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Kinderschutzkonferenz in Polen: Das sagen die Betroffenen

Bei der Kinderschutzkonferenz in der polnischen Hauptstadt Warschau kamen zwei Betroffene von sexueller Gewalt in der Kirche zu Wort, eine Frau und ein Mann – ein Franziskanerpater. Beide sprachen über die Folgen des an ihnen verübten Missbrauchs und ihren jahrzehntelangen Leidensweg bis heute.

Das weibliche Opfer, das anonym bleiben wollte und als „aus einem mittel-osteuropäischen Land“ kommend vorgestellt wurde, erzählte von wiederholtem Missbrauch durch einen „jungen, freundlichen und charismatischen“ Priester, der neu in der Pfarrei war. Sie war sechs bis sieben Jahre alt, als es anfing. Die Erinnerung habe sie nie mehr losgelassen, sie sei zunächst zu dem Schluss gekommen, es sei alles ihre Schuld. „Ich fühlte mich für den größten Teil meines Lebens als Opfer und ließ es zu, dass andere mich zum Opfer machten und mich verletzten.“

Die Frau schilderte Depressionen, Scheidung, das Gefühl von Schutzlosigkeit und grundsätzlichem Misstrauen, Schwierigkeiten im Umgang mit männlichen Autoritätspersonen. Religion bedeutet ihr nichts mehr. Der Aufarbeitungsprozess in der Kirche sei lang, und es belaste sie, dass sie nach wie vor nicht wisse, ob ihr überhaupt geglaubt werde.

„Die Reaktion war Stille“
Der Franziskaner, der als Jugendlicher sexuellem Missbrauch in der Kirche ausgesetzt war, trat mit vollem Namen auf: Pater Tarsycjusz Krasucki OFM schilderte die Übergriffe durch den inzwischen verstorbenen Priester Andrzej Dymer, der in Polen bereits länger als Täter bekannt war. Dymer missbrauchte in einem von ihm selbst gegründeten Jugendheim Anfang der 1990er Jahre mehrere Jungen, darunter den damals 17jährigen Krasucki, den Dymer des Hauses verwies, als er mit anderen über die Übergriffe des Priesters sprach.

Zum ersten Mal seien seine Aussagen 2004 den kirchlichen Autoritäten zugegangen. „Die Reaktion war Stille. Ich erhielt niemals irgendeine Information über den Verlauf der Klage“, sagte Krasucki. Der heutige Erzbischof von Stettin sei voll im Bilde gewesen, habe aber nicht reagiert und den Täter sogar befördert. Im Alter von 45 Jahren, so das Opfer, habe er realisiert, dass sein Leben von seinem Teenager-Trauma überschattet war. Zur Aufarbeitung habe er über Jahrzehnte immer wieder ausgesagt und an kirchlichen Meetings und Erhebungen teilgenommen, „und jeder Anlass war ein neuer Akt der Demütigung für mich“. Geschehen sei nichts.

Medien brachten Aufarbeitung ins Rollen
Da die Kirche 26 Jahre lang „nicht dazu in der Lage war, für Gerechtigkeit zu sorgen“, sei er 2020 an die Medien herangetreten. Erst dann seien die Dinge ins Rollen gekommen. Dymer habe kurz vor seinem Krebstod 2021 ein kirchliches Urteil erhalten, dessen Inhalt ihm, Krasucki, aber niemals mitgeteilt worden sei. Von der Kirche sei niemals irgendeine Form von Anerkennung für sein Leid gekommen, und keiner der drei Erzbischöfe von Stettin seit den 90er Jahren habe jemals mit ihm sprechen wollen.

„Eine Art inoffizielle Anerkennung des Leids“

Die Tatsache, dass er nun bei der vom Vatikan organisierten polnischen Kinderschutzkonferenz spreche, interpretiere er als eine Art inoffizielle Anerkennung des Leids, dem er ausgesetzt war, sagte der Franziskaner. Und er zog eine direkte Verbindung zur Glaubwürdigkeit der Kirche: „Wenn wir nicht dazu in der Lage sind, offiziell die Wahrheit anzuerkennen, wie können wir dann glaubwürdig Jesus verkünden, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist?“

Heute sei er eine Anlaufperson für weitere Opfer sexualisierter Gewalt in der polnischen Kirche und höre „absolut beängstigende Erfahrungen“, erklärte der Pater. Nach wie vor richte sich der Blick nicht wirklich auf die Opfer, und immer noch gebe es „die Neigung, die Täter zu schützen und die Opfer nicht zu respektieren“.

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