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Voll verzockt: Mitarbeiter des Kanzleramts zweigt 300.000 Euro ab

Dies ist ein Paradebeispiel für die Arbeit unserer Bundesbehörden und verletzte Aufsichtspflichten. Und es ist ein Paradebeispiel dafür, welche Privilegien die Mitarbeiter dieser Institutionen gegenüber anderen Bürgern genießen.

Der gelernte Büromaschinenmechaniker Andreas G. war zwanzig Jahre im Bundeskanzleramt tätig. Er leidet an Glücksspielsucht, die zu den teuersten psychischen Erkrankungen zählt. „Ich habe gespielt – Glücksspiele im Internet, an Automaten, in der Gruppe auch gepokert“, wird er im Rahmen seines Prozesses sagen. Doch Fortuna ist ihm nicht hold und es kommt, wie es bei den meisten Glücksspielsüchtigen kommen muss: Sein gesamtes Erspartes ist weg.

Da er sich im Kanzleramt mit Rechnungen für Leistungen durch Firmen befasst, kommt er im Dezember 2018 auf eine verhängnisvolle Idee. Er fingiert nachvollziehbar wirkende Kostennoten – und leitet deren Beträge auf sein privates Konto um. Es ist denkbar einfach, da er Auszahlungsanordnungen als „sachlich und rechnerisch richtig“ zeichnen darf und nur eine Unterschrift des Vorgesetzten notwendig ist. Ein Oberamtsrat schildert, dass ihm G. häufig „quasi zwischen Tür und Angel“ Auszahlungsanordnungen vorgelegt hatte – „manchmal gleich eine Sammelmappe, es musste immer schnell gehen“.

»Zwei Augen und zwei Augenklappen«
Fast zweieinhalb Jahre dauert es, bis der Schwindel auffliegt. Der Schaden beläuft sich zu diesem Zeitpunkt auf knapp 300.000 Euro. Andreas G. wird fristlos gekündigt und kurze Zeit später wegen psychischer Probleme arbeitsunfähig geschrieben. In 39 Fällen habe der 60-Jährige seine Stellung im Referat Informations- und Kommunikationstechnik missbraucht und Geld auf sein eigenes Konto überwiesen, urteilte das Amtsgericht Tiergarten am Dienstag. Andreas G. habe seine Position ausgenutzt und seine Vorgesetzten getäuscht, so der Richter.

So weit, so dramatisch. Doch was dieser Fall nebenbei offenbart, ist bezeichnend für die tiefe Kluft zwischen der Regierung samt ihrem Umfeld und den Bürgern. „Das Kontrollsystem war suboptimal“, merkt der Richter an. Das Vier-Augen-Prinzip sei damals eher „zwei Augen und zwei Augenklappen“ gewesen.

Auch das Strafmaß von einem Jahr und zehn Monaten Haft auf Bewährung überrascht. Der Staatsanwalt hatte drei Jahre Haft gefordert, während der Verteidiger auf eine Bewährungsstrafe von maximal einem Jahr und sechs Monaten plädierte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Wie hoch ist die Dunkelziffer?
Für Staatsdiener gilt offensichtlich eine Sonderbehandlung, wie besonders eindrucksvoll die Causa Georg Thiel zeigt. Weil sich der Technische Zeichner weigerte, die Zwangsgebühren zu zahlen, da er weder Radio noch Fernseher nutzte und darüber hinaus keine Auskünfte über sein Vermögen erteilte, saß er 181 Tage lang im Gefängnis. Der Grund: 651,35 Euro Schulden beim Westdeutschen Rundfunk (WDR).

Auch wer Steuern hinterzieht, riskiert deutlich höhere Strafen als Kanzleramtsmitarbeiter Andreas G.: Bereits unterschlagene Steuern von über 100.000 Euro werden mit Freiheitsentzug von bis zu fünf Jahren bestraft. Man mag sich lieber nicht vorstellen, durch wie viele ähnliche, aber unentdeckte Fälle die Staatskasse auf Kosten der Steuerzahler geplündert wird. (Reitschuster)

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