Templer - Blog

War das alles christlich?

Zu den Vorrechten der Grundherren und ihrer Vertreter gehörte das »ius
primae noctis«, das »Recht der ersten Nacht«, das den Bevorrechteten die
»Schwächung der Braut« zusprach – als Gegenleistung für die Einwilligung
des Gutsherrn beziehungsweise seines Vogts zu ihrer Eheschließung.

Außerdem mußte der Bräutigam den »Ehezins« entrichten, das »maritagium«,
auch »Jungfernzins«, »Stechgroschen« oder »Bunzengroschen« genannt.
Zu diesen geschlechtlichen Dienst- und Geldleistungen war das
»Leutevolk«, die in Dörfern oder auf einzelnen Höfen lebenden Bauern oder
Bäuerinnen, nicht unmittelbar angehalten. Denn diese waren frei und nicht
gesetzlich an die »Scholle gebunden« wie die Hörigen. Aber auch die Freien
waren vom jeweiligen Großgrundbesitzer der Gegend abhängig: Er war ihr
Gerichtsherr, sie mußten ihm Steuer zahlen, Gefolgschaft im Krieg und
Dienste im Frieden leisten. Demnach war auch der Freie in Wirklichkeit unfrei,
in beinahe allen Lebensäußerungen dem Willen der Höhergestellten unterworfen
und in seinem Denken und Fühlen der christlichen Glaubenslehre verhaftet.
Er hatte zwei Sinnbilder: den Heiland, der für ihn am Kreuze gestorben
war und in dessen Namen die gute Botschaft der Erlösung von immer
mehr Predigern und Mönchen verbreitet wurde, und seinen Lehensherrn,
den mittelbaren Repräsentanten des Königs.

Die den christlichen Priestern gebotene Ehelosigkeit machte es ihnen zwar unmöglich,
die Frauen, die ihr Lager teilten, zu heiraten. Aber die meisten Kirchenfürsten
und hohen geistlichen Herren lebten in eheähnlicher Gemeinschaft mit den von ihnen
zur Liebe erkorenen Frauen oder ergaben sich gelegentlich der »lustvollen Zerstreuung
des Geschlechtsverkehrs« als Ehebrecher oder mit käuflichen Frauen, falls sie
es nicht vorzogen, sich der Liebesdienstleistungen der in ihren Herrschaftsgebieten
lebenden hörigen Mädchen und Frauen kostenlos zu erfreuen.

Beinahe auf allen Gutshöfen gab es ein von den übrigen Gebäuden abgesondertes
»Weiberhaus«, auch »Schrein« genannt, in dem die hörigen Mägde
unter der Aufsicht einer »Schaffnerin« ihre tägliche Arbeit verrichten mußten.
Sie spannen und webten Hanf, Flachs und Wolle, sie nähten die Kleider
und Gewänder auch für die Männer, sie verfertigten Teppiche mit Nadel und
Weberschiff. Manche »Schreine« waren, wenn auch nicht dem Namen nach,
nicht nur Arbeitshäuser der Frauen, sondern geradezu Harems, die »Genetstunken«,
in denen der Gutsherr und seine Gefährten sich geschlechtlich vergnügten:
Wenn eine Magd, die Kleider zu verfertigen vermochte, »gegen ihren Willen
und ohne ihren Dank« zum Beischlaf genötigt wurde, hatte sie
das Recht, sechs Münzen als Strafgeld zu fordern. Diese Buße, die »Hemdschilling«
genannt wurde, war, ähnlich wie der »Bunzengroschen«, ein übliches
Entgelt für die Bereitwilligkeit der Mägde, die sich lieber bezahlen als
vergewaltigen ließen und doch nicht als »Dirnen«, als Prostituierte, verachtet
wurden.

Schreibe einen Kommentar