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Der marktgerechte Patient

Der MDR hat jetzt „Werbung“ für einen Dokumentarfilm ausgestrahlt mit dem Titel „Der marktgerechte Patient“. Einen Filmausschnitt von knapp 6 Minuten gibt es auf YouTube zu sehen: mdr – Der marktgerechte Patient www.youtube.com/watch?v=952nLAqCqXY

Der Inhalt des Filmes bespricht die Auswirkungen der Gesundheitsreform aus dem Jahre 2003, wo in Deutschland das Prinzip der „Fallpauschalen“ in das Gesundheitssystem eingeführt wurde. Grund für diese Maßnahme war, die immer wieder beschworene „Kostenexplosion“ in den Griff zu bekommen. Das Ergebnis nach 15 Jahren ist, dass es diese Kostenexplosion nie gegeben hat, und wenn es sie gegeben hat, dass sie jetzt erst recht die Kosten zur Explosion gebracht hat.

Treffend in diesem Zusammenhang das Zitat eine der beiden Regisseure:
„Durch die Einführung der sogenannten Fallpauschalen wurde jede Krankheit mit einem fixen Preis versehen. Daraus folgt: Nicht mehr der Patient steht im Mittelpunkt, sondern der Erlös, der sich mit ihm erzielen lässt.“

Mit der Fallpauschale erhielt jede Erkrankung einen bestimmten monetären Wert, der von den Krankenkassen vergütet wird. Notfälle, Geburten, Diabetes etc. sind so niedrig dotiert, dass sie für die Klinik als unlukrativ gelten. Das heißt letztendlich, dass jeder sich vergegenwärtigen sollte, bei einem Notfall nicht vom Krankenhaus seiner Wahl aufgenommen zu werden, da dieses Krankenhaus aus Kostengründen die Unfallstation in einen Operationssaal umgebaut hat, in dem höchst lukrative Eingriffe getätigt werden und dem Krankenhaus die entsprechende Rendite einfährt, statt von der Leiter gefallene Beinbrüche oder Schlimmeres zu versorgen.

Da kann es auch mal sein, dass man bei der Organspende zwar genug Organspender zur Verfügung hat, aber keine Organe. Denn die für die operative Entnahme der Organe notwendigen OPs werden aus Kostengründen für diese Eingriffe nicht zur Verfügung gestellt. Andere Operationen, die mehr Geld einbringen, haben hier Vorfahrt. Man kann ja von der Organspende halten was man will – aber wenn man es ernst meinte… nun ja…

Kleine kommunale Krankenhäuser, die auf eine breit gefächerte Versorgung von „klassischen“ Erkrankungen ausgelegt sind, müssen hier zwangsläufig in die Krise geraten und letztendlich die Tore schließen. Denn die meisten der hier versorgten Erkrankungen fallen unter eine Fallpauschale, die im unteren Drittel der Vergütung anzusiedeln ist und damit den finanziellen Ruin des Krankenhauses besiegelt.

Wo gehobelt wird, da sind die Geier nicht weit
Mit dem sich daraus ergebenden Kostendruck sahen sich die Krankenhäuser genötigt, den größten Kostenfaktor, das Personal, zu „bereinigen“. Das heißt einfach, dass man Stellen wegrationalisierte, sodass die Arbeitslast des verbleibenden Pflegepersonals sich signifikant erhöhte. Und das bei gleichem Gehalt! Inzwischen wird auch immer mehr deutlich, dass diese Praxis das Pflegepersonal so belastet und ausgelaugt hat, dass eine Krankenschwester kaum noch eine Schwester ist, die Kranke versorgt, sondern eine Schwester ist, die selber krank ist.

Die Klinikkonzerne kommen
Kostendruck und Personalnotstand hat viele kleinere Krankenhäuser gezwungen, das Handtuch zu werfen. Sie wurden wehrlose Opfer von Privatisierungsbemühungen. Sogenannte Klinikkonzerne kaufen solche Krankenhäuser auf und machen sie zu „Gelddruckmaschinen“ im Gesundheitssystem. Sie rationalisieren alles weg, was nicht lukrativ ist, und fokussieren nur auf die medizinischen Verfahren, die entsprechenden Gewinn versprechen.

Einer dieser Klinikkonzerne sind die Asklepios-Kliniken mit knapp 35 Tausend Mitarbeitern, 3,1 Milliarden € Umsatz und 150 „assoziierte Einrichtungen“, die 36 Krankenhäuser, 19 Fachkliniken, 13 psychiatrische Kliniken etc. umfassen. Wie einträglich dieses Geschäft ist, das zeigen die Umsatzzahlen: im Jahr 2006 betrug der Umsatz 1,8 Milliarden mit einem Gewinn von 127 Millionen. Im Jahr 2015 waren es 3,1 Milliarden mit einem Gewinn von 374 Millionen €.

Besonders bemerkenswert ist hier, das zu diesem Sortiment an Krankenhäusern nicht nur „Feld-Wald-und-Wiesen Krankenhäuser“ gehören, sondern auch akademische Lehrkrankenhäuser von Universitäten. Die Lehrkrankenhäuser der Universitäten von Göttingen, Bonn und Marburg seien hier stellvertretend benannt.

Ein weiterer großer Mitspieler in diesem Verein sind die Helios-Kliniken. Diese GmbH beschäftigt 66.000 Mitarbeiter und hatte im Jahr 2017 einen Umsatz von 6,1 Milliarden €. Und Helios gehört zum Gesundheitskonzern Fresenius! Ist es nicht schön, dass die Pharmaindustrie neben ihren pharmazeutischen Erzeugnissen auch gleich die Krankenhäuser gewinnbringend bereitstellt? Helios besaß Ende 2016 112 Kliniken.

Mit der Privatisierung des Gesundheitssystems oder Teilen desselben wurde auch sichergestellt, dass die Sparten entscheidenden Einfluss aufbauen konnten, die das notwendige „Kleingeld“ für die Übernahme von Krankenhäusern und ähnlichen Institutionen aufbringen konnten. So konnte man dann fast im Wochentakt in der Zeitung lesen oder im Fernsehen sehen, dass diese Klinik und jenes Krankenhaus geschlossen hatten und eine private Klinik-Organisation Übernahmeverträge aushandelten.

Ich glaube, dass man ohne Übertreibungen behaupten darf, dass die Privatisierungsbemühungen im Gleichschritt mit der Einführung der Fallpauschalen dazu gedient hatten, das Gesundheitswesen zu monopolisieren. Nutznießer waren und sind kapitalkräftige Unternehmen, unter anderem auch aus der Pharmaindustrie, die jetzt mit ökonomischer Effizienz dafür sorgen, dass auch das letzte bisschen medizinische Ethik den Skalpellen ökonomischer Interessen zum Opfer fällt.

Dazu noch ein Zitat der Regisseurin des weiter oben zitierten Dokumentarfilms „Der marktgerechte Patient“:
„Dass man versucht, aus kranken Menschen Gewinne zu ziehen, das zeigt ja eine Gesellschaft, die völlig den Halt verloren hat. Also da ist ja von Ethik, Moral, Hilfeleistung, Barmherzigkeit überhaupt nichts mehr zu sehen.“

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