Templer - Blog

Heute ist der Todestag des 10. Templergrossmeisters

Gerardus de Ridefort. 1185 – 4. Oktober 1189

M. Melville hat dramatisch dargestellt, wie, nachdem die Nachricht
von Arnaldus’ Tod nach Jerusalem gekommen war, der Templerkonvent
sich zu seinem und des Landes Unglück für seinen Seneschall Gerardus
de Ridefort und gegen seinen besonnenen Grosspräzeptor Gilbert Erail
entschieden hätte, der als Komtur von Spanien und der Provence statt
dessen in den Westen gesandt worden sei. Diese Darstellung ist nicht
zutreffend. Gerardus’ Wahl war nicht ungewöhnlich. Er war Marschall
König Balduins IV. gewesen und bald nach seinem Eintritt Seneschall des
Ordens geworden, wie andere Grossmeister vor ihm. Gerard hatte nach
der Abreise des Grossmeisters schon als höchster Würdenträger des Ordens
seine Führung übernommen. Sowohl der König, auf dessen Schutz
der Orden angewiesen war, wie der alte Grossmeister und der grössere
Teil des Konvents standen hinter ihm. J. Prawer hat bei seiner Arbeit
an der Karte des Königreichs Jerusalem festgestellt, dass der Besitz
des Templerordens, ausgenommen seine Burgen und festen Plätze, nicht
sehr umfangreich gewesen sein kann: Zu wenig Land hat ihnen nachweislich
gehört, und Land, dessen Besitzer man nicht kennt, das ihnen also
gehört haben könnte, ist kaum vorhanden. Ich glaube, das erklärt und
bedingt, dass die Grossmeister im 12. Jahrhundert, solange ein wirkliches
Königreich Jerusalem bestand, eine enge Verbindung mit dem König
anstrebten.

Dazu kam etwas anderes. Arnaldus, wahrscheinlich schon ein älterer
Mann, als er Grossmeister wurde, war während seiner Amtszeit nicht hervorgetreten.
Die Templer hatten unter seiner Führung keine Gelegenheit
gehabt, sich auszuzeichnen. Der Orden rekrutierte sich ständig aus dem
Westen. Die neuankommenden Ritter wollten kämpfen. Sie verstanden
nicht, dass die palästinensischen Barone mit Saladin verhandelten. Sie
wählten einen Grossmeister, von dem sie gewiss zu sein glaubten, dass er
sie zum Kampf führen würde. Sogar die einfachen Soldaten ertrugen die
Untätigkeit angesichts des Feindes schwer, wie sich bei Ein Jälüd 1183
gezeigt hatte, was später im Lager vor Akko zu einem selbständigen
Angriff der „Sergeanten” führen sollte. Dies erklärt die Wahl des Gerardus.
Er hat dem Wunsch der Ordensbrüder entsprochen und sie zweimal
gegen die Muslime geführt.

Gerard hat das Unglück gehabt, dass der wohl zuverlässigste Chronist
seiner Zeit dem Lager seiner Gegner angehörte. Ohne auf die sehr schwierige
Verfasserfrage der französischen Fortsetzungen Wilhelms von Tyrus
eingehen zu können, scheint es mir doch sicher, dass der Darstellung der
Ereignisse des Jahres 1187, so wie sie in der sog. Estoire d’ Eracles und
der Chronique d’ Ernoul aufgezeichnet worden sind, der Augenzeugenbericht
des Ernoul zugrunde liegt. Dieser Ernoul war ein Knappe Balians
d’ Ibelin, der wie die andern Barone des Landes, mit Ausnahme Rainalds
von Chätillon, auf der Seite Raimunds von Tripolis stand. Seine Darstellung
ist einseitig.

Gerard de Ridefort, der zehnte Grossmeister, kam im Anfang der 70er
Jahre aus Flandern in den Orient. Er trat -Chevalier errant dou siech –
als sodoier in den Dienst des Grafen Raimund von Tripolis. Mit der Hand
der Erbin von Botron, die der Graf von Tripolis als ihr Lehnsherr zu vergeben
und ihm versprochen hatte, hoffte Gerard ihren Besitz und damit
Rang und Geltung unter den Baronen des Landes zu erringen, wie es
andern vor ihm gelungen war, die wie er als „fahrende Ritter” ins Land
gekommen waren. Aber ein reicher Pisaner aus Tripolis erhielt die Braut,
da er sie zur Entrüstung der Franzosen -buchstäblich -mit Gold aufwiegen
konnte, ein Grund mehr für ihre Verachtung der Italiener, „denn
so reich und klug sie sind, sie (die Franzosen) halten sie doch nur für
‘vilains’; denn die meisten Italiener sind Wucherer, Seeräuber oder Kaufleute”. Raimund brauchte dringend Geld, da Saladin 80.000 Besanten
als Lösegeld verlangt hatte, und Raimunds Schuld an die Johanniter,
die ihm Geld geliehen hatten, noch bei seinem Tode 37.000 Besanten betrug.
Dennoch war Gerards Zorn auf den Grafen wegen seines nicht
eingehaltenen Versprechens berechtigt. Er verliess Tripolis und trat in
den Dienst König Balduins. 1179 war er königlicher Marschall. Ob dies
Amt ihm nicht genügte, oder ob eine Krankheit ihn dazu veranlasste, wie
die Estoire will, Gerard trat in den Templerorden, dessen Seneschall er
1183 wurde, was mehr seinem Ehrgeiz als einem Verlangen nach Abkehr
von der Welt entsprach. 1184 vertrat er den Grossmeister während
seiner Abwesenheit und hielt, wie ein Schreiben von ihm an frater 0.
de Vend(obre?), preceptor in Jerusalem, zeigt, ein strenges Regiment:
Robert de Sourdeval war in Tyrus gelandet und vom Präzeptor des
Ordenshauses dort in Empfang genommen worden; darauf habe er,
Gerard, ein Kapitel auf die Ordensburg La Feve (Merhavya) zusammengerufen,
das von etwa 100 Rittern besucht gewesen sei; man habe beschlossen,
fünf Ritter nach Tyrus zu entsenden, die Robert das Ordenskleid
nehmen, ihn nach Akko führen und dort bis zur nächsten Überfahrt
in der camera privata bewachen sollten. Roberts Vergehen ist nicht
bekannt; vielleicht war er ohne Erlaubnis in den Orient gekommen. Er
gehörte einer angesehenen normannischen Familie an, die seit dem ersten
Kreuzzug eine Baronie im Prinzipat Antiochia innehatte. Aber der
Rang seiner Familie galt im Orden nichts. Drei Jahre vor dem Fall Jerusalems,
unter einem Führer, dessen Handlungen vor allem der Hass
gegen Raimund bestimmt haben soll, der sich, nach Ernoul, ohne jede
Überlegung in den Kampf stürzte, wo er sich bot, war die Zucht des
Ordens ungebrochen streng: lieber wurde auf einen Kämpfer verzichtet,
als dass ein Ungehorsam unbestraft blieb. Eine ähnliche Strenge herrschte
im Johanniterorden. Ein Johanniterritter, der auf dem Feldzug Richards I .
1192 auf eigene Faust aus der Reihe geritten war und angegriffen hatte,
entging nur auf die inständigen Bitten der Barone hin seiner strengen
Bestrafung. Allerdings scheint es bedenklich, wenn Hass, Ehrgeiz
und Fanatismus zusammenwirken.

Gerard wurde zum Grossmeister gewählt, sobald die Nachricht von
Arnalds Tod im Königreich bekannt geworden war, Ende 1184 oder Anfang
1185. Balduin IV. starb im Frühjahr 1185. Raimund von Tripolis
schloss bald darauf mit Saladin einen Waffenstillstand für vier Jahre;
Gerard und der Vertreter des Johannitergrossmeisters, der selber noch
nicht aus dem Westen zurückgekehrt war, hatten ihre Zustimmung gegeben.
Ein Jahr lang hatte das Königreich Frieden. Da starb im Sommer
1186 auch das Königskind Balduin V. Die grosse Rolle Gerards
begann. Joscelin von Courtenay, in dessen Obhut das Kind gewesen war,
überliess den Templern den Leichnam und besetzte Akko und Beirut,
das Raimund als Pfand für seine Ausgaben als Prokurator zugesprochen
worden war. Die Königin- Mutter und – Schwester Sibylle hielt mit ihrem
Gatten Guido von Lusignan Jerusalem. Ihnen schloss sich Rainald von
Chätillon an. Raimund sammelte die Ibelins und die andern Barone des
Landes in Nablus um sich; sie hatten ihm 1183 geschworen, dass er auch
nach dem Tode Balduins V . Prokurator bleiben sollte, bis die Fürsten
des Westens über die Nachfolge entschieden hätten. Die Schlüssel zum
Tresor, der die Kronen enthielt, bewahrten der Patriarch und die beiden
Grossmeister. Der Templergrossmeister lieferte seinen Schlüssel dem
Patriarchen aus, einer Kreatur der alten Königin Agnes, por la haine que
il avoit au conte de Triple. Erst nach langem Zögern gab der Johannitermeister
auch den seinen. Sibylle wurde vom Patriarchen gekrönt und
krönte dann eigenhändig auch ihren Gatten. Humfried (IV.) von Toron,
ein Enkel Philipps von Milly, der als Gatte der Isabella, einer jüngeren
Schwester Sibylles, von den Baronen zum König erhoben werden sollte,
entwich ihnen nach Jerusalem und huldigte Guido. Ihm folgten zögernd
auch die andern Barone. Raimund zog sich nach Tiberias, Balduin d Tbelin-
Ramla nach Antiochia zurück. Das Reich blieb einem Mann überlassen,
der seinem Amt nicht gewachsen war: simplex et minus astutus.
Gerard de Ridefort soll gesagt haben, diese KronEsei die Heirat von
Botron wert.

Noch hatte das Königreich Frieden. Aber Rainald von Chätillon brach
den Waffenstillstand, an den er sich nicht gebunden fühlte, überfiel
und plünderte eine Karawane Saladins. Saladin nahm das zum Vorwand,
Genugtuung zu fordern. Die Machtstellung Rainalds bedeutete für ihn
einen schweren Prestigeverlust. Rainald verweigerte eine Entschädigung.
Der König konnte sie nicht leisten. Er war auf Gerards Rat nach Nazareth
gezogen, um Tiberias zu belagern, da Raimund ihm die Huldigung versagt
hatte. Mit Mühe vermochten die Barone, König Guido von einem
Zug nach Tiberias zurückzuhalten und schliesslich zu bewegen, mit Raimund
zu verhandeln. Nach früheren ergebnislosen Bemühungen scheint
es im Frühjahr 1187 dem Johannitergrossmeister gelungen zu sein,
Raimund umzustimmen, so dass er sich bereit erklärte, den Erzbischof
von Tyrus, die beiden Grossmeister, Balian d’ Ibelin und Rainald von
Sidon zu empfangen.

Raimund war in einer schwierigen Lage. Als König Guido mit seinen
Truppen gegen ihn zog, hatte er Saladin um Hilfe gebeten. Nun musste
er Saladins Sohn gestatten, mit seinem Heer einen Einfall in Galiläa zu
machen. Den Christen wurde er deshalb zum „ Verräter “. Die Geschichte
dieses muslimischen Angriffs ist nicht ganz klar. Sicher ist nur,
dass Raimund davon wusste, ihn nicht abwehren konnte und den König
und Nazareth warnte. Die festen Plätze blieben unbehelligt, während das
offene Land der Willkür des Feindes preisgegeben war. Der Einfall der
Muslime war weder friedlich gemeint noch verlief er so; „frohen Mutes
marschierten sie, machten unversehens Überfälle, raubten, plünderten
und machten Gefangene und Beute”, wie Imäd ad-Din erzählt.
Gerard de Ridefort erfuhr auf dem Wege nach Tiberias von dem Anrücken
der Muslime. Er liess die Templer aus ihrer Burg Caco (Qaqun) kommen
und rückte am 1. MaImit ihnen -es waren zusammen mit der Besatzung
der Templerburg La Feve 80 Templer, dazu 10 Johanniter und
40 Ritter aus Nazareth, wenn wir den Zahlenangaben glauben dürfen,
ungerechnet die unberittene Truppe -bis zur Quelle Cresson ( ‘ Ein
Jöze), nordöstlich von Nazareth, vor. Vor vier Jahren hatten nicht weit
davon Saladins Truppen ungehindert plündern dürfen. Jetzt nahm Gerard
mit dem zahlenmässig überlegenen Feind den Kampf auf, obwohl
der alte Johannitergrossmeister und der Templermarschall Jaquelin
de Maille ihn warnten. Wie schon oft meinten die Christen zunächst
Erfolg zu haben, aber der leicht bewegliche Gegner scheint wieder eine
Flucht vorgetäuscht und die Christen zur Verfolgung gereizt zu haben,
so dass sie ihre feste Schlachtordnung auflösten, die Verfolgung aufnahmen,
umzingelt und zum grössten Teil umgebracht wurden. Gerard
soll alsdann, nachdem er schon durch seinen Leichtsinn die Ritter von
Nazareth in den Tod getrieben hatte, nach der, wie er vorgegeben habe,
siegreichen Schlacht, Nazareths Bürger dem Feind in die Arme geschickt
haben. Aber zu deutlich spricht aus dem ganzen Bericht Ernouls und
seines Herrn Abneigung gegen Gerard. Seine Erzählung aber, dass sein
Herr Balian d’ Ibelin nicht an der Schlacht teilgenommen habe, weil er
früh die Messe habe hören wollen und dann an dem Treffpunkt vor der
Burg La Feve niemand mehr angetroffen habe -an dieser Stelle der
Chronik ist Ernouls Name erwähnt -, ist eine nicht überzeugende Entschuldigung.
Balian entkam auch bei Hattin und zeichnete sich erst bei
der Verteidigung von Jerusalem aus. Wo der Erzbischof von Tyrus und
Rainald von Sidon, die Begleiter der beiden Grossmeister, geblieben waren,
erfährt man nicht. Imäd ad-Dins Bericht rechtfertigt, ohne es zu beabsichtigen,
Gerards Verhalten: „Doch ehe sie (Saladins Sohn und seine
Truppen) sich’s versahen, hatten ihnen die Haufen des Unglaubens den
Weg versperrt und den Engpass besetzt, so dass sie nicht in die Ebene
hinaus konnten.” Englische Chronisten, deren Berichterstatter nach
dieser Schlacht ins Land kamen, wissen nichts mehr von Gerards Schuld;
sie rühmen nur die grosse Tapferkeit der Templer, besonders des Templers
Jaquelin de Maille, der den Sarazenen wie der heilige Georg vorgekommen
sei. Der Johannitergrossmeister fiel. Vor den Toren von Tiberias
verliess Gerard die Gefährten seiner Mission; er wünschte nicht, dem Grafen
Raimund zu begegnen.

Ist Gerards Verhalten am 1. Mai 1187 trotz der Niederlage in gewisser
Weise zu rechtfertigen und Saladins Verletzung des Waffenstillstands
und Raimunds Bündnis mit Saladin mit dafür verantwortlich zu machen,
so glaubt man ihn doch von seiner Schuld an der Niederlage des christlichen
Heeres bei Hattin nicht entlasten zu können.

König Guido und Raimund versöhnten sich. Gerard blieb der erste
Ratgeber des Königs. Er lieferte ihm das Geld aus, das König Heinrich II.
von England als Sühne für den Mord an Thomas Becket für einen künftigen
Kreuzzug beim Tempel hinterlegt hatte, zur Einberufung des „Landsturms”,
des ‘arriere-ban’ Auch Saladin hatte gerüstet und zog mit
einer starken Heeresmacht über den Jordan, aber Graf Raimund riet
im Kriegsrat von Akko dringend davon ab, sich ihm in der Sommerhitze
zum Kampf zu stellen. Als der König doch auf Rat des Templergrossmeisters
Saladin, der Tiberias bedrohte, bis zu den Quellen von
Saffuriya (LEsaforie, ‘ Ein Zippori) entgegenzog, da Gräfin Eschiva von
Tiberias seine Hilfe angerufen hatte, wiederholte Raimund seine Warnung,
obwohl seine Gemahlin in Tiberias eingeschlossen war: man
dürfe es keinesfalls dort zur Schlacht kommen lassen. Die Barone schlössen
sich seiner Meinung an und überzeugten den König. Saladin würde
sein grosses Aufgebot nicht lange bei der Fahne halten können. Deshalb
müsse das christliche Heer dort, wo es ausreichend mit Wasser versorgt
werden könne, seinen Abzug erwarten. Doch nachts stimmte Gerard den
König um: Es sei eine Schande, dem Rat des Verräters zu folgen, und,
obwohl das Heer stark genug sei, eine nur 5 Milien entfernte Stadt umkommen
zu lassen. „Das ist die erste Tat, die von Euch verlangt wird,
seit Ihr König seid!” Der König wagte nicht, dem Grossmeister zu widersprechen,
„denn er liebte ihn und fürchtete ihn deswegen, weil er ihn zum
König gemacht hatte”. Ohne Auskunft über seine Meinungsänderung
geben zu wollen, befahl der König am nächsten Morgen mit dem Eigensinn
eines seiner selbst nicht sicheren Menschen den Aufbruch zum Kampf.
Die Schlacht bei Hattin am 4. Juli 1187 ist zuletzt von J. Prawer und
P. Herde ausführlich beschrieben worden; auf ihre Kontroverse kann
hier nicht eingegangen werden. Der Marsch des christlichen Heeres auf
Tiberias zu, führte, in der Hitze des 3. Juli, durch steiniges, wasserloses
Gebiet. Am Mittag schon waren die Templer, die die Nachhut bildeten
und besonders den feindlichen Angriffen ausgesetzt waren, nicht in der
Lage, weiter zu marschieren, um den See von Tiberias zu erreichen,
dessen grüne Ufer mit Wasser und Weide Menschen und Pferde vor
völliger Erschöpfung bewahrt hätten. Zwischen Kh. Meskene (Mareschaucie)
und Lübiye (Lubia) wurde Halt gemacht und damit der
Untergang des Heeres besiegelt. Nach einer qualvoll verbrachten Nacht,
während der die Muslime angesichts der Christen ständig mit Wasser
versorgt wurden, stellten sich die Heere am 4. Juli zum Kampf. Es
gelang dem Feind, die Schlachtordnung der Christen aufzulösen. Ihre
Widerstandskraft war durch die Anstrengungen des Tages und der Nacht
zuvor schon gebrochen. Das Fussvolk weigerte sich, zu kämpfen. Die
schwergepanzerten Ritter waren dem beweglichen Gegner nicht gewachsen.
Die Templer hielten sich tapfer, erst bei der Nachhut, dann
bei der letzten Verteidigung des heiligen Kreuzes und des Königs, wo
sie wohl unter denen waren, die nach einem arabischen Augenzeugen
bis zuletzt den für die Muslime glücklichen Ausgang der Schlacht
in Frage stellten. Raimund gelang ein Durchbruch durch die Reihen
der Muslime, der zunächst als Entlastung der Kampfgruppe um den
König gedacht war. Da die Reihen der Muslims sich vor ihm öffneten und
hinter ihm schlössen, konnte und wollte er nicht umkehren. Er brachte
sich und die seinen in Sicherheit. Es gelang ihm noch, in Tyrus den
Widerstand zu organisieren, doch starb er bald darauf in Tripolis.
Ernoul war wie sein Herr und andere mit ihm entkommen. So sind wir
über den Ausgang der Schlacht nicht gut unterrichtet. Guido und die
Barone, auch der Templergrossmeister wurden des Lösegeldes wegen in
Gefangenschaft genommen. Die gefangenen Templer, 230 oder mehr,
und Johanniter liess Saladin als seine erbittertsten Feinde töten.
Rainald von Chätillon wurde, nach glaubwürdigen Berichten von Saladin
selbst, enthauptet. Das bekannte Bild seiner Grossmut wird durch
solche Entscheidungen jäher Grausamkeit, wie sie auch der Mord an den
Ordensbrüdern offenbart, getrübt und zeigt die Berechtigung von
Prawers Kritik an dem üblichen Saladinbild: er ermordete den Gegner,
den zu besiegen ihm nicht gelungen war.

Gerard blieb auch in der Gefangenschaft König Guidos Ratgeber.
Wie gross seine Schuld an dem Unglück von Hattin und damit auch am
Verlust fast des ganzen Landes war, ist ihnen beiden wohl nicht bewusst
geworden. Seine Freilassung -Ende Juni 1188 -wurde mit der
Übergabe von Gaza, el-Natrun (Toron des Chevaliers) und Beth Gibelin
(Bet Gruvrin) erkauft, wie die des Königs durch Übergabe von Askalon,
ein Zeichen, wie hoch Saladin den Grossmeister einschätzte. Trotz
seines Versprechens bei der Freilassung, nicht mehr zu kämpfen, an das
er sich, als einem Muslim gegeben, nicht gebunden fühlte, gelang es ihm,
die Burg von Tortosa gegen die Angreifer zu halten; fast alle Burgen
des Landes hatten sich Saladin ergeben.

Da Seneschall und Marschall des Ordens am 1. Mai gefallen waren,
übernahm der Grosspräzeptor Terricus, vermutlich ein Landsmann
Gerards, die Führung des Ordens. Er unterrichtete den Papst, die Ordensbrüder
im Westen und Philipp von Flandern von der Schlacht bei Hattin
und berichtete Anfang des Jahres 1188 „seinem Herrn” Heinrich II.
vom Fall Jerusalems. Er ging mit den Brüdern, die bei Hattin entkommen
waren, nach Tyrus, das sie erst unter Raimund von Tripolis, später
unter Konrad von Montferrat erfolgreich verteidigten.

Smail hat es u.W. allein unternommen, König Guido und damit auch
Gerard von dem Vorwurf zu entlasten, sie hätten den Untergang des
Reiches verschuldet. 1182 war König Balduin IV. gegen Raimunds
Rat nach Transjordanien gezogen und hatte Krak und Schaubak gegen
Saladin gehalten. 1183 hatte Guido die Regentschaft aufgeben müssen,
weil er -auf Rat Raimunds und der andern Barone -einem Kampf
ausgewichen war. Konnte er also 1187 Raimund, der im Einvernehmen
mit Saladin stand, Vertrauen schenken? Die Gräfin von Tiberias hatte
den König um seine Hilfe gebeten, die zu leisten er verpflichtet war. Der
Grossmeister wünschte seine Niederlage vom 1. Mai zu rächen. Auch
hier bestanden für den König Verpflichtungen gegen den Führer der
Truppe, die ihm am zuverlässigsten diente. Das Lehnsaufgebot wurde im
Laufe des 12. Jahrhunderts kleiner; ein Söldnerheer erforderte grosse
Ausgaben. Der Grossmeister soll gedroht haben, ihm den Dienst aufzusagen,
wenn er sie nicht zur Schlacht führte. Es bleibt zu betonen, dass
die Kreuzfahrer und vor allem die Orden ins Land gekommen waren, um
die Muslime zu bekämpfen, nicht, um mit ihnen in irgendeiner Weise zu
leben, wie die Barone des Landes, zum mindesten einige von ihnen, es
vorgezogen hätten und wie es doch, letztlich, nicht möglich war. Der
Sieg bei Hattin und die Eroberung des Landes gelang Saladin, der sich
vorher keineswegs als grosser Feldherr bewährt hatte, wie Prawer gezeigt
hat, fast mühelos. Man hat Gerard, Rainald und Raimund schuld an der
Niederlage der Christen gegeben. Dass sie gegeneinander arbeiteten,
dass einEsichere Führung fehlte, hat das Verhängnis herbeigeführt.

Als Konrad von Montferrat die Verteidigung der Stadt Tyrus und,
wie jüngst vermutet wurde, die Leitung der Kommune der Stadt übernahm,
stellte sich Terricus mit den Templern an seine Seite. Als aber
König Guido und der Templergrossmeister im Sommer 1188 aus der
Gefangenschaft zurückkehrten, verweigerte ihnen Konrad den Eintritt
in die Stadt. Nach seiner erfolgreichen Verteidigung der Stadt hielt sich
Konrad für berechtigt, Guidos Stelle einzunehmen und sprach von ihm –
schon im August 1189 -als quondam rex”). Gerard hielt seinem König
die Treue; er zog die Ordensbrüder von Tyrus ab und folgte König Guido,
der zur Belagerung von Akko zog. In diesem Zusammenhang ist
Konrads Klage über die Templer zu verstehen, quod M invidia ducti gravarent
eum in multis plus quam pagani”). Dass sie ihm freilich den Schatz
des Königs von England vorenthielten, der lange zuvor für das Landsturmaufgebot
vor Hattin ausgegeben war, ist ein ungerechter Vorwurf.
Ihr Widerstand bestand im wesentlichen darin, dass sie nicht zu ihm, sondern
zum König hielten. Konrad lobte die Johanniter, doch auch ein Teil
von ihnen hielt zum König und folgte ihm nach Akko. Der Stellvertreter
des Johannitergrossmeisters, Armengaud d’ Asp, der erst im Sommer 1188
aus dem Westen gekommen war, blieb mit seinen Leuten bei Konrad.

Im August 1189 sammelten sich die Scharen der Christen vor Akko;
im September kamen französische Fürsten aus dem Westen zu ihrer
Unterstützung, endlich auch Konrad von Montferrat. Saladin zog heran,
um die bedrängte, aber gut befestigte Stadt zu unterstützen. Nach kleineren
Gefechten kam es am 4. Oktober 1189 zur ersten grossen Schlacht.
Die Christen drangen zunächst siegreich bis zu Saladins Lager vor. Dann
aber löste sich ihre Ordnung auf, sei es, dass man nach Beute ausging,
dass ein herrenloses Pferd die Auflösung bewirkte oder dass ein Ausfall
aus der Stadt zu schneller Umkehr zwang -die Berichte weichen voneinander
ab -, jedenfalls gelang es Saladin und seinen Feldherrn, ihre
Truppen zu sammeln und die Schlacht, die schon verloren schien, zu gewinnen
. Gerard de Ridefort fiel, wie auch der Marschall des Ordens,
oder geriet in Gefangenschaft, wie die arabischen Chronisten berichten,
wo er umgebracht worden sein soll, weil er gegen sein Versprechen weiter
gegen Saladin gekämpft hatte. Nach Ambroise habe man ihn noch
während des Kampfes aufgefordert zu fliehen; er sei aber, die Flucht
verschmähend, heldenmütig in den Tod gegangen. Ähnlich rühmt ihn das
Gedicht über die Eroberung von Akko. Nicht, dass diesen panegyrischen
Äusserungen irgendein historischer Wert beizulegen wäre, aber sie zeigen,
dass bei Gerards Zeitgenossen -ob sie den Ereignissen beiwohnten, oder
sie nur von Augenzeugen erfuhren -nicht das Bewusstsein davon vorhanden
war, dass Gerard etwa seine „Schuld” von Hattin habe tilgen
wollen, wie Grousset glaubt. Sein eigentlicher Makel, der eines Parvenü,
haftete ihm nur nach dem Urteil der Barone des Landes an. Die
englischen Historiographen der folgenden Jahrzehnte stehn unter dem
Eindruck des dritten Kreuzzuges und der Waffentaten Richards I. Ihnen
gilt Balian dTbelin als plus faus de gobelin, oder saevus, levis, perfidus”),
weil er Konrad von Montferrat begünstigte und später Richards Verhandlungen
mit Saladin entgegenarbeitete, indem er selbst für Konrad mit
Saladin unterhandelte. Dass er Jerusalem tapfer verteidigt und günstige
Bedingungen für seine Übergabe erwirkt hatte, war vergessen.

Diese schwarz-weiss-Malerei der Geschichtsschreiber zeigt recht eigentlich,
wie schwer es ist, die Lage des Landes und die Handlungen der
Männer, die mit besonderem Lob oder Tadel bedacht werden, richtig zu
beurteilen. Es war zu seinem eigenen Verhängnis, zu dem des Ordens und
des Landes, dass Gerard de Ridefort Grossmeister des Templerordens
wurde.

Gerard erhielt wie seine Vorgänger päpstliche Privilegien für den Orden.
Urban III. ernannte ihn und den Johannitergrossmeister zusammen
mit dem Erzbischof von Nazareth zu Schiedsrichtern in einem Streit
zwischen den Genuesen und dem derzeitigen Reichsverweser Raimund
von Tripolis. Er bestätigte die Bulle Omne datum optimum, wie sein
Nachfolger Clemens III., der in einem Schreiben den Tod des Grossmeisters
bekanntgab.

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