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Ist die vierte Impfung notwendig?

Macht die vierte Impfung wirklich auch für Jüngere Sinn – und lieber auf den Omikron-Impfstoff im Herbst warten? Wir bieten euch Orientierung.

Wieso gibt es überhaupt Verwirrung?
Zur Klarheit kurz zu den Begriffen: Die „vierte Impfung“ und der „zweite Booster“ meinen bei den Corona-Impfungen dasselbe. Nämlich: Die Grundimmunisierung mit zwei Impfdosen (= erste und zweite Impfung) plus den ersten Booster (= dritte Impfung) plus den aktuell viel diskutierten zweiten Booster (= vierte Impfung).
Und zumindest das ist auch klar: Derzeit empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland die vierte Impfung nur für Risikogruppen. Genauer für:

Menschen über 60 Jahre
Bewohner:innen und Betreute in Pflegeeinrichtungen
Menschen mit Immunschwäche ab fünf Jahren
Menschen, die in medizinischen Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen arbeiten (insbesondere bei direktem Kontakt mit Patient:innen und Bewohner:innen)
Verwirrung durch widersprüchliche Aussagen
Während die Stiko die vierte Impfung eben nur für Risikogruppen empfiehlt (eine Impfung für Jüngere auf Wunsch aber möglich ist), legte Gesundheitsminister Karl Lauterbach in einem Spiegel-Interview auch gesunden Jüngeren die vierte Impfung nahe: „Wenn jemand den Sommer genießen will und kein Risiko eingehen will zu erkranken, dann würde ich in Absprache natürlich mit dem Hausarzt auch Jüngeren die Impfung empfehlen“.

Später stellte er aber klar, dass er dies nicht als allgemeine Empfehlung an alle gesunden Jüngeren verstanden wissen wollte.

Anfang August forderte er dann erneut klare Empfehlungen auch für jüngere Altersgruppen, wann eine vierte Impfung sinnvoll sei. Spätestens wenn die neuen, an die Omikron-Variante angepassten Impfstoffe da seien, „sollte es klare Ansagen auch für die unter 60-Jährigen geben“.

Ab 50 oder 60?
Verwirrend ist auch, ab welchem Alter eine vierte Impfung wirklich belegbare Vorteile hat: Die Stiko empfiehlt sie seit Kurzem ab 60 (vorher ab 70), ebenso die Europäische Arzneimittelagentur (EMA), die USA ab 50.

Was also ist jetzt mit der vierten Impfung? Wir schauen: Wo kann man schon klare Aussagen treffen – und wo noch nicht? Wir gehen Punkt für Punkt mit euch durch.

Das Wichtigste schon mal in Kürze:
Die vierte Impfung verstärkt bei den Risikogruppen deutlich den Schutz gegen schwere Erkrankung und Tod durch COVID-19.
Für gesunde Jüngere sehen Gesundheitsbehörden aktuell keinen ausreichenden Vorteil, um den zweiten Booster generell zu empfehlen.
Ob die vierte Impfung gegen Long Covid schützt, ist noch unklar. Diese Frage ist noch nicht ausreichend erforscht.
Risikogruppen, denen die vierte Impfung schon jetzt empfohlen wird, sollten nicht auf die Omikron-Impfstoffe im Herbst warten.
Artikel Abschnitt: Wovor schützt die vierte Impfung?
Wovor schützt die vierte Impfung?
Um es kurz zu machen: Studien in unterschiedlichen Ländern ergaben, dass die vierte Impfung bei Risikogruppen den Schutz vor schwerer Erkrankung und Tod erfolgreich verstärkt.
So zeigten etwa Studien in Israel mit älteren Menschen, dass diese mit der vierten Impfung mehr als 60 Prozent besser vor schwerer Erkrankung geschützt waren als die Gruppe mit nur drei Impfungen – und um mehr als 70 Prozent besser vor Tod durch COVID-19.

Besonders bei aktueller Infektionslage sinnvoll
Eine Studie der US-Gesundheitsbehörde CDC bei Proband:innen über 50 Jahren zeigte eine Wirksamkeit der vierten Impfung von 80 Prozent gegen Hospitalisierungen – hier im Vergleich zu Ungeimpften.

Hinzu kommt: Die derzeit vorherrschende Virusvariante Omikron BA.5 ist besonders ansteckend, immer mehr Menschen infizieren sich trotz dritter Impfung. Besonders vor diesem Hintergrund ist die Erhöhung des Schutzes für Risikogruppen sinnvoll.

Hat die vierte Impfung keine Vorteile für gesunde jüngere Menschen?
Für Jüngere hat sich in Studien gezeigt: Auch Monate nach der dritten Impfung blieb der Schutz vor schwerer Erkrankung oder Tod noch hoch.
So lag in einer Studie der US-Gesundheitsbehörde CDC die Wirksamkeit nach zwei Monaten bei 91 Prozent, nach vier Monaten noch immer bei 78 Prozent – im Vergleich zu Ungeimpften.

Immunologen gehen davon aus, dass der Schutz auch über die bisher untersuchten vier Monate Bestand hat – wie lange genau, ist noch nicht geklärt. Eine vorläufige Studie aus Israel deutet an, dass der Schutz auch nach sieben Monaten noch stabil blieb.

Und was ist mit dem Schutz vor Ansteckung?
Eine andere Motivation für die vierte Impfung könnte sein, zumindest kurzzeitig den Schutz vor Ansteckung erhöhen zu wollen. Es gibt generell bislang nur wenige Studien, bei denen der Effekt der vierten Impfung gezielt nur bei Jüngeren untersucht wurde – dort interessierte die Forschenden aber nur das Infektionsrisiko bei Beschäftigten im Gesundheitswesen.

Eine Studie aus Israel stellte dort beim Schutz gegen Infektionen eine Wirksamkeit von 30 Prozent (bei Biontech) und 11 Prozent (bei Moderna) fest. Viele derjenigen, die sich infizierten, hatten relativ hohe Viruslasten – auch mit vierter Impfung. Die vierte Impfung mit dem klassischen Impfstoff scheint demnach also nur in geringem Maße vor Infektionen zu schützen.

Bisher keine ausreichenden Vorteile
Zusammen mit der Tatsache, dass auch schon die dritte Impfung bei Jüngeren langfristig vor schweren Verläufen schützt und es in dieser Altersgruppe ohnehin vergleichsweise wenige Hospitalisierungen wegen COVID-19 gibt, sehen die Gesundheitsbehörden bislang keine ausreichenden Vorteile, um allen jüngeren Menschen eine vierte Impfung zu empfehlen.

Das trifft auf die deutsche Stiko zu, ähnlich urteilt aber auch die EMA und auch die US-Gesundheitsbehörde CDC. Sie urteilen allerdings unterschiedlich bei der Altersgrenze, ab der sie die vierte Impfung empfehlen.

Ab welchem Alter sollte man sich ein viertes Mal impfen?
Dass die vierte Impfung für ältere Menschen den Schutz vor schweren Verläufen und Tod erhöht, ist gut belegt – aber was genau heißt „älter“? Auch das sorgt derzeit für Verwirrung: Bei der Altersgrenze, ab der zum zweiten Booster geraten wird, unterscheiden sich die Empfehlungen der Gesundheitsbehörden deutlich.
Die Stiko in Deutschland empfiehlt die vierte Impfung seit kurzem für Menschen ab einem Alter von 60 Jahren (zuvor war die Empfehlung ab 70 Jahren) – so wie es auch die EMA und die europäische Gesundheitsagentur ECDC tun. Und die US-amerikanischen und australischen Gesundheitsbehörden empfehlen die vierte Impfung schon für alle ab 50.

Wie ist das zu erklären?
Uns fiel auf: Die Gesundheitsbehörden untersuchen nicht nur das Infektionsgeschehen für unterschiedliche Länder mit jeweils unterschiedlicher Bevölkerungsstruktur – sie nutzen auch unterschiedliche Methoden und bewerten Daten aus anderen Blickwinkeln heraus.

Man kann die Ergebnisse deshalb nicht direkt miteinander vergleichen. Einheitlich definierte Kriterien für die Impfaltersgrenze gibt es also nicht – und so wird die Altersfrage sicher ein Diskussionsthema bleiben.

Stiko betrachtet das Risiko für den Einzelnen
Die Stiko bezog sich in ihrer Empfehlung zunächst auf das Infektionsgeschehen in Deutschland Anfang 2022 – und die erste Omikron-Infektionswelle, die sich damals abzeichnete. Dabei zeigte sich bei den über 70-Jährigen ein Anstieg von schweren Erkrankungen.

Auch die Daten aus den wenigen schon vorhandenen Studien belegten aus Sicht der Stiko bisher, dass in Deutschland nur bei über 70-Jährigen relevante Vorteile durch die vierte Impfung zu erwarten seien. Doch die Stiko wertet fortlaufend neuere Studien und das aktuelle Corona-Infektionsgeschehen aus – und hat nun ihre Empfehlung von 70 plus auf 60 plus geändert.

Wichtig ist: Bei der Beurteilung durch die Stiko ist maßgeblich, dass die zu erwartenden Vorteile durch die Impfung für den Einzelnen größer sind als die Risiken durch eventuelle Nachteile – wie Herzmuskelentzündungen oder andere schwere Nebenwirkungen, die in sehr seltenen Fällen nach den Impfungen auftreten können.

EMA schaut auf Infektionsgeschehen in ganz Europa
Die europäischen Gesundheitsagenturen EMA und ECDC blicken hingegen auf das Infektionsgeschehen in ganz Europa. Dabei versuchen sie, mit aufwendigen mathematischen Modellen die Risiken des Corona-Infektionsgeschehens und den Nutzen der Impfungen für die Zukunft (genauer: für die nächsten Wochen und Monate) abzuschätzen – um so Politiker:innen eine Orientierung für vorausschauendes Handeln zu bieten.

Diese Modelle legen derzeit nahe, dass zu Beginn einer größeren Infektionswelle die vierte Impfung für Ältere ab 60 Jahren besonders effektiv ist. Anfang Juli 2022 konstatierten EMA und ECDC, dass in Europa eine solche neue Infektionswelle mit der Omikron-Virusvariante BA.5 einsetzt. Sie empfahlen deshalb nun einen sofortigen zweiten Booster für alle ab 60, um drohende Überlastungen des Gesundheitssystems zu verhindern.

In den USA: 2. Booster schon für alle ab 50
Das empfiehlt deren Gesundheitsbehörde CDC. Eine größere Studie der Behörde zeigte bei der Altersgruppe über 50:

80-prozentiger Schutz vor schwerer Erkrankung nach der vierten Impfung (bei den Omikron-Varianten BA.2 und BA.2.12.2)
55-prozentiger Schutz vor schweren Erkrankungen bei Menschen, die dreimal geimpft waren. Die dritten Impfungen lagen aber meist schon vier Monate oder länger zurück.
Außerdem zeigte sich: Das Risiko, an Covid-19 zu versterben, war für US-Amerikaner in der Altersgruppe 50+ viermal so hoch, wenn sie nur drei Impfungen erhalten hatten statt vier.

Das klingt erst mal sehr gravierend, allerdings muss man dazusagen: Auch schon nach der dritten Impfung war die Sterberate niedrig – sie lag bei 0,65 Verstorbenen pro 100 000 Einwohner. Zum Vergleich: Die Covid-19-Sterberate bei Menschen ganz ohne Corona-Impfung lag im Mai in den USA bei rund 5,5 pro 100 000 Einwohner.

Artikel Abschnitt: Schützt die vierte Impfung vor Long Covid?
Schützt die vierte Impfung vor Long Covid?
Wie gut Corona-Impfungen auch vor Long Covid schützen, ist ohnehin noch nicht gut durch Studien belegt – und noch weniger Daten gibt es dazu, inwieweit die vierte Impfung einen Schutz gegen Long Covid aufbaut.
Mehr zu Long Covid findest du hier.

Vor einigen Wochen äußerte sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach in einem Spiegel-Interview zwar sehr optimistisch: Nach der vierten Impfung sei das Long-Covid-Risiko „deutlich reduziert für ein paar Monate“.

Wenige Studien, unterschiedliche Ergebnisse
Das Robert-Koch-Institut (RKI) hingegen formuliert da deutlich vorsichtiger. Zur Frage, inwieweit man Long Covid vorbeugen könne, schreibt es: „Hierzu ist noch wenig bekannt. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand ist die beste Möglichkeit das Vermeiden einer SARS-CoV-2-Infektion durch die Einhaltung der Infektionsschutzmaßnahmen.“ Gemeint sind hiermit die einfachen Schutzmaßnahmen wie Masken, Abstandhalten, Quarantäneregeln et cetera.

Und zur Impfung schreibt das RKI: Es gäbe zwar „Hinweise darauf, dass eine vollständige SARS-CoV-2-Schutzimpfung nicht nur vor schweren Verläufen einer COVID-19-Erkrankung schützt, sondern auch die Häufigkeit und Ausprägung von Long-COVID-Symptomen nach einer Durchbruchinfektion mildern kann.“

Aber: „Die wenigen Studien, die diese Fragestellung unter Einbeziehung einer Kontrollgruppe untersucht haben, sind jedoch methodisch und im Ergebnis sehr heterogen.“

Fazit: Derzeit kann man sich beim Schutz vor Long Covid nicht auf die Impfungen verlassen, das geben die bisherigen Studiendaten nicht her.

Wie viel Abstand sollte zwischen dritter und vierter Impfung liegen?
Die Antwort für die Risikogruppen ist klar, für die Gruppe der gesunden Jüngeren ist sie wieder komplizierter.

So, jetzt zu den Jüngeren. Da ist die eine Frage: Ab wann hätte eine erneute Impfung nennenswerte Vorteile gegenüber dem Schutz, den die dritte Impfung ohnehin noch bietet – und das lässt sich eben anhand der bisherigen Studien derzeit noch nicht sagen.
Kann zu früh boostern auch schaden?
Die zweite Frage ist, inwiefern sich gesunde Jüngere auch „zu früh“ boostern lassen könnten und in der Folge dann kaum Vorteile hätten – oder vielleicht sogar einen schlechteren Immunschutz. Das wird unter Wissenschaftler:innen gerade diskutiert. Es fehlen aber noch Studien, die für die Corona-Booster solche bremsenden oder negativen Effekte bei kurzen Impfabständen genauer belegen.

Konkret: Einige Forschende wie der Immunologe Andreas Radbruch sind überzeugt, dass bei jüngeren Menschen ein zweiter Booster in den ersten sechs Monaten nach der dritten Impfung das Immunsystem beim Aufbau eines Langzeitschutzes stören könnte.

Dieser Vorgang wird Affinitätsreifung genannt: Über eine Zeit von sechs Monaten und mehr verbessert das Immunsystem nach einer Impfung (oder einer Infektion) selbstständig die Qualität der Antikörper, sodass sie bei künftigen Infektionen das Virus noch effektiver bekämpfen können.

Längerer Abstand = immunologisch von Vorteil?
Andreas Radbruch und etwa auch der Immunologe Carsten Watzl vermuten, dass frühe Booster-Impfungen diese Reifung unterbrechen könnten, da das Immunsystem als Schnellreaktion auf die erneute Impfung wieder eine hohe Zahl frischer, „unausgereifter“ Antikörper bilde. „Man hat dann in dem Moment zwar mehr, aber schlechtere Antikörper„, schrieb Andreas Radbruch Quarks auf Anfrage.

Die Stiko empfiehlt dem Personal in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen einen Abstand von mindestens sechs Monaten bei der vierten Impfung, da „ein längerer Impfabstand für den Langzeitschutz immunologisch günstiger ist.“

Alle drei Monate boostern? „Medizinisch unsinnig“
Der Entwurf für das neue Infektionsschutzgesetz, das ab Oktober gelten soll, hat die Diskussionen über den optimalen Impfabstand noch mal aufflammen lassen. Nach den bisherigen Überlegungen der Bundesregierung sollen ab dann Booster-Impfungen, die älter als drei Monate sind, nicht mehr als „frisch“ gelten.

Konkret soll das zur Folge haben: Bürger:innen, deren Impfung länger als drei Monate zurückliegt, müssten in Restaurants und bei Kulturveranstaltungen wieder eine FFP2-Maske tragen oder sich testen lassen – selbst wenn sie schon dreifach geimpft sind.

Wie genau diese Dreimonatsregel medizinisch begründet wird, ist bislang unklar. Offenbar geht Gesundheitsminister Karl Lauterbach aber schon heute davon aus, dass die neuen, an die Omikron-Virusvarianten angepassten Impfstoffe zwölf Wochen lang wieder ausreichend Schutz vor Infektionen bieten werden. Daten dazu gibt es bisher nicht.

Die Kritik: Diese Regel könnte gerade auf gesunde Jüngere Druck ausüben, sich nur für den uneingeschränkten Zugang zu Restaurants oder Konzerten ein viertes und nach weiteren drei Monaten auch ein fünftes Mal impfen zu lassen. Karl Lauterbach hat aber dementiert, dass das Absicht der geplanten Ausnahmeregel sei. Mehrfaches Boostern in kurzen Abständen sei „medizinisch unsinnig“, davon würde er „absolut abraten“.

Sollen wir auf den Omikron-Impfstoff im Herbst warten?
Im Herbst werden neue, an die Omikron-Virusvariante angepasste mRNA-Impfstoffe erwartet. Die Pharmafirmen Moderna und Biontech haben in Europa und den USA die Zulassung beantragt. Wenn diese erfolgt, könnten die neuen Impfstoffe vermutlich ab September oder Oktober ausgeliefert werden.
Es wird zwar davon ausgegangen, dass sie besser vor Omikron-Varianten schützen – aber wie wirksam sie wirklich sind, ist noch unklar.

Für viele stellt sich trotzdem jetzt schon die Frage: Soll man aktuell auf die vierte Impfung mit den bisherigen Impfstoffen verzichten und sich mit dem möglicherweise besseren Omikron-Impfstoff erst im Herbst zum vierten Mal impfen lassen?

1. Für Risikogruppen gilt: nicht warten
Für alle Risikogruppen, denen bereits jetzt die vierte Impfung empfohlen wird, lautet die Empfehlung der Stiko und EMA klar: Nicht warten, sondern sich schon jetzt die vierte Impfung abholen.

Gerade bei den hohen Infektionszahlen und der dominierenden Omikron-Variante BA.5, die den Immunschutz zum Teil umgehen kann, lohnt sich die Erhöhung des Schutzes vor schweren Verläufen durch die vierte Impfung. Und der ist gut belegt.

Sollten im Herbst in Europa die an Omikron angepassten Impfstoffe zugelassen werden, ist damit zu rechnen, dass den Risikogruppen dann auch eine Impfung mit den neuen Impfstoffen empfohlen wird – als fünfte Impfung.

2. Gesunde Jüngere, die gerade erst dreimal geimpft sind
Da ist die Entscheidung einfach: Laut Studien besteht bei ihnen ein guter Schutz gegen schwere Erkrankung und Tod für die nächsten Monate. Sie können den Herbst abwarten und schauen, welche Empfehlungen es dann zur vierten Impfung gibt.

Auch wer dreimal geimpft ist und sich kürzlich erst infiziert hat, hat seinen Immunschutz wieder erhöht und ist gut geschützt.

3. Jüngere, deren dritte Impfung schon länger zurückliegt
Da ist die Lage unübersichtlicher. Für viele von ihnen wird im Herbst die dritte Impfung schon neun Monate oder sogar länger zurückliegen. Gesundheitsminister Lauterbach hat im August gesunden Jüngeren geraten, „noch etwas zu warten“ – auf die im Herbst erwarteten Omikron-Impfstoffe.

Es ist aber noch gar nicht klar, ob es dann überhaupt eine Impfempfehlung für diese Gruppe geben wird; etwa für alle, deren Impfung schon mindestens sechs Monate her ist. Das wird unter anderem davon abhängen, …

… inwieweit die neuen, an die Omikron-Varianten angepassten Impfstoffe tatsächlich auch in der Realität besser vor COVID-19 schützen als die bisherigen Impfstoffe.
… welche Virusvariante im Herbst bei uns dominant sein wird. Und falls eine neue auftaucht: Wie gefährlich diese Variante dann ist – und wie gut die neuen Corona-Impfstoffe gegen sie wirken.
Was ist bislang über die neuen Omikron-Impfstoffe bekannt?
Studien dazu haben die Pharmafirmen Moderna und Biontech noch nicht veröffentlicht. Biontech hat bislang nur eine Presseerklärung zu ersten Testergebnissen herausgegeben.

Demnach wurde der Impfstoff, der an die Omikron-Variante BA.1 angepasst ist, als vierte Dosis getestet – in einer Studie an 1234 Personen im Alter von 56 Jahren und älter. Dabei sollen zwei- bis dreimal so viel neutralisierende Antikörper gegen die Variante BA.1 gebildet worden sein wie nach der Gabe des bisherigen klassischen Impfstoffs.

In einem weiteren Labortest wurde bei diesem Impfstoff deshalb untersucht, wie effektiv er die Virusvariante BA.4 und BA.5 neutralisiert. Ergebnis: Da lagen die Antikörper-Titer etwa dreimal niedriger als bei der Variante BA.1 – dieser angepasste Impfstoff wirkt also gegen die Varianten BA.4 und BA.5 schlechter. Inwieweit der BA.1-Impfstoff im Vergleich zum bisherigen Impfstoff besser gegen diese Varianten schützt, wurde dabei nicht getestet.
Unklar ist derzeit auch, wie lange der Schutz des BA.1-Impfstoffs gegen eine Infektion andauern würde. Biontech schrieb Quarks auf Anfrage dazu: „Dazu braucht es weitere Untersuchungen aus der klinischen Studie oder sogenannte „Real World“-Daten, also Daten aus der praktischen Anwendung. Diese können mehr Aufschluss geben. Da der omikronangepasste Impfstoff bislang nicht von den Behörden zugelassen wurde, können wir diese Daten noch nicht erheben.

Auch Impfstoff gegen BA.5 in Arbeit
Moderna und Biontech arbeiten derzeit aber auch schon an einem Impfstoff, der an die Omikron-Variante BA.5 angepasst ist. Die US-Regierung hat für die USA bereits im Juli mit beiden Firmen fest vereinbart, im Herbst gleich mit diesem Impfstoff an den Start zu gehen – über ein beschleunigtes Zulassungsverfahren.

Die EMA hingegen schrieb Quarks auf Anfrage, dass sie derzeit weiterhin an der Zulassung für die BA.1-Impfstoffe arbeitet und für die BA.5-Impfstoffe erst im Herbst mit dem Zulassungsverfahren beginnen wird.

Das wird vermutlich bedeuten: In Europa könnten im Herbst erst einmal nur die Impfstoffe auf den Markt kommen, die an die Omikron-Variante BA.1 angepasst sind. Und erst einige Zeit später die Impfstoffe gegen BA.5.

Was würde mit den vielen BA.1-Impfdosen passieren?
Das macht es nicht weniger kompliziert. Impfwillige in Deutschland müssen also eventuell auch noch diese Entscheidung treffen: Im frühen Herbst schon den neuen BA.1-Impfstoff wählen – oder noch etwas länger auf den BA.5-Impfstoff warten? Sobald es neue wichtige Infos gibt, erfahrt ihr bei uns.

Was auch passieren könnte: Deutschland verzichtet – wie die USA – ganz auf den BA.1-Impfstoff und startet eventuell etwas später direkt mit dem Impfstoff gegen BA.5 in den Herbst. Was würde dann aber mit den Millionen BA.1-Impfdosen passieren, die Biontech bereits für den deutschen Markt produziert hat? Für „klare Botschaften“ zu diesen Fragen (wie sie sich Gesundheitsminister Lauterbach wünscht), fehlen derzeit leider noch die nötigen Fakten.

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