Das Leben des 2. Templer-Grossmeisters

Robert de Craon (1136/37-13. Januar 1149.)

Der zweite Grossmeister des Templerordens stammte aus einem hochadeligen
Hause: vir piae in Domino recordationis miles eximius et in armis
strenuus, nobilis carne et moribus, dominus Robertus, cognomine Burgundio,
natione Aquitanus, magister militum Templi, schreibt Wilhelm von Tyrus,
der ihn als Knabe vielleicht noch gesehen hat, über ihn. Sein Grossvater
Robert le Bourguignon oder l’Allobroge war durch seine Mutter Adele
Enkel König Roberts von Frankreich. Sein Vater Rainaldus wurde durch
seine Gemahlin Domita oder Enoguen de Vitre Sire de Craon und Stammvater
des zweiten Hauses Craon. 1093 wird Robert zum ersten Mal mit
seinem Vater und seinen beiden älteren Brüdern genannt. Rainaldus
stiftete im Wald von Craon den Grund und Boden, auf dem das Chorherrnstift
S. Maria de Rota, la Roe (dep. Mayenne, südw. von Laval)
errichtet wurde. Die Stiftung wurde am 12. Februar 1096 zu Angers
von Papst Urban II. bestätigt. In Angers sah der junge Robertus den
Eremiten und späteren Wanderprediger Robert von Arbrissel und hörte
die Kreuzzugspredigt des Papstes. Wohl von beiden ist eine starke Wirkung
auf den jungen Robert ausgegangen. Doch er blieb zunächst, auch
nach dem Tode seines Vaters (16. Dez. 1101) in Craon und führte das
Leben seiner Standes- und Altersgenossen, bis er in den Dienst des Grafen
Vulgrin von Angouleme trat. Robertus leistete dem Grafen Waffenhilfe
bei einer Fehde mit seinem Oberlehnsherrn, dem Herzog Wilhelm IX.
von Aquitanien, und folgte ihm nach dem Tode des Herzogs 1126 an den
Hof von dessen Nachfolger Wilhelm X.. Robertus war durch Vulgrin mit
der Tochter und Erbin des Jourdain Eschivat, Herrn von Chabannes und
Confolens, verlobt worden, eine Herrschaft, auf die Ademar de Rochefoucauld
wegen eines Erbanspruchs seiner Gemahlin grössere Rechte zu
haben glaubte. Ihn hatte Herzog Wilhelm IX. erfolgreich unterstützt.
Nach seinem Tode bemühten sich Vulgrin und Robertus um die Gunst
seines Nachfolgers. Es gelang ihnen, die Burgen einzunehmen. Doch
Robert überliess Verlobte und Land dem Guillaume de Matas, zog –
vielleicht um 1125 – nach Palästina und wurde Templer. Der bald
nach 1159 verfasste Bericht des Verfassers der Historia pontificum et
comitum Engolismensium wird wohl auf authentische Nachrichten
zurückgehen. Das Schicksal des dritten Sohnes einer adeligen Familie
wird deutlich: Nach einer Jugend im Waffendienst bei einem Fürsten
bleibt ihm, um seinem Stand entsprechend auftreten zu können, nur die
Möglichkeit einer reichen Heirat oder – ein Ritterorden. Religiöse Eindrücke
seiner Jugend und praktische Erwägungen werden die Entscheidung
des künftigen Grossmeisters bestimmt haben.

Robert kehrte 1132 für ein Jahr in den Westen zurück, als Seneschall,
wie wir glauben, obwohl sein Name ohne cognomen erscheint; aber mit
nur einer Ausnahme wird er auch in den Urkunden als Grossmeister
nur Robertus genannt. Sein Adel hatte ihm diese höchste Würde nach
dem Grossmeister verschafft. Trotz der ungewöhnlich grossen Zahl von
Urkunden für den Orden aus seinen ersten Jahren – es sind, nach der
Sammlung des Marquis d’Albon, 600 vornehmlich aus Frankreich bis
zum Jahre U50, wozu noch Stiftungen aus England und den spanischen
Ländern kommen – sind kaum welche aus Palästina erhalten.
Über die letzten Jahre des ersten und die Anfänge des zweiten Grossmeisters
ist deshalb nichts bekannt.

Die Vernichtung des Templerkontingents im Jahre 1129 erforderte
ein neues grosses Aufgebot an Menschen und Mitteln, so reiste der 1136
oder 1137 gewählte neue Grossmeister Robertus 1138 wieder in den
Westen. Sollte der Orden seinen Aufgaben gerecht werden, bedurfte es
besonderer Vergünstigungen und Vorrechte. Die Gaben der Gläubigen
genügten nicht, nicht die ihm zugewiesenen Ländereien und Renten.
Der christliche Orient konnte sich nicht selbst versorgen; die ständige
Zufuhr von Lebensmitteln und Pferden musste teuer bezahlt werden.
Kreuzzüge und Pilgerfahrten waren für die Hafenstädte Frankreichs
und Italiens ein grosses Geschäft geworden. Lästig waren für den jungen
Ritterorden die Zehntzahlungen an die Kirche und belastend die Unterordnung
unter den Patriarchen von Jerusalem, zumal wenn König und
Patriarch nicht eines Sinnes waren. Es ist Robert gelungen, Papst Innozenz
II. alle diese Schwierigkeiten deutlich zu machen. Der Orden erhielt
von Innozenz II. die bedeutendste Urkunde, die er je erhalten sollte und
die später oft wiederholt und erweitert worden ist. In dem grossen
Ordensprivileg Omne datum optimum vom 29. März 1139 (CT B 5, Hiestand
nr. 3) nahm der Papst die Templer in seinen besonderen Schutz,
d.h. er entzog sie der Hoheit des Patriarchen und der Diözesane; sie
unterstehen künftig nur dem Papst. Die Templer schulden ihrem Grossmeister,
den sie selbst aus ihren Rittern wählen dürfen, unbedingten Gehorsam
; ihre Lebensgewohnheiten, die consuetudines darf niemand angreifen:
Meister und Konvent legen sie fest. Niemand darf sich die
Templer eidlich verpflichten. Sie dürfen ihren Orden nicht verlassen, auch
nicht um eines Ordens strengerer Observanz willen, – die Krise, die der
Orden im Anfang, nach Hugos Brief, erlebt hatte, sollte sich nicht wiederholen
dürfen. Zwar wird in einem späteren Abschnitt die Einschränkung
gemacht, dass man nicht ohne Wissen und ohne den Rat des Meisters und
der Brüder den Orden verlassen dürfe, doch wird in einem nach 1139
ausgestellten Mandat Innozenz’ II. (CT B 6, Hiestand nr. 6) das Verbot
den Orden zu verlassen noch einmal verschärft wiederholt, ebenso später
auch von Eugen III. . Das kanonische Recht, nach dem der Übertritt
in einen strengeren Orden gestattet wurde, wobei natürlich stets der
Begriff des strengeren Ordens umstritten blieb, konnte also von den
Ordensbrüdern nicht ohne besondere Erlaubnis in Anspruch genommen
werden. Die Templer dürfen ihre Kriegsbeute behalten. Sie brauchen
keinen Zehnten zu zahlen. Sie dürfen Kleriker aufnehmen und sie gegebenenfalls
nach einjähriger Probezeit wieder entlassen; auch diese
Kleriker unterstehen dem Grossmeister, nicht dem Bischof. Sie dürfen
für sich und ihre Klientel Oratorien bauen. Auch diese Klientel, familiae
et servientes, soll an den päpstlichen Privilegien teilhaben. Die Terminologie
liegt noch nicht fest. Hier sind unter den servientes die Lohnarbeiter
verstanden, nicht die nichtritterlichen Brüder, die vorher: fratres, tarn
milites, quam servientes, genannt werden. Unter der familia sind die confratres
und donati begriffen, die sich durch eine Stiftung und meist mit
dem Versprechen eines Vermächtnisses nach ihrem Tode den Schutz des
Ordens erwarben, und die Zinsleute des Ordens14). Diese Privilegien vermehrte
Coelestin II. in dem Mandat Milites Templi Ierosolimitani:
Die Templer erhielten die Erlaubnis, in Orten, die unter dem Interdikt
standen, durch ihre Kleriker einmal im Jahr die Messe abzuhalten und
die nicht exkommunizierten Toten zu bestatten. Denjenigen, die ihnen
jährlich Gaben zuwiesen, wurde der Nachlass des siebenten Teils der ihnen
auferlegten Busse gewährt. Auch dies Mandat ist oft wiederholt worden.

Da die Besuche der Templer bei Interdizierten nicht auf einmal im Jahr
beschränkt blieben, wurde die Wirkung des Interdikts erheblich eingeschränkt,
und die Parochialpriester verloren einen grossen Teil ihrer
Sportein.

Was hat Innozenz zu so ausserordentlichen Privilegien bewogen? Die
Pürsprache Bernhards von Clairvaux, dem Innozenz die Überwindung
des Gegenpapstes zu danken hatte, hat dem Templerorden entscheidend
geholfen. Aber hat der Papst nicht vielleicht auch erwogen, sich mit dem
Orden eine eigene Miliz zu schaffen, da sich alle anderen militärischen
Hilfen der Kurie nicht auf die Dauer als zuverlässig erwiesen hatten?
Sollte es ohne Bedeutung sein, dass die Bulle ‘Omne datum optimum’ unmittelbar
vor dem grossen Laterankonzil vom April 1139, auf dem die
„wiederhergestellte Einheit” der Kirche gefeiert wurde, ausgestellt
worden ist, dass die Anzahl der unterzeichnenden Kardinäle ungewöhnlich
gross war?

Robert hat in den Jahren 1138 und 1139 den Süden des heutigen
Frankreich, die Provence, St. Gilles, das Ordenshaus Richerenches bei
Orange und den Languedoc, vielleicht auch Aragon bereist und kam im
Norden bis nach Noyon. Seiner Fürsprache verdankte der Orden wohl
auch Ludwigs VII. Schenkung zweier Mühlen und Häuser in La Rochelle,
Abgabenfreiheit dort mit Ausnahme des königlichen Zolles und unbehinderten
Warenverkehr durch sein Reich für Güter seines eigenen Bedarfs.
Über die ersten Niederlassungen des Ordens im Königreich Jerusalem
ist nichts bekannt. Früh, jedenfalls schon vor 1134 haben die Templer
auch Besitzungen in Tripolis und Antiochia gehabt. Raimund I. von
Antiochia (seit 1137) hat systematisch Templer und Johanniter angesiedelt.
Ihre Güter dort waren so bedeutend, dass der Grossmeister sie
nach seiner Rückkehr aus dem Westen aufsuchte. Er kam – wohl im
Jahre 1139 – aus Antiochia, als er sich mit seinen Rittern dem Grafen
von Flandern zu einem Zug in das Gebirge im Süden Jerusalems anschloss,
um einen Einfall der Turkmanen oder Beduinen abzuwehren. Auch dies
Unternehmen kostete, offenbar nicht ohne eigene Schuld der Templer,
die sich auf der Jagd nach Beute zerstreuten, viele Opfer.

Zur selben Zeit fingen die Templer an, auch an den Grenzen Spaniens
und Portugals Burgen zu errichten. Die Schenkung König Alfons’ I .
von Aragon aus dem Jahre 1131 war keinem der Beschenkten zugefallen.
Der Johannitergrossmeister Raimund du Puy hatte für seinen Orden
und den Patriarchen und die Kanoniker der Grabeskirche mit König
Alfons’ Nachfolger, dem Grafen Raimund Berengar IV. von Barcelona,
verhandelt: Er wurde formal zu ihrem Stellvertreter für die ihnen geschenkten
Zweidrittel des Landes Aragon eingesetzt gegen gewisse Rechte
und Vergünstigungen in Städten und Burgen. De facto traten sie ihm
ihre Rechte ab. Der Templergrossmeister verhandelte selbst mit dem
Grafen. Auf einem Generalkapitel in Jerusalem beschloss der Orden auf
Bitten des Grafen, gleichsam einen eigenen Orden in Aragon zu gründen,
de constitutione Christi militie in Ispaniis adversus Mauros. Darauf übergab
Raimund Berengar, dominator Aragonensis, am 27. November 1243
dem Templerorden – der magister cismare und führende Präzeptoren
waren anwesend -, ausser den Burgen Monzön, Mongay, Chalamera,
Barberä, Belchite, Remolinos und Corbins, die zum Teil noch in der
Hand des Feindes waren, den Zehnten aller königlichen Einkünfte,
jährlich 1000 Solidi in Zaragoza und Anteile an weiteren Eroberungen des
Herrschers; nur auf ihren Rat will er mit den Mauren Frieden schliessen.
Von der Schenkung König Alfons’ ist nicht die Rede, aber ohne Zweifel
war diese Stiftung als ihre Ablösung gedacht. Es ist charakteristisch
für den Status beider Orden, dass die Johanniter gemeinsam mit dem
Patriarchen verhandelten, der Ritterorden der Templer aber selbständig.
Die Templer sind fortan fest in die Landesverteidigung einbezogen, was
zur Folge hatte, dass nur aragonesische Templer in Aragon dienten, dass
sich die aragonesischen Templer die homs naturals ihres Königs nennen
konnten. Alfons VII. von Kastilien schenkte dem Orden 1146 Villaseca
bei Soria. Geistliche und weltliche Granden folgten seinem Beispiel.
1144 zogen die Templer zum ersten Mal in Portugal gegen die Mauren.
Ihre bedeutendste Gründung wird nach der Jahrhundertmitte Tomar,
nachdem ihnen 1145 Pombal-Redinha verliehen worden war. Auch die
portugiesischen Templer kämpfen im Heer des Königs; ihre Einkünfte
dürfen sie nur für Portugal verwenden. Der Schutz der Heimat hatte Vorrang
vor der Verteidigung des Heiligen Landes. Der portugiesische Meister
muss seinem König Treue geloben, aber diese Entwicklung war zu Roberts
Zeit noch nicht vorauszusehen.

1143 starb König Fulko. Die Königin Melisende führte die Regentschaft
für ihren unmündigen Sohn Balduin III. Ende des Jahres 1144 wurden
Stadt und Burg von Edessa von den Sarazenen erobert. Edessas Fall
löste den zweiten Kreuzzug aus. Nach schweren Verlusten erreichten die
Kreuzfahrerheere der Deutschen unter König Konrad III. und der Franzosen
unter Ludwig VII. die Heilige Stadt. König Konrad wohnte im
Haus der Templer. In Palmaria (es-Safi), dem südlichsten Punkt der
Bucht von Haifa, berieten alle weltlichen und geistlichen Fürsten, auch
die beiden Grossmeister, am 24. Juni 1148, wohin sich das Unternehmen
richten sollte; die Fürsten aus Antiochia und Tripolis waren nicht gekommen. Unverständlicherweise wurde beschlossen, Damaskus anzugreifen,
obwohl die Christen nach einem Vertrag König Fulkos mit dem
Atabeg von Damaskus in Frieden lebten. Vielleicht verlockte die Kreuzfahrer
die Aussicht auf eine Eroberung der grossen, berühmten und reichen
Stadt, die einheimischen Barone aber wagten keinen Widerspruch;
der König war noch jung. Die erste günstige Stellung der Belagerer im
Westen von Damaskus wurde auf Anstiften der palästinensischen Barone
aufgegeben, als Nur ad-Din, der bislang mit Damaskus verfeindet gewesen
war, von Aleppo heranzog, um die Stadt zu entsetzen. Das neue
Lager im Südosten der Stadt musste sogleich verlassen werden; es war
dort nicht einmal Wasser vorhanden. Der Feldzug war gescheitert.
Man sprach sogleich von Verrat und Bestechung. Die Kreuzzugsfreudigkeit
und das Vertrauen zwischen den Christen des Westens und denen
Palästinas war dahin.

Man hat auch die Templer als mitschuldig angeklagt, aber Wilhelm
von Tyrus, der sorgfältige Nachforschungen über die Gründe für das
Versagen des christlichen Heeres angestellt hat und der den Templern
im Ganzen nicht wohl will, nennt sie nicht.

Die Anschuldigungen kamen aus dem Westen, wo das Wachstum des
Ordens und die päpstlichen Privilegien ihm schon jetzt Neid und Feindschaft
eingetragen hatte, nicht ohne eigne Schuld, da die Templer oft
hartnäckig auf ihren Privilegien bestanden.

Der Leistung Roberts tut das keinen Eintrag. Er hat den Besitz des
Ordens im Orient, in Frankreich, Spanien und England vergrössert und
befestigt. Er hat dem Orden mit den beiden grossen päpstlichen Privilegien
eine Stellung gewonnen, wie sie bisher nur der Zisterzienserorden
hatte. Die Gefahren, die dem Orden daraus erwuchsen, konnte er nicht
abwehren. Er hat die lateinische Regel ins Französische übertragen lassen,
um sie allen nicht des Lateinischen Kundigen verständlich zu machen.

Am 27. April 1147 wurde das erste grosse Ordenskapitel in Paris abgehalten
(CT 448). Papst Eugen III., 130 Tempelritter und der künftige
Grossmeister waren anwesend. Die Tradition lässt diesen Papst den
Templern das rote Kreuz auf ihre weissen Mäntel verleihen; es mag hier
geschehen sein. Denn in dieser Zeit wurde der Kreuzzug vorbereitet,
der das Christentum ausbreiten und seine Feinde vernichten sollte,
gegen die Sarazenen im Orient, die Mauren in Spanien und die Wenden
im Osten des Reiches.

Ob der Grossmeister noch im Heer mit vor Damaskus gezogen ist,
weiss man nicht. Er starb am 13. Januar 1149. Der König von Frankreich
war noch im Heiligen Lande.