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Vor 150 Jahren wurde das Erste Vatikanische Konzil abgebrochen

Unter turbulenten, düsteren Umständen hatte das Konzil den Primat des Papstes beschlossen. Als das unter Dach und Fach war, brach Krieg aus. Der Kirchenstaat fand nach 1.000 Jahren sein Ende – und auch das Konzil selbst.

Es war die bis dahin größte Kirchenversammlung aller Zeiten. 774 Kardinäle und Bischöfe der Weltkirche hatten ab Dezember 1869 am Ersten Vatikanischen Konzil teilgenommen. Ein unerquicklicher Verlauf, aber vor allem Krieg und politische Wirren sorgten dafür, dass es schon einige Monate später, am 20. Oktober 1870, auf unbestimmte Zeit vertagt wurde – und nie wieder zusammengerufen.

Die römische Kurie um Pius IX. (1846-1878) paukte die erwünschte Dogmatisierung der Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubens- und Sittenfragen und seinen Jurisdiktionsprimat als höchste Rechtsgewalt der Kirche durch. Eine beachtliche Minderheit der Konzilsteilnehmer, darunter 15 der 20 deutschen Bischöfe, hatten dagegen bis zuletzt Bedenken geäußert.

Eine solche Definition würde einem möglichen Missbrauch des kirchlichen Lehramts Tür und Tor öffnen, so die Begründung. Zu ihnen gehörten so prominente Persönlichkeiten wie der Mainzer “Arbeiterbischof” Wilhelm Emmanuel von Ketteler, Ungarns Primas Janos Simor oder der Rottenburger Bischof und Konzilshistoriker Karl Joseph von Hefele.

“Wir haben einen großen Fehler gemacht!”
Was sollten die Dissidenten tun? In Anwesenheit des Papstes gegen das Dogma votieren? Immerhin mussten sie gewärtigen, bei einem Nein (“non placet”) vom Papst ihres Bistums enthoben zu werden. 56 Konzilsväter unterzeichneten schließlich einen Brief an den Papst, der einem “non placet” gleichkam, und reisten am Tag vor der Abstimmung ab, die meisten mit dem Nachtzug nach Norden.

Nach einer offenbar schlechten Nacht sagte Erzbischof Lajos Haynald von Kalocsa schließlich zu einem Abteilgefährten Felix Dupanloup, Bischof von Orleans: “Wir haben einen großen Fehler gemacht!” Tatsächlich erhielten die strittigen Dekrete bei der Verabschiedung am 18. Juli 1870 lediglich zwei Gegenstimmen – und wirkten so in der Außenwirkung des Katholizismus unstrittig.

Und das Drama des Konzils setzte sich fort: Tags darauf begann der Deutsch-Französische Krieg. Bis auf rund 100 reisten die meisten der Bischöfe ab; das Konzil wurde unterbrochen. Ohnehin war vorgesehen gewesen, dass es nach der Unfehlbarkeitsabstimmung eine Sitzungspause bis 11. November geben sollte. Doch am 20. September – Frankreichs Kaiser Napoleon III. hatte seine Schutztruppen abgezogen – wurde Rom von italienischen Einigungstruppen eingenommen; der Kirchenstaat hörte nach 1.000 Jahren auf zu bestehen.

Um nicht formal auf seine weltliche Herrschaft verzichten zu müssen, erklärte sich Pius IX. selbst zum “Gefangenen im Vatikan” – und vertagte das Konzil schließlich “sine die”, also auf unbestimmte Zeit. Es ist nie wieder zusammengetreten. Vorstöße einiger Konzilsväter für eine Verlegung ins belgisch-liberale Mecheln blieben von Rom unbeantwortet; entsprechende Pläne der jeweils neugewählten Päpste Pius XI. (1922-1939) und Pius XII. (1939-1958) verliefen im Sande.

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