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Herzog von Berry Stundenbuch

FEBRUAR:

Schon das zweite der Kalenderblätter erschliesst uns die Welt
der Bauern, jener Bauern, deren harte Arbeit es nicht zuletzt
war, die dem Herzog und der ganzen höfischen Gesellschaft ein
Leben luxuriöser Prachtentfaltung ermöglichte. Wenn es auch
schon vorher Kalenderbilder gegeben hat, so schufen doch die
Künstler in der Vollkommenheit solcher Leistungen die eigentlichen
Vorlagen für alle späteren, sonderlich in der niederländischen
Malerei so beliebten Monats- und Jahreszeitendarstellungen.
Welche Fülle von Einzelheiten ordnet sich auf dem kleinen
Raum der Miniatur zum geschlossenen Bildganzen! Wie
erzählende Worte sprechen uns die Farbtöne an, wie sinnvolle
Sätze die verschiedenen Szenen, wie eine klar verstehbare Schrift
wirkt die Gesamtheit der ineinandergreifenden Bildteile, deren
Eigengesetzlichkeit derart zwingend ist, dass sie uns noch nach
Jahrhunderten die leiseste Gedankenregung ihrer Schöpfer vermittelt.
Unschwer vermag man der künstlerischen Anordnung
zu folgen, die in einem Zuge vom Inneren ins Äussere hinüberwechselt,
von der Nähe in die Ferne. Und allenthalben die ergreifenden
Zeugnisse menschlichen Schöpfungsvermögens! Man
glaubt die ausstrahlende Wärme der Feuerstelle, an der sich
die blaugekleidete Bauersfrau mit ihren Mägden gütlich tut,
nicht minder zu spüren wie den eisigen Frost, der dem eingemummten,
über den Hof stapfenden Bauern die Hände erstarren
lässt, so dass er sie erwärmend anhaucht. Jedes Nicken einer der
futtersuchenden Krähen ist nuanciert und von dem der anderen
verschieden, und es ist gerade diese Verschiedenheit, die, allenthalben
auf diesen Blättern sichtbar, unsere Aufmerksamkeit stets
aufs neue weckt und lenkt. Diese verschneite Landschaft, die ein
trostlos grauer Himmel von der Gnade des Himmelslichtes abschliesst,
könnte den Hintergrund für eine heilige Legende bilden.
Irgendwie lässt uns der Maler teilhaben an seiner glaubensfrommen
Weltschau; er überzeugt uns vom harmonischen Zusammenspiel
der Grundkräfte des Daseins und gibt uns die segensreiche
Gewähr, dass alles auf Erden so sein muss, wie es eben ist.
Und so vollzieht sich zuletzt das Wunder wahrhafter Kunstwirkung
: Nachdem wir lange und nachdenklich dieses Bild einer frosterstarrten
Landschaft betrachtet haben, verbleibt uns nur ein beruhigendes
Gefühl von Wärme und Geborgenheit.

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