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Der „Fall Weninger“ – Ex-Diplomat, Priester, Kurialer, Freimaurer

1982 trat Michael Heinrich Weninger (geb. 1951 in Wiener Neustadt) in den Diplomatischen Dienst der Republik Österreich ein, wo er eine glänzende Karriere machte. Unter anderem ist er von 1993 bis 1997 Leiter der österreichischen Botschaft in Belgrad und von 2008 bis 2009 in Sarajewo. Weninger, seit 2009 Witwer, wurde am 24. Juni 2011 von Kardinal Christoph Schönborn in Wien zum Priester geweiht. Seit November 2012 ist Hochw. Weninger Mitglied des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog.

Im Oktober 2014 wurde von der Internetseite der East Lancashire Provincial Grand Lodge of Mark Master Masons (die englische Markmaurerei wurde von den Meistern der Vereinigten Großloge von England – UGLE gegründet) mitgeteilt, daß einige Tage zuvor in Anwesenheit einer englischen Freimaurerdelegation in Österreich drei Zeremonien zur Installation von Meistern abgehalten wurden. Die Zeremonien fanden in zwei Logen der Markmeistermaurerei (MMM) – in der St. Margaret’s Lodge of MMM und der New Quarries Lodge of MMM, das ist die älteste englischsprachige Markmeistermaurer-Loge in Österreich – sowie in einer Royal-Ark-Mariner-Loge (RAM) statt, der New Shores Lodge of RAM. Diese drei österreichischen Logen mit englischen Namen sind mit der englischen Freimaurerei verbunden und verwenden Rituale in englischer Sprache.

In jeder dieser drei Logen wurde der „Bruder“ Hochw. Michael Weninger („Bro. Rev. Michael Weninger“) als Kaplan für das Jahr 2014–2015 eingesetzt, der sogar eine Gedenkmesse anläßlich des fünften Jahrestages der Eröffnung der New Quarries Lodge und der St. Margaret’s Lodge zelebrierte. Bei der Messe waren 500 Freimaurer aller Obödienzen anwesend. Die Freimaurer-Website fügt hinzu, daß „Bro. Rev. Michael“ (Bro. steht für „Bruder“, so nennen sich die Freimaurer untereinander) für die Position des Logenkaplans bestens qualifiziert sei, da er im Vatikan lebt und als Mitglied des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog tätig ist:
„Since he lives in the Vatican as a member of the Pontifical Council for Inter-religious Dialogue but works in Rome.”

Jeder, der sich ein wenig in freimaurerischen Dingen auskennt, weiß, daß Hochw. Weninger, um als Kaplan einer Loge (oder besser gesagt gleich von drei Logen) eingesetzt zu werden, bereits Jahre zuvor als Freimaurer des Ersten Grades (Lehrling) initiiert, dann in den Zweiten Grad (Geselle) übergetreten worden sein muß, um schließlich in den Dritten Grad, den Meistergrad, erhoben worden zu sein. Dann muß er in die Hochgrade aufgestiegen sein, zunächst als Markmeistermaurer, dann als Royal Ark Mariner. Dabei ist nicht auszuschließen, daß er noch weitere „Nebengrade“ („side degrees“) absolvierte.

Es ist daher wahrscheinlich, daß Hochw. Weninger bereits vor seiner Priesterweihe Freimaurer wurde. Ich erinnere mich, daß mir vor Jahren jemand den Fall eines ehemaligen österreichischen Diplomaten erwähnte, der als Priester in die Römische Kurie eingetreten war und als Mitglied der Freimaurerei galt. Erst jetzt stelle ich zweifelsohne fest, daß diese Information den Tatsachen entsprach. Und so kommen wir zu unseren Tagen.

Am Mittwoch, dem 12. Februar 2020, präsentierte Hochw. Michael Heinrich Weninger in Wien in Anwesenheit von Georg Semler, dem Großmeister der Großloge von Österreich (GLvÖ), sein 500-seitiges Buch „Loge und Altar. Über die Aussöhnung der katholischen Kirche und regulären Freimaurerei“. Darin behauptet er (ich fasse zusammen):

daß die Ablehnung der Kirche gegen die Freimaurerei mehr durch politische als religiöse Gründe motiviert war;
daß die Kirche nicht in der Lage war, zwischen regulärer und irregulärer Freimaurerei zu unterscheiden;
daß die Freimaurer der regulären Freimaurerei (z.B. der UGLE, der GLvÖ usw.) nicht exkommuniziert sind
und daß man daher Katholik und „regulärer“ Freimaurer sein kann.
Hochw. Weninger ließ sein Buch Papst Franziskus, Kardinal Schönborn und verschiedenen vatikanischen Persönlichkeiten zukommen. Großmeister Semler lobte das Buch als einen wichtigen Schritt zur Versöhnung zwischen Kirche und Freimaurerei.

Die Freimaurer und Hochw. Weninger hoffen auf ein Treffen mit dem Heiligen Vater oder mit dem Präfekten der Glaubenskongregation.

Für die österreichische Freimaurerei ist der Dialog mit Mitgliedern der katholischen Hierarchie nicht neu. Von 1968 bis 1983 war der Erzbischof von Wien, Kardinal Franz König, der Protagonist der Dialoge mit Vertretern der österreichischen, schweizerischen und bundesdeutschen Freimaurerei, die 1970 in der Lichtenauer Erklärung zugunsten der Vereinbarkeit von katholischer Kirche und regulärer Freimaurerei gipfelten. Darin heißt es, letztere sei keine Gefahr, weshalb die Exkommunikation aufgehoben werden sollte.

Später bekräftigten die deutschen Bischöfe 1980 und die Glaubenskongregation 1981 und 1983 die Unvereinbarkeit zwischen Kirche und Loge, und das geschah nicht aus politischen, sondern aus doktrinären Gründen, nachdem freimaurerische Schriften, die von Mitgliedern der regulären deutschen Freimaurerei geliefert wurden, einem kritischen Studium unterzogen worden waren.

Eine weitere interessante Neuheit ist, daß das Buch von Hochw. Weninger auf seiner Dissertation beruht, die er an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom vorlegte, mit der er promoviert wurde und die im November 2019 von dieser Universität veröffentlicht wurde. Das ist ihr Titel: „Weisheit. Stärke. Schönheit. Über die Aussöhnung von Katholischer Kirche und regulärer Freimaurerei , Tesi Gregoriana (Serie Spiritualità, 16), PUG 2019, S. 523.

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