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Der Kirchenaustritt eine Straftat?

Von der Wirkung des Kirchenaustritts im staatlichen Bereich („Bürgerliche Wirkung“) zu unterscheiden ist die Frage, ob die jeweilige Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft den vor einer staatlichen Stelle erklärten Austritt für sich anerkennt. Das Mitgliedschaftsrecht der einzelnen Gemeinschaften (Kirchenrecht) unterscheidet sich hier stark.

Katholische Kirche
Die katholische Kirche kennt keinen Austritt aus der Glaubensgemeinschaft Kirche, da eine Taufe nicht rückgängig gemacht werden kann und sich die katholische Kirche als die Gemeinschaft der Getauften versteht. Dennoch knüpft sie an eine „Austrittserklärung“, dem Kirchenaustritt im staatlichen Bereich, kirchenrechtliche Folgen.

Nach ständiger Praxis bewirkt die Austrittserklärung nicht den Ausschluss aus der Kirche, sondern die Beugestrafe der Exkommunikation und damit den Verlust bestimmter Mitgliedschaftsrechte. In der 1970 veröffentlichten „Erklärung der Diözesanbischöfe zu Fragen des kirchlichen Finanzwesens“ und in der „Erklärung der deutschen Bischofskonferenz zum Austritt aus der katholischen Kirche“ vom 24. April 2006 wird die Erklärung des Kirchenaustritts als Apostasie, Häresie oder Schisma im Sinne einer öffentlichen Lossagung von der Kirche gewertet und ist somit eine gegen den Glauben und die Einheit der Kirche gerichtete (kirchliche) Straftat: „Der Apostat, Häretiker oder der Schismatiker ziehen sich die Exkommunikation als Tatstrafe zu (…)“ (vlg. Can.1364 CIC). Nach den oben genannten Erklärungen der Diözesanbischöfe kommt es dabei auf den Grund dieser Erklärung nicht an. Insbesondere wertet die Erklärung das Motiv, Kirchensteuer sparen zu wollen, als grobe Verletzung der Solidaritätspflicht eines jeden Katholiken und insofern als schwer schuldhaftes Vergehen gegen die Gemeinschaft und die Einheit der Kirche, das der Exkommunikation nicht entgegenstehe, wenn es sie auch nicht selbst begründet: Die kirchenrechtliche Straftat wird mit der Erklärung begangen, sich nicht mehr als Mitglied der Kirche anzusehen – die Voraussetzung dafür ist, von der Kirchensteuer befreit zu sein. Diese Anwendung ist jedoch umstritten, da – wie behauptet wird – nicht feststeht, dass der Austritt tatsächlich ein äußerer Ausdruck für einen vollständigen oder teilweisen Glaubensabfall ist. Hier ist allerdings zu bemerken, dass ein Glaubensabfall für eine Exkommunikation gar nicht nötig ist, sondern auch eine bloße Verweigerung der kirchlichen Ein- und Unterordnung – eben das erwähnte Schisma – ausreicht.

Die Austrittserklärung hat noch weitere kirchenrechtliche Folgen. Es ist jedoch insoweit umstritten, ob der Kirchenaustritt ein actus formalis ist, der im Gegensatz zum staatlichen Kirchenaustritt grundsätzlich vor dem Ortsbischof oder dem Pfarrer zu machen und ins Taufbuch einzutragen ist. Andererseits wird die Austrittserklärung von der staatlichen Behörde den kirchlichen Behörden zugesandt und dann im Taufbuch eingetragen. Jedenfalls wird die Umstrittenheit, die den actus formalis betrifft, bisweilen auch übertragen und mit der Behauptung verbunden, es finde auch die Exkommunikation nicht statt. Hier ist immerhin zu bemerken, dass der actus formalis defectionis gemäß explizitem kirchlichen Gesetzestext ein Schisma, eine Apostasie oder Häresie zwar voraussetzt, aber nicht alle Fälle dieser Kirchenstraftaten umfasst.

Am 24. September 2012 ist ein „Allgemeines Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt“ in Kraft getreten, mit dem die innerkirchlichen Rechtsfolgen des Kirchenaustritts nach staatlichem Recht geklärt werden sollen. Das Dekret wurde vom Vatikan gebilligt (laut Veröffentlichung ist es bereits am 15. März 2011 von der Bischofskonferenz angenommen worden, aber erst am 28. August 2012 von der Kongregation für die Bischöfe „rekognosziert“ worden). Darin werden die kirchenrechtlichen Folgen des Austritts wie folgt aufgezählt:

Ausschluss von den Sakramenten der Buße, Eucharistie, Firmung und Krankensalbung – außer in Todesgefahr,
Ausschluss von kirchlichen Ämtern und Funktionen,
Ausschluss vom Taufpaten- und vom Firmpatenamt,
Ausschluss der Mitgliedschaft in pfarrlichen und in diözesanen Räten (z. B. Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand bzw. Vermögensverwaltungsrat, Diözesanpastoralrat etc.),
Verlust des aktiven und passiven Wahlrechts in der Kirche,
Ausschluss der Mitgliedschaft in öffentlichen kirchlichen Vereinen,
kirchliche Eheschließung nur mit Erlaubnis des Ortsordinarius,
Ausschluss vom kirchlichen Begräbnis, soweit nicht vor dem Tod irgendein Zeichen der Reue vorgelegen hat.
Diese kirchlichen Rechtsfolgen sollen dem Ausgetretenen in einem „pastoralen Schreiben“ mitgeteilt werden, in dem ihm auch nahegelegt wird, den Austritt rückgängig zu machen, falls er „die Tragweite [dieser] Entscheidung nicht ermessen“ haben sollte.

Unabhängig davon werden mit Personen, die aus der katholischen Kirche ausgetreten sind, in Deutschland laut der sog. Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse keine Arbeitsverträge mit den Rechtsträgern der katholischen Kirche abgeschlossen (Art. 3 Abs. 4). Wer bei bestehendem Arbeitsvertrag im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse aus der katholischen Kirche austritt, muss mit einer zivilrechtlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen.

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