Franziskus und der „nie gekündigte Bund“
Es ist eine der kniffligsten Fragen für Bibelwissenschaftler überhaupt; schon der hl. Paulus zerbrach sich darüber in seinem Römerbrief den Kopf. Inwieweit gilt angesichts des Neuen Bundes der frühere Bund Gottes mit seinem auserwählten Volk weiter?
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat darüber 2018 einen Aufsatz geschrieben. Darin nahm er u.a. eine Aussage Johannes Pauls II.‘ (1978-2005) unter die Lupe, nach dem der Bund Gottes mit den Juden „nie gekündigt“ worden sei.
Benedikt befand das zwar prinzipiell für „richtig“, sah aber großen Nachschärfungsbedarf. Etwa in dem Sinn, dass es nicht nur den einen Bund Gottes mit seinem Volk gegeben habe, sondern viele Bünde. Außerdem gehöre das Wort von der Kündigung eines Bundes nicht zur theologischen Begriffswelt des Alten Testaments. Fazit des Theologenpapstes: „Die Formel vom ‚nie gekündigten Bund‘ mag in einer ersten Phase des neuen Dialogs zwischen Juden und Christen eine Hilfe gewesen sein, taugt aber nicht auf Dauer“.
Benedikt XVI. blickt während einer Nahost-Reise vom Berg Nebo, an dem Mose begraben worden sein soll, hinüber ins Gelobte Land
Benedikt XVI. blickt während einer Nahost-Reise vom Berg Nebo, an dem Mose begraben worden sein soll, hinüber ins Gelobte Land
Drei Bünde Gottes mit dem jüdischen Volk
Nun hat auch Papst Franziskus sich zu dieser Debatte geäußert. Bei einer Audienz an diesem Donnerstag sprach er von drei Bünden Gottes mit seinem auserwählten Volk, stimmte in dieser Hinsicht also Benedikt zu, allerdings ohne ihn zu nennen.
„Der Bund (Gottes) mit Noah konzentriert sich auf die Beziehung zwischen der Menschheit und der Schöpfung. Der Bund mit Abraham befasst sich mit den drei großen monotheistischen Religionen in ihrer gemeinsamen Matrix: dem Glauben an Gott als Voraussetzung für Einheit und Fruchtbarkeit. Im Bund vom Sinai schließlich geht es um die Gabe des Gesetzes und die Erwählung Israels als Instrument des Heils für alle Völker.“
Drei Bünde also – und drei unterschiedliche Akzentsetzungen. Diese „Themen“ zögen sich, so Franziskus, durch das gesamte Alte und Neue Testament: „mit Spannungen und Neuformulierungen, die ständig zwischen dem Universalismus der Liebe Gottes zu den Menschen, die niemanden ausschließt, und dem Partikularismus der Erwählung hin und her schwanken“.
So weit, so differenziert. Allerdings gebe es doch ein verbindendes Element zwischen den drei Bünden, so Franziskus: „die Unwiderruflichkeit der Gaben und der Berufung Gottes (Röm 11,29), sein ständiges und vielfältiges Angebot der Gemeinschaft, wie der heilige Johannes Paul II. sagte“. Das war ein Hinweis auf die Ansprache Johannes Pauls an die jüdische Gemeinde in Mainz vom 17. November 1980, in der tatsächlich die Formel vom „nie gekündigten Alten Bund“ auftaucht.
„Gott wählt nie jemanden aus, um andere auszuschließen“
Papst Franziskus hat mit seinen beiden Vorgängern im Amt das Interesse am Judentum gemeinsam. Er versuchte sich an diesem Donnerstag mit Blick auf Alten und Neuen Bund an einer theologischen Quadratur des Kreises, indem er das scheinbar Gegensätzliche miteinander verband.
„In der Bibel steht der Partikularismus der Erwählung entgegen jeder Versuchung einer exklusivistischen Lesart immer im Dienst eines universalen Gutes und verfällt nie in Formen der Trennung oder des Ausschlusses. Gott wählt nie jemanden aus, um andere auszuschließen, sondern immer, um alle einzuschließen.“