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Generalaudienz: In der Seele aufräumen und aufhören, an uns selbst zu denken

Macht eure eigenen verborgenen Wunden zu Licht für andere, denn in der Welt gibt es so viel Traurigkeit: Dafür hat Papst Franziskus bei der Generalaudienz an diesem Mittwoch plädiert.

Sichtlich in Form, reicherte Franziskus seine letzte Generalaudienz vor dem österlichen Triduum mit zahlreichen spontanen Einschüben an. Zahlreiche Pilger und Touristen, die sich über die Ostertage in Rom befinden, hatten sich auf dem Petersplatz eingefunden, um der Katechese des Kirchenoberhauptes zu lauschen. „Das Kreuz, die Quelle der Hoffnung“ war die Überschrift, unter dem die Generalaudienz an diesem Mittwoch stand. In der Karwoche hatte der Papst wie üblich seine aktuelle Katechesereihe unterbrochen, um sich ganz der Erwartung auf Ostern zu widmen. Dabei redete er den Pilgern ordentlich ins Gewissen. Es gelte, sich von Überflüssigem zu befreien, sei dieses äußerlicher oder innerlicher Art, so Franziskus, der eindringlich dazu einlud, die eigenen Wunden fruchtbar dafür zu machen, andere von ihrem Leid zu erlösen.

„Warum gibt es so viel Gleichgültigkeit gegenüber Gott?“
In der Karwoche gedenke man der Passion des Herrn, wo „alles vorbei“ und auf die schlimmstmögliche Weise gescheitert zu sein scheine, betonte Franziskus. Dieses Gefühl der Entmutigung sei auch uns heute „nicht ganz fremd“:

„Warum gibt es so viel Gleichgültigkeit gegenüber Gott? Es ist merkwürdig, warum so viel Gleichgültigkeit gegenüber Gott? Warum so viel Böses auf der Welt? Seht, es gibt das Böse in der Welt! Warum nehmen die Ungleichheiten weiter zu und der ersehnte Frieden kommt nicht? Warum hängen wir derart dem Krieg an, sich gegenseitig weh zu tun? Und wie viele geschwundene Erwartungen, wie viele Enttäuschungen! Und wieder dieses Gefühl, dass die vergangenen Zeiten besser waren und dass es in der Welt, vielleicht sogar in der Kirche, nicht mehr so​​läuft wie früher … Kurz gesagt, die Hoffnung scheint auch heute noch manchmal unter dem Stein des Misstrauens besiegelt.“

Jeden einzelnen der Anwesenden auf dem Petersplatz schien Franziskus anzusprechen, als er mehrfach mit besonderer Betonung fragte, wo denn eigentlich heute die Hoffnung eines jeden liege. Die Jünger standen in tiefer Verzweiflung vor dem Kreuz, doch nur wenig später werde deutlich, dass der neue Beginn gerade dort erwachse, in den „schwarzen Löchern unserer enttäuschten Erwartungen“: „Denken wir genau an das Kreuz: Aus dem furchtbarsten Folterinstrument hat Gott das größte Zeichen der Liebe erlangt”, so der Papst, der sich alarmiert über die ausufernde Traurigkeit in der Welt zeigte. Als er selbst noch frei in den Straßen herumlaufen konnte, habe er gerne den Blick der Menschen beobachtet, gab Franziskus zum Besten. Doch dabei habe er viele traurige Menschen gesehen, allein oder mit ihrem Handy beschäftigt, „aber ohne Frieden, ohne Hoffnung”:

„Und wo ist deine Hoffnung heute? Es braucht ein bisschen Hoffnung, nicht wahr?, um von der Traurigkeit geheilt zu werden, die uns krank macht: es gibt so viel Traurigkeit; um geheilt zu werden von der Bitterkeit, mit der wir die Kirche und die Welt beschmutzen.“

Bitterkeit, die die Kirche und die Welt beschmutzt
Es gelte, den Blick auf das Kreuz und den von allem entblößten Jesus zu richten, auf „das Ende von allem“, wo unsere Hoffnung liege, so der Papst weiter. Denn letztlich sei die „Demütigung“ der Weg zur Erlösung: „So siegt Gott über unsere Trugbilder“, betonte Franziskus. Es gefalle uns in der Tat nicht, uns zu entblößen, die Wahrheit über uns zu sagen, wir maskierten uns und schmückten uns mit Überflüssigem, um besser zu scheinen. „Die Maskerade verschwindet dann und du schaust in den Spiegel mit dem hässlichen Gesicht, das du hast, aber dem wahren, dem, das Gott liebt, nicht das geschminkte, nein.“

In der Seele aufräumen
Es sei vielmehr nötig, zum „Wesentlichen“ zurückzukehren, befreit von vielen unnützen Dingen, mit denen wir uns in der heutigen komplexen Zeit umgäben, so der Appell des Papstes, auch selbst im Schrank und in der Seele aufzuräumen. In seiner Residenz Santa Marta sei der Vorschlag aufgekommen, unnötige Dinge aus dem Schrank zu entfernen und denen zu geben, die sie vielleicht nötig hätten, berichtete Franziskus. Doch dabei dürfe man es nicht belassen: „Schaut in den Schrank der Seele: Wie viele unnütze Dinge hast du, wie viele dumme Illusionen. Kehren wir zurück zur Einfachheit, zu den wahren Dingen, die keine Maskerade brauchen. Das ist eine gute Übung!“

Körperliche und seelische Wunden
Jesus sei verletzt, nicht nur am Leib, sondern auch an der Seele, kehrte Franziskus nach seinem Exkurs wieder zum vorbereiteten Text seiner Katechese zurück. „Verraten, ausgeliefert und verleugnet von den Seinen“, mit Barrabas, der ihm vorgezogen wurde, erwarte er den Tod am Kreuz. Doch inwieweit helfe das „unserer Hoffnung“, fragte sich Franziskus:

„Auch wir sind verletzt: Wer ist nicht verletzt im Leben? Und sehr oft mit verborgenen Wunden: Aus Scham verbergen wir sie. Wer trägt nicht die Narben vergangener Entscheidungen, Missverständnisse, Schmerzen, die im Inneren bleiben und schwer zu überwinden sind? Aber auch von erlittenem Unrecht, von scharfen Worten, von harten Urteilen?“

Gott verberge seine Wunden nicht, um uns zu zeigen, dass diese selbst zu Hoffnungsspendern werden könnten, so Franziskus – der Papst nennt dies „Lichtlöcher“. Denn Jesus liebe und vergebe denen, die ihn verletzten, und verwandelte auf diese Weise „Böses in Gutes“ und „Schmerz in Liebe“. Dies könnten auch wir vollbringen, alles komme darauf an, wie wir mit unseren „kleinen und großen“ Wunden umgingen, fuhr Franziskus fort.

„Nur wenn wir aufhören, an uns selbst zu denken, finden wir uns selbst“
„Du kannst sie sich in Groll und Traurigkeit entzünden lassen oder ich kann sie mit denen von Jesus vereinen, sodass auch meine Wunden leuchten.“ In diesem Zusammenhang lud Franziskus dazu ein, auch an die vielen jungen Menschen zu denken, die ihre eigenen Wunden nicht aushielten und den Ausweg im Selbstmord suchten. „Unsere Wunden können zu Quellen der Hoffnung werden, wenn wir, anstatt uns selbst zu bemitleiden oder sie zu verbergen, die Tränen anderer abwischen; wenn wir, anstatt uns über das zu ärgern, was uns genommen wird, uns um das kümmern, was anderen fehlt; wenn wir uns, statt in uns selbst zu grübeln, den Leidenden zuneigen; wenn wir, anstatt nach Liebe zu uns zu dürsten, diejenigen sättigen, die uns brauchen. Denn nur wenn wir aufhören, an uns selbst zu denken, finden wir uns selbst.“

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