Templer - Blog

Lauterbach hat seinen Lebenslauf geschönt …

… so wie mancher ganz normale Bürger.
Das gefällt BILD und Reitschuster garnicht.

“Zum Sachverhalt: „Als die Tübinger Eberhard-Karls-Universität im Herbst 1995 die C4-Professur ‚Gesundheitssystemforschung‘ ausschreibt, ist Karl Lauterbach 32 Jahre alt“, wie die „Welt“ ausführt: „Er hat gerade seinen Aufenthalt in den USA beendet, in der Tasche den ‚Doctor of Science‘ der Harvard School of Public Health. Der aufstrebende Wissenschaftler verschenkt keine Zeit, am 10. Dezember schickt er eine Bewerbung für die Professur nach Tübingen.“

Zwei Millionen D-Mark
Die Akten aus dem Berufungsverfahren von damals sind im Universitätsarchiv einsehbar. Und wenn Deutschlands politische Klasse inzwischen nicht losgelöst wäre von Verantwortung, könnten sie ein großes Problem sein für den Minister. Seine Bewerbung „lässt sich mit seiner tatsächlichen Laufbahn nicht in Einklang bringen“, wie die „Welt“ schreibt. Demnach überzeugte vor allem ein Passus in der Bewerbung die Berufungskommission: „Laufende Forschungsprojekte (Drittmittelförderung, Auswahl)“. Drei Beispiele nannte Lauterbach dem Blatt zufolge, eines davon: „Qualitätssicherung in der Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms durch das Tumorzentrum Aachen e. V., Studienleiter. Gefördert durch das Bundesgesundheitsministerium (2 Mill. DM).“

Bei einer persönlichen Vorsprache soll Lauterbach nachgelegt haben, wie das Blatt schreibt: „In einem Protokoll heißt es, der Bewerber habe angegeben, ‚einen beträchtlichen Teil‘ seiner eingeworbenen Drittmittel nach Tübingen transferieren zu können – ein dickes Plus für Lauterbach im Bewerbungsverfahren, denn die finanzielle Lage der Uni war prekär.“

Das Gesundheitsministerium musste auf Anfrage der „Welt“ aber eingestehen, dass ein Projekt mit diesem Namen gar nicht bekannt sei. Auch im Bundesarchiv fanden die Kollegen keine Dokumentation dazu. Der Verleger Thomas Kubo hatte dem Bericht zufolge bereits monatelang nach Belegen gesucht und war nicht fündig geworden; darüber schrieb er jüngst im Blog „Hintergrund“.

In der Bewerbung hatte Lauterbach laut „Welt“ das Tumorzentrum Aachen als Studienstandort angegeben. Dessen Ärztliche Leiterin Angela Spelsberg, damals mit Lauterbach verheiratet, erklärte gegenüber der Zeitung jedoch, zu einem Projekt mit dieser Beschreibung gäbe es keinerlei Unterlagen. Spelsberg verwies stattdessen auf eine 2002 erschienene, vom Gesundheitsministerium geförderte Brustkrebs-Studie zu Krebsdaten in Aachen. „Als Autoren werden sechs Personen aufgeführt – Karl Lauterbach ist nicht darunter“, schreibt die „Welt“: „Und dann ist da noch ein Buch, das in der Berliner Stadtbibliothek lagert – mit exakt dem Titel, den Lauterbach in seiner Bewerbung angegeben hatte. Die Danksagung richtet sich an ‚600 Kollegen, Mitarbeiter und Helfer‘“.

Zu Stillschweigen geraten
Auch hier wird Lauterbach dem Bericht zufolge nicht einmal als Autor erwähnt. Dabei gab er doch an, „Studienleiter“ gewesen zu sein. „Als eben jener wird Christian Mittermayer aufgeführt, damals Direktor des Instituts für Pathologie der RWTH Aachen“, so die „Welt“. Am Telefon sagte Mittermayer der Zeitung, „an Lauterbach erinnere er sich noch gut. In Bezug auf dessen Bewerbung in Tübingen möchte er allerdings Stillschweigen bewahren. Dazu habe man ihm geraten.“

Wer genau diesen Rat gab, verrät der damalige Direktor nicht – und die „Welt“ hakte offenbar leider auch nicht nach. Zur Zeit der Bewerbung gab sich Mittermayer nicht so wortkarg. In einer schriftlichen Einschätzung zum Bewerber Lauterbach schrieb er laut „Welt“ an den Dekan der Uni Tübingen, der heutige Minister „habe am Institut für Pathologie eine halbe Assistentenstelle innegehabt, ‚um ein Forschungsprojekt über Mammakarzinome zu bearbeiten‘“. Das heißt: Entgegen seiner Beteuerung war er eben nicht Leiter einer solchen Studie, sondern wirkte lediglich als Assistent mit.

Auch zu den angeblichen zwei Millionen D-Mark an möglichen Drittmitteln wollte Mittermayer der „Welt“ nichts sagen – außer einer eher lapidaren Auskunft: „Ich war damals in Aachen berühmt dafür, der King of Drittmittel zu sein.“

Nicht rekonstruierbar
Die „Welt“ schickte jetzt noch einmal detaillierte Fragen an Lauterbachs Sprecher Hanno Kautz. Unter anderem wollte das Blatt wissen: „Um welche Studie geht es? Wer waren die Co-Autoren? Von wem und wann wurde ein Antrag auf Förderung gestellt? Wann wurde der Förderung stattgegeben? Wann floss das Geld?“ Die Antwort des Lauterbach-Sprechers und früheren Bild-Journalisten, mit dem ich oft in der Bundespressekonferenz aneinandergeraten bin: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass nach mehr als einem viertel Jahrhundert die Details zu den von Ihnen erwähnten Studien nicht rekonstruiert werden können.“
(Reitschuster)

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