkfehler, die beiden Ebenen als Gegensätze zu begreifen. Stattdessen erklären sie, wie die Ebenen sich gegenseitig beeinflussen, und somit schon jeweils einen Einfluss aufeinander haben. Das heißt konkret: Wenn ich auf individueller Ebene eine Entscheidung treffe, kann das einen Einfluss auf die systemische Ebene haben, und umgekehrt.

Individuelle Entscheidungen haben einen Einfluss aufs System
Wenn ich eine Partei wähle, treffe ich damit eine individuelle Entscheidung. Meine Wahl hat aber Einfluss auf das System, in dem ich lebe – und wenn ich mich für eine Partei entscheide, die mehr Klimaschutz durchsetzen will, dann kann ich als Individuum auf Klimapolitik Einfluss nehmen. Oder: Wenn ich mich entscheide, ohne Auto zu leben, betrifft das zuerst mein eigenes Leben. Aber meine Nachbar:innen, Freund:innen oder Familienmitglieder können beobachten, wie ich ohne Auto lebe, und überlegen dann vielleicht selbst, ob sie das auch schaffen. Ohne meine individuelle Entscheidung wären sie nicht auf diesen Gedanken gekommen. Wir treffen Entscheidungen also nicht in einem Vakuum, sondern immer in unserem sozialen System. Es gibt zudem Untersuchungen, dass individualistisch geprägte Menschen etwas mehr bereit sind, klimafreundlichere Technologien in ihrem Leben zu nutzen, beispielsweise Solar auf dem eigenen Dach zu installieren, oder zum E-Auto zu wechseln. Das könnte noch befördert werden, indem Menschen genau auf dieser individualistischen Ebene angesprochen werden: etwa, indem die Neuigkeit und die Einzigartigkeit solcher Technologien hervorgestellt werden.

Das System kann klimafreundliche Entscheidungen einfacher machen
Hinzu kommt, dass manche Menschen auf individueller Ebene schon einen großen Einfluss auf den Klimawandel haben – und zwar, wenn sie einen exzessiven Lebensstil pflegen. Darauf weist auch der Weltklimarat IPCC im neuesten Teilbericht von 2022 hin. Menschen mit einem hohen sozio-ökonomischen Status – also mit höherem Einkommen, höheren Bildungsabschlüssen und so weiter – tragen außergewöhnlich viel zu den Emissionen bei. Gleichzeitig haben sie aber auch die Macht, diese hohen Emissionen zu reduzieren – indem sie ihr Konsum- und Reiseverhalten ändern, oder indem sie zum Beispiel Veränderungen in der Firma bewirken, bei der sie arbeiten.

Und auch die systemische Ebene hat einen Einfluss auf einzelne Personen. Beispielsweise kann die Politik Verkehrsmittel fördern, die weniger oder keine Emissionen erzeugen, und den Abschied vom Verbrenner-Auto erleichtern, oder Flüge auf kürzeren Strecken überflüssig machen, indem sie das Netz für Fernzüge ausbaut. Oder sie macht es durch Förderungen einfacher, sich für eine nachhaltige Wärmepumpe zu entscheiden und gegen eine fossile Öl- oder Gasheizung.

Aber:
Wir sind schlecht darin so zu handeln, dass es für die Gemeinschaft gut ist
Insgesamt gesehen kommen individualistische Gesellschaften in der Forschung aber nicht besonders gut weg, wenn es um die gemeinschaftliche Lösung von Krisen geht. Eine Studie hat untersucht, wie gut oder schlecht verschiedene Länder auf den Klimawandel vorbereitet sind, und wie gut sie durch die Corona-Pandemie gekommen sind – jeweils mit Blick darauf, ob sie eher kollektivistisch oder individualistisch geprägt sind. Das Ergebnis: Länder, die besser auf den Klimawandel vorbereitet sind, sind auch besser mit der Pandemie zurechtgekommen und hatten weniger Todesfälle. Und diese Länder, die eher gut durch die Pandemie gekommen sind, waren kollektivistisch geprägt. Diese Erkenntnisse sind umso relevanter, da Klimawandel und Artensterben Pandemien wahrscheinlicher machen, und die Klimakrise außerdem auch eine Gefahr für die Gesundheit darstellt.

Individualismus und Misstrauen in Wissenschaft hängen zusammen
In Gesellschaften, in denen der Individualismus sehr ausgeprägt ist, haben Forschende zudem beobachtet, dass Menschen weniger häufig Maßnahmen ergriffen haben, um sich und andere in der Corona-Pandemie zu schützen. Zum Beispiel trugen Menschen in US-Bundesstaaten, die besonders individualistisch geprägt sind, weniger häufig eine Maske oder hielten sich an „social distancing“-Empfehlungen. Individualistisch geprägte Gesellschaften scheinen also weniger bereit zu sein, etwas fürs Gemeinwohl zu tun – aber das wäre für effektiven Klimaschutz nötig.

Zudem machte die Studie noch eine zweite Beobachtung: Stark ausgeprägter Individualismus ist auch mit einem Misstrauen in Wissenschaft verbunden. Das ist nicht nur ein Problem bei der Pandemiebekämpfung, sondern auch für mehr Klimaschutz. Das findet sich so auch in anderen Untersuchungen. Eine Review-Studie, die viele Veröffentlichungen in einem Feld zusammenfasst, hat ergeben: Wer sehr überzeugt davon ist, dass Märkte in der Wirtschaft möglichst frei und unkontrolliert funktionieren sollen, und zudem sehr individualistisch geprägt ist, glaubt weniger oft an den Klimawandel oder daran, dass Klimaschutz nötig ist.

Und jetzt?
Das kannst du wirklich tun
Konkret kann man sagen: Der Einstieg in den Klimaschutz über kleine Maßnahmen im Alltag ist nicht falsch, und auch nicht unsinnig. Schwierig wird es, wenn man sich einredet: Ich fahre mit dem Fahrrad, dann kann ich dafür ja weiter jeden Tag Fleisch essen oder mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen. Dahinter steckt eine kognitive Verzerrung, die „Single Action Bias“ heißt und bei der man eine klimaschädliche Handlung vor sich selbst damit rechtfertigt, dass man anderswo schon Emissionen reduziert.
Bei der individuellen Ebene ansetzen, ja – aber mit der Lösung nicht dort stehenbleiben. Das sagt der Wissenschaftler Seraja Bock, der am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung arbeitet. Er beschäftigt sich unter anderem mit Klimapolitik und Klimasoziologie. „Der erste Berührungspunkt mit dem Thema der Klimakrise ist oft auf einer individuellen Ebene“, sagt er. „Dann müssten die Leute aber den nächsten Schritt machen, dann braucht es einen politischen Moment, raus aus der Individualität und rein in das kollektive Handeln, bei dem man die großen Fragen stellt und unter anderem das Wirtschaftssystem hinterfragt.“

CO2-Rechner können große Stellschrauben aufzeigen
Bock rät dazu, Instrumente wie CO2-Rechner nur dafür zu nutzen, um herauszufinden: Wo sind meine großen Stellschrauben, an denen ich etwas verändern kann? Daten des Umweltbundesamts zeigen: Die meisten Emissionen erzeugen private Haushalte beim Thema Heizen. Wer fossil heizt, kann hier ansetzen. Den Verbrauch senken, oder, falls die Möglichkeit besteht, auf eine klimafreundlichere Heizung umsteigen. Auf dem zweiten Platz stehen Elektrogeräte im Haushalt, dazu zählen neben Küchengeräten auch Fernseher oder Computer. Auch hier kann jede:r selbst prüfen, ob sich der Verbrauch senken lässt, oder ob etwa ein Tarif bei einem Ökostrom-Anbieter infrage kommt. Schließlich spielt auch Warmwasser eine größere Rolle beim privaten CO2-Verbrauch.

Allerdings sagt Bock auch, es wäre nicht hilfreich, sich komplett auf das eigene Leben zu fokussieren und dabei das große Ganze zu vergessen. „Der Fokus auf den eigenen CO- Fußabdruck, beispielsweise beim Fliegen, birgt die Gefahr, die Krise mit derselben neoliberalen Vereinzelungs- und Steigerungslogik lösen zu wollen, die eben mit ein Grund für diese Krise ist“, sagt er. „Manchmal hat man vielleicht keine andere Möglichkeit, als einen Flug zu buchen, weil es ökonomisch oder zeitlich nicht anders geht. Dann sollte man aber nicht nur auf die eigene CO2-Bilanz schauen, sondern die Rahmenbedingungen hinterfragen: Warum ist es überhaupt so, dass es nicht anders geht als zu fliegen?“ Darüber könne man mit anderen ins Gespräch kommen, und so ein Bewusstsein für das Problem auf systemischer Ebene schaffen. Auch die drei Philosophen raten in ihrem Aufsatz über Individualismus und Strukturalismus dazu, beides als zwei Seiten einer Medaille zu begreifen – und bei konkreten Problemen immer zu versuchen, sie aus beiden Perspektiven zu betrachten.

Um nochmal auf die 100 Produzenten zurückzukommen, die für 70 Prozent der Emissionen verantwortlich sind: Sie kann man aus systemischer Ebene betrachten, und sehen, dass ihr Verhalten von sozialen, ökonomischen und politischen Normen und Gesetzen bestimmt wird. Gleichzeitig werden aber auch Unternehmen – und Staaten – von einzelnen Menschen gelenkt. Was diese Menschen auf individueller Ebene über die Klimakrise denken, hat einen Einfluss darauf, wie diese Produzenten handeln. Individuelle Handlungen und systemische Transformation müssen sich also eigentlich nicht ausschließen, sondern bedingen sich gegenseitig.

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