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Irak: Mossul kämpft um seine Wiedergeburt

Rund fünf Jahre nach der Befreiung Mossuls vom sogenannten „Islamischen Staat“ ist die Situation in der Stadt alles andere als einfach. Darauf hat der chaldäische Erzbischof von Mossul, Michael Najeeb Moussa, im Interview mit Asianews hingewiesen.

2014 mussten alle Christen vor der IS-Terrormiliz flüchten, nur wenige Familien sind seither zurückgekehrt. Ein Großteil der Millionenstadt am Tigris liegt nach wie vor in Trümmern, gleiches lässt sich auch auf das soziale Gefüge der Stadt übertragen, berichtet der Dominikaner-Erzbischof laut Pro-Oriente-Informationsdienst.

Der IS konnte zwar 2017 militärisch aus Mossul und der Ninive-Ebene vertrieben werden, doch die Ideologie der Terrorgruppe sei nach wie vor in einem Teil der Bevölkerung verankert, besonders unter den weniger Gebildeten, so der Bischof. Diese Ideologie ließe sich letztlich nur mit Bildung bekämpfen, zeigte sich Moussa überzeugt.

Michael Najeeb Moussa wurde Ende 2017 von der chaldäischen Synode zum neuen Erzbischof von Mossul gewählt, kurz darauf von Papst Franziskus bestätigt und im Januar 2018 in sein Amt eingeführt. Die ersten Jahre residierte er in der Kleinstadt Karamles und kam nur sporadisch nach Mossul, seit einiger Zeit ist er in Mossul ansässig.

In der Millionenstadt hatten bei der Machtübernahme der IS-Terrormiliz 2014 noch 35.000 Christinnen und Christen gelebt. Sie wurden vor die Wahl gestellt, die Stadt entweder zu verlassen, zum Islam zu konvertieren oder hingerichtet zu werden. Im Februar 2015 hatten die Terroristen eine der größten und ältesten chaldäisch-katholischen Kirchen des Irak, die Kirche der Jungfrau Maria im Mossuler Zentrum, gesprengt, und im April 2016 wurde die historische römisch-katholische Kirche „Unsere Frau der Stunde” zerstört.
Nur wenige Christen zurückgekehrt
Nach wie vor seien nur wenige Christen in die Millionenstadt zurückgekehrt, so Erzbischof Moussa. Er kritisierte die Korruption im Land, es fehle den Christinnen und Christen an Unterstützung und an Arbeitsmöglichkeiten, die Infrastruktur sei heruntergekommen. 60 Prozent aller Häuser in der Stadt seien immer noch beschädigt. Von den 28 zerstörten Kirchen seien bisher zwei wieder hergerichtet worden, auch die Klöster der Stadt lägen nach wie vor in Trümmern. Drei davon stammten aus dem fünften bzw. sechsten Jahrhundert.

56 christliche Familien sind laut dem Erzbischof bisher zurückgekehrt, womit sie „großen Mut beweisen”, so Moussa. Die IS-Terroristen hatten die Häuser der Christinnen und Christen mit dem Buchstaben „N” gekennzeichnet. N steht für „Nassarah”, dem im Koran verwendeten Begriff für Christen. Was als Zeichen der Demütigung gedacht war, werde nun zu einer „Quelle des Stolzes und der Zugehörigkeit”. Die Christen zeichneten ein Kreuz in die Mitte des Buchstabens, so Erzbischof Moussa.

Von der Ölindustrie ins Bischofsamt
Der Besuch von Papst Franziskus im März 2021 sei ein Meilenstein für Mossul gewesen, betonte Moussa weiter. Er sprach von einem „Samen der Hoffnung”, der von Papst Franziskus gesät wurde: „Alle arbeiten Seite an Seite, um Häuser wieder aufzubauen oder schrittweise wiederherzustellen.” So habe die kleine christliche Minderheit in der Stadt auch viele Freundinnen und Freude unter der muslimischen Bevölkerung. Muslime würden sich auch an der Wiedererrichtung von Kirchen beteiligen.

Michael Najeeb Moussa wurde 1955 in Mossul geboren. Er trat nach längerer Tätigkeit in der Ölindustrie 1981 in Frankreich in den Dominikanerorden ein. 1987 wurde er von dem algerischen Märtyrer-Bischof Pierre Claverie zum Priester geweiht.

Über viele Jahre leitete er das Handschriftenzentrum der Dominikaner im Nordirak. Dieses befand sich zuerst in Mossul, wurde dann aber aus Sicherheitsgründen nach Karakosch verlegt und mit dem Vormarsch des IS im Jahr 2014 weiter nach Erbil. Moussa gelang es 2014 nicht nur, zahlreichen christlichen Familien bei der Flucht zu helfen, sondern auch tausende kostbare christliche Handschriften zu retten.

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