Templer - Blog

Wer sind die “Guten”?

Zur Zeit ist es klar. Die bösen sind die Russen – die Guten die USA und wir. Ganz klar.

Aber denken wir zurück. Wenn ein Mensch die Verbrechen der USA aufdeckt drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft. Naja, theoretisch. Er wird das kaum überleben.

Sie haben recht. Es geht um den Wikileaks-Gründer Julian Assange. Warum interessiert sein Schicksal eigentlich so wenige Medien?

Wer Westminster Magis­trates’ Court in London hat in der vergangenen Woche den formellen Auslieferungsbeschluss des Wikileaks-Gründers Julian Assange aus Großbritannien an die USA erlassen – dem 50-Jährigen drohen bei einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft. Das wurde in vielen Medien gemeldet und in manchen kommentiert. Einen großen Raum nahm die Nachricht in der Berichterstattung aber nicht ein. Was sagt das über die Medien selbst aus?

Der „Guardian“, der zu Beginn der Wikileaks-Enthüllungen sogar ein Partnermedium Assanges war, forderte nach einer Zeit der völligen Abgewandtheit jetzt immerhin seine Freilassung. Der frühere Chefredakteur Alan Rusbridger sagte, Julian Assange habe „getan, was jeder stolze Journalist tun würde“. Die Organisation Reporter ohne Grenzen verlangte seine Freilassung. „Wir rufen die Innenministerin auf, im Einklang mit Großbritanniens Verpflichtung zur Verteidigung der Pressefreiheit zu handeln und die Auslieferung abzulehnen“, sagte die Londoner Vertreterin der Organisation, Rebecca Vincent.

„Assange ist nur der Anfang“
Dass sich sonst nicht nur in jenen Medien, die zur Zeit der Enthüllungen von Wikileaks profitierten, jetzt so wenige berufen fühlten, das Wort für ihn zu ergreifen, kommentierte Assanges Anwältin Jennifer Robinson in der „Berliner Zeitung“ mit Entgeisterung: „Ich kann nicht verstehen, warum viele Medien nicht erkennen, dass es um sie geht und dass Assange nur der Anfang ist.“ Die Gesellschaft habe sich an die schleichende Einschränkung der Pressefreiheit in den westlichen Demokratien gewöhnt – ein fataler Fehler. Gerade die Berichterstattung über Kriege zeige, dass es im Westen „viel Heuchelei“ im Hinblick auf die Rede- und Pressefreiheit gebe. Die Freiheit der Journalisten sei sehr eingeschränkt – und das Schicksal Assanges sollte der Presse vor Augen führen, dass „unabhängige Berichte aus dem Krieg ein extrem hohes Risiko für jeden einzelnen Journalisten persönlich“ seien.

Der Auslieferungsbeschluss ist zur endgültigen Entscheidung an die britische Innenministerin Priti Patel gegangen. Assanges Anwälte haben eine Frist von vier Wochen, um Einspruchsgründe vorzubringen. Die US-Regierung behauptet, Assange habe gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht. Belege für eine tatsächliche Gefährdung sind nicht bekannt geworden.

Wikileaks hatte unter anderem Dokumente der US-Armee publiziert, die zeigten, wie in Guantánamo Gefangene behandelt werden sollten, was in Teilen gegen die Genfer Konvention und das Völkerrecht verstieß. Vor allem aber veröffentlichte die Plattform geheimes Bildmaterial der US-Streitkräfte, das, so Wikileaks, die Tötung Unschuldiger durch amerikanische Streitkräfte belege. Ein am 12. Juli 2007 aufgenommenes und 2010 veröffentlichtes Video, das weltweit Aufsehen erregte, zeigte, wie amerikanische Soldaten aus einem Apache-Hubschrauber in der irakischen Hauptstadt Bagdad auf eine Gruppe Männer schossen. Dabei wurden unter anderem auch die Reuters-Journalisten Saeed Chmagh und Namir Noor-Eldeen getötet. Die US-Armee erklärte später, die Besatzung habe die Medienvertreter als Teil einer Gruppe Aufständischer wahrgenommen. Für den Vorfall wurde kein Verantwortlicher vor Gericht gestellt

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