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Warum Feinstaub so gefährlich ist

Alle reden über Stickoxide. Dabei ist Feinstaub die viel schädlichere Substanz. Wir haben die Fakten zusammengetragen.

Was ist Feinstaub?
Feinstaub ist nahezu unsichtbar und wird auch als Schwebstaub (englisch: Partikulate Matter) bezeichnet. Die winzigen Staubteilchen sind in drei Klassen unterteilt:
Partikel mit einem Durchmesser von 10 Mikrometer, also zehn Millionstel Meter und weniger (PM10).
Partikel, die vier Mal kleiner sind, also PM2,5 mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometer
Partikel, die ein Mikrometer und kleiner sind: so genannter Ultrafeinstaub PM0,1.
Die meisten Daten liegen für PM10 vor. Diese Partikel werden seit 2010 flächendeckend in Deutschland erhoben. Seit 2008 wird an rund 200 Messstellen auch PM2,5 gemessen. Ultrafeinstaub ist bisher am wenigsten gut untersucht. Das German Ultrafine Aerosol Network (GUAN) misst diese kleinen Partikel an 17 Stationen.

So genannter sekundärer Feinstaub entsteht, wenn sich Gase und Substanzen verbinden. Zum Beispiel Ammoniak, das mit Abgasen aus der Industrie und aus dem Verkehr reagiert, verbindet sich zu Feinstaub. Auch Stickstoffdioxid ist eine Vorläufersubstanz für sekundären Feinstaub.

Wo entsteht Feinstaub?
Feinstaub entsteht durch Verbrennungsprozesse in Fahrzeugen, Kraftwerken, in Öfen und Heizungen. In Ballungsgebieten ist der Straßenverkehr eine bedeutende Feinstaubquelle. Hier spielt jedoch der Abrieb beim Bremsen und die Abnutzung der Reifen eine größere Rolle als die eigentlichen Abgase.
Viel Feinstaub aus der Landwirtschaft
Wenn Gülle als Dünger auf die Felder ausgebracht wird, entsteht Ammoniak, das sich mit dem Stickstoff und Schwefeloxiden aus der Luft zu sekundärem Feinstaub verbindet. Welchen Anteil die Landwirtschaft am gesamten Feinstaub in der Luft hat, ist nicht ganz klar. Das Max-Planck-Institut für Chemie geht davon aus, dass rund 45 Prozent des Feinstaubs in Deutschland aus der Landwirtschaft stammen. Die Berechnungen des Umweltbundesamtes (UBA) haben ergeben, dass es rund 20 Prozent sind. Für Wolfgang Birmili vom UBA muss das kein Widerspruch sein – wenn das Ammoniak aus der Landwirtschaft stamme und das NO2 aus dem Verkehr und sich dann daraus sekundärer Feinstaub bilde, sei es nicht immer klar zuzuordnen, welcher Kategorie die Partikel zuzuordnen sind. Es gibt auch natürliche Feinstaubquellen: er entsteht bei Vulkanausbrüchen, Bodenerosion, Wald- und Buschfeuer.

Wie gefährlich ist Feinstaub?
Dass Feinstaub gesundheitsschädlich ist, ist wissenschaftlich gut belegt. Teilweise lagern sich an den Oberflächen der Partikel gefährliche Stoffe wie Schwermetalle oder Aluminium an, die dann beispielsweise Krebs erzeugen können. Doch auch die Partikel selbst sind ein Risiko – und je kleiner sie sind, desto größer ist das Risiko. Denn die kleineren Partikel dringen tiefer in die Atemwege ein. Ultrafeinstaub kann über die Lungenbläschen sogar ins Blut gelangen.
Gelangen die ultrafeinen Partikel in die Blutbahn, können sie alle Organe erreichen. Das Blut kann dickflüssiger werden, die Gefahr eines Infarkts steigt. Sie können auch ins Gehirn gelangen, wo sie zu kleinen Schlaganfällen beitragen können.

Die Studienlage ist gut
Die Weltgesundheitsorganisation WHO und die amerikanische Umweltbehörde EPA haben viele epidemiologische Studien zur gesundheitlichen Wirkung von Feinstaub analysiert und kommen zu dem Ergebnis, dass schon eine kurzzeitige Exposition mit PM2,5 Effekte auf die Sterberate hat und zudem die Situation von Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Atemwegserkrankungen verschlechtert. Hinweise auf solche Effekte gibt es auch bei Partikeln der Kategorie PM10 und beim Ultrafeinstaub. Die Langzeit-Exposition hat ähnliche Effekte.

Besser Anzahl messen, nicht das Gewicht
Zwar sind die PM-Werte in den vergangenen Jahren zurückgegangen – durch bessere Filter, weniger Fabriken und effizientere Verbrennungstechniken. Für Gesundheitswissenschaftler:innen ist dies aber kein Grund zur Entwarnung: Weil Feinstaub-Partikel nach Gewicht gemessen werden, seien die offiziellen Messwerte nicht immer aussagekräftig: Denn die kleineren, vermutlich gefährlicheren Partikel fallen eben weniger ins Gewicht. Messstationen, an denen die PM-Belastung bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegt, können entsprechend eine sehr unterschiedliche gesundheitliche Belastung für die Bevölkerung aufweisen – abhängig von der Zusammensetzung der Partikel. Vor allem an die kleinen Partikel, die im Verhältnis zu ihrem Volumen besonderes große Oberfläche haben, lagern sich oft andere Stoffe an: beispielsweise Polycyclische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK).

Feinstaub wirkt sich negativ auf Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus. Besonders anfällig sind Menschen mit Vorerkrankungen, ältere Menschen und Kinder. Bei Kindern können unter hoher Feinstaub-Belastung Lungenwachstum und Lungenfunktion eingeschränkt werden.

Feinstaub gefährlicher als Stickoxide
Auch ein Expertengremium der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, das die Bundesregierung als wissenschaftliche Beratung hinzugezogen hatte, betont, dass die derzeitige „Verengung der Debatte auf Stickstoffdioxid“ nicht zielführend sei. Dies gelte auch für die Grenzwerte: weder für Stickstoffdioxid noch für Feinstaub gibt es aus wissenschaftlicher Sicht eine Grenze zwischen gefährlich und ungefährlich.

In der Publikation „Global Burden of Disease“ listet PM2,5 an sechster Stelle weltweit auf der Liste der Dinge, die den größten Beitrag zur Mortalität leisten. Auf Platz 1 liegen Bluthochdruck, auf Platz 2 das Rauchen. Für Deutschland liegt PM2,5 an 9. Stelle.

Wie lösen wir das Feinstaub-Problem?
In der aktuellen Diskussion geht es eher um Stickstoffdioxid (NO2) als um Feinstaub. Obwohl, da sind sich Gesundheitswissenschaftler:innen einig, Feinstaub die gefährlichere Substanz ist. Der Grund dafür: Beim Feinstaub halten wir die bei uns gültigen Grenzwerte ein, bei NO2 nicht. „Für Feinstaub sind unsere Grenzwerte sehr, sehr lax verglichen mit dem, was die WHO empfiehlt. Da sind wir weit entfernt von dem, was aus gesundheitlicher Sicht zu empfehlen wäre“, erklärt Umweltwissenschaftlerin Barbara Hoffmann von der Universität Düsseldorf.
WHO empfiehlt strengere Grenzwerte
Für PM2,5 gilt EU-weit der Grenzwert von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel. Die WHO empfiehlt in ihrer Leitlinie von 2021 nur 5 Mikrogramm. Bei PM10 gilt EU-weit der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel, hier empfiehlt die WHO 15 Mikrogramm. Der Tagesgrenzwert für PM10 beträgt 50 Mikrogramm und darf nicht öfter als 35mal im Jahr überschritten werden.
Aber auch für Stickstoffdioxid senkte die WHO zuletzt ihre Empfehlung weiter ab. Diese lag bis 2021 bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel, was genau den EU-Richtlinien entsprach. In der neuen Leitlinie von 2021 setzt die WHO den Wert auf 10 Mikrogramm herab.

Einige Ärzt:innen und Politiker:innen fordern, die Grenzwerte zu überdenken und nach oben anzupassen. Andere Fachleute fordern das genaue Gegenteil – sie sind der Meinung, dass vor allem für Feinstaub strengere Grenzwerte nötig wären.

Fahrverbote verändern wenig
Kleinräumige, isolierte Fahrverbote seien jedoch wenig sinnvoll, um die Luftqualität zu verbessern, sagen die Expert:innen der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Vielmehr empfehlen sie einen Mix aus kurz- und langfristigen Maßnahmen. Dazu gehören Software-Updates und Hardware-Nachrüstungen für Diesel-Fahrzeuge, aber auch die Reduktion des Verkehrs durch „sozial ausgewogene Änderungen des Steuer- und Abgabensystems sowie höhere Treibstoffpreise“.

Mittelfristig würden sich durch emissionsarmen öffentlichen Verkehr und den Austausch älterer Fahrzeuge durch emissionsärmere Modelle weitere Verbesserungen ergeben. Um die Feinstaubbelastung zu verringern, müssten auch Quellen wie Landwirtschaft und Holzfeuerung berücksichtigt werden.

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