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Wie effektiv ist EMS Training wirklich?

Das Versprechen: 20 Minuten Training, maximaler Erfolg – ganz ohne Gewichte. Stimmt das? Wir checken die Studien.

Darum geht’s:
EMS verspricht maximale Effekte in nur 20 Minuten Training
Der Markt für die sogenannte Elektromyostimulation (EMS) wird immer größer. Mehr als jedes siebte Fitnessstudio in Deutschland bietet mittlerweile ausschließlich EMS-Training an – Training mit Strom. Das Versprechen: 20 Minuten Training reichen vollkommen aus. Warum sollte man sich im Fitnessstudio stundenlang abrackern, wenn es auch so geht? Unsere Frage lautet also: Was kann man von diesem Training erwarten?

Darum müssen wir drüber sprechen:
Studien bescheinigen EMS einen Effekt
Es ist seit Jahrzehnten dieselbe Leier: Wir bewegen uns zu wenig. Die American Society of Sports Medicine (AMSSM) etwa empfiehlt pro Woche mindestens 150 Minuten moderate Bewegung, zusätzlich ein bisschen Kraft- und Beweglichkeitstraining, am besten zwei- oder dreimal die Woche. In der Realität schaffen viele Menschen dieses Pensum nicht. Das EMS-Training trifft den Zeitgeist: maximaler Erfolg in möglichst wenig Zeit. Mehr Effizienz geht nicht.

So funktioniert EMS:
Muskelkontraktion durch Strom ist letztlich nur das, was der Körper ohnehin ständig tut: Die Kommunikation zwischen Muskeln und Gehirn, mit der wir unsere Skelettmuskulatur steuern und uns bewegen, funktioniert über Stromimpulse. Dabei fließt der Strom vom Gehirn über das Rückenmark bis zu den Nervenenden – und geht dann in die Muskeln über.
Die Frequenz der Stromimpulse gibt an, wie lang und intensiv die Kontraktion ist. Ein einzelner Impuls ist lediglich ein Zucken, mehrere Impulse hintereinander führen zu einer sogenannten tetanischen Kontraktion – und der Muskel entfaltet seine Kraft.

Bei EMS gelangt der Strom von den Elektroden einer Ganzkörperweste über angefeuchtete Pads auf der Haut direkt zu den Nervenenden. Die Stromimpulse, die mit ihren meist 80 Hertz (bis 150 Hertz) den natürlichen Frequenzen entsprechen, kontrahieren den Muskel oder verstärken die willentliche Kontraktion des Sportlers.

Die Teilnehmenden müssen keine Gewichte stemmen, sondern nehmen verschiedene vorgegebene Haltungen ein, die eine gewisse Muskelspannung erzeugen. Durch zusätzlichen Strom werden die Muskeln stärker beansprucht – ganz ohne Hanteln.
Ein weiterer Vorteil: Im Gegensatz zum herkömmlichen Krafttraining trainiert man so alle großen Muskelgruppen gleichzeitig. Deshalb dauert das Training auch nur 20 Minuten. Nur die Unterarme und Wadenmuskeln werden nicht zusätzlich verstärkt.

Die Studios versprechen: Die Teilnehmenden werden stärker, fitter und nehmen ab – obwohl sie nur 20 Minuten pro Woche trainieren. Und auch wissenschaftliche Studien weisen darauf hin, dass EMS durchaus zielführend ist.

1. Fast so effektiv wie intensives Krafttraining
Ein Faktor, um den Erfolg von EMS-Training zu beziffern, ist die isometrische Maximalkraft – die maximale Kraft, die jemand mobilisieren kann. In Übersichtsartikeln wurde gemessen, wie sie sich durch das Training verbessert hat.

Übergreifend für mehrere Untersuchungen geben diese Artikel für Untrainierte beispielsweise eine Steigerungsrate von durchschnittlich 23,5 Prozent an. Das entspricht fast den Werten, die man mit hochintensiven Krafttrainings (30 Minuten und mehr) schafft.

Interessant ist, dass die Steigerungsraten bei Leistungssportler:innen sogar deutlich höher liegen, im Schnitt bei mehr als 30 Prozent. Das könnte damit zusammenhängen, dass die Sportler:innen eine bessere Muskelwahrnehmung haben und effektiver an ihre Grenzen gehen. Auch sind die Betreuung und das Trainingsumfeld dieser Proband:innen nochmals besser.

Schaut man genauer in die Studien, zeigt sich aber auch: Die Ergebnisse schwanken stark. In einigen Studien konnten die Kraftparameter nach mehreren Wochen nur um wenige bis rund zehn Prozent verbessert werden. Das bedeutet: Es gibt eine recht große Spanne, wie groß die Effekte von EMS-Training bei dem einzelnen Teilnehmenden sind. Manche profitieren mehr, andere weniger.

2. Es gibt einen Abnehm-Effekt – aber einen kleinen
An der Universität Nürnberg-Erlangen wurde in Studien überprüft, ob Ganzkörper-EMS auch zum Abnehmen führt. Ein Effekt war sichtbar, man geht allerdings nur von bis zu 1,5 Kilogramm nach bis zu zehn Wochen Training aus. Weitaus weniger, als manche Werbung verspricht – aber immerhin. Und: Besonders das sogenannte abdominale Fett, also das wenig attraktive und auch besonders gesundheitsrelevante Fett im Bauchbereich, konnte reduziert werden.

Immer wieder ist von noch größeren Effekten die Rede. Diese sind aber vermutlich auch auf andere Faktoren zurückzuführen: So haben einige Studienteilnehmer:innen nicht nur mit EMS trainiert, sondern auch ihre Bewegung im Alltag gesteigert und ihre Ernährung umgekrempelt. Wie groß also der Effekt alleine durch EMS ist, lässt sich schwer sagen – denn die Veränderung des Lebensstils hat natürlich einen großen Effekt darauf, wie fit die Männer und Frauen später sind und ob sie nicht nur Muskelmasse auf-, sondern auch Fettmasse abbauen.

Aber:
Ein dynamisches EMS-Training könnte effektiver sein
Die Studien zeigen also: Das Potenzial ist da – allerdings sind die Bedingungen hier oft besser als im Studio um die Ecke. Die Betreuung der Teilnehmenden ist weitaus enger und strikter als im Alltag, auch wurde hier oftmals zweimal die Woche trainiert.
Eine weitere Schwäche: Viele Studien wurden an mittelalten, untrainierten Menschen durchgeführt, andere an Hochleistungssportler:innen. Wie sehr sich jemand verbessern kann, der bereits regelmäßig ganz normal Sport treibt, lässt sich aus den Ergebnissen oft nur grob abschätzen.

Ist EMS-Training gefährlich?
Einzelne Medienberichte behaupten das – und berichten etwa von einer Patientin, die nach dem EMS-Training mit akuten Nierenproblemen ins Krankenhaus eingewiesen wurde. Tatsächlich verstärkt die EMS-Methode die Konzentration der sogenannten Creatin-Kinase (CK) im Körper – teilweise um das 18-Fache. Dieser Wert sagt etwas über Entzündungsreaktionen im Körper aus. Je härter man trainiert, desto höher ist er.
Für gesunde Menschen geht von fachgerechtem EMS-Training jedoch keine Gefahr aus. Erstens gibt es einen schnellen Gewöhnungseffekt – auch die erheblich erhöhte CK-Konzentration nimmt mit der Trainingszeit schnell ab.

Zweitens sollte das ständige Feedback zwischen Teilnehmer:in und Coach von vornherein eine starke Überlastung vermeiden. Wer seine Schmerzgrenze austestet, riskiert nicht nur Muskelschäden, sondern trainiert völlig erfolglos. Sportmediziner:innen empfehlen zusätzlich allen Trainierenden, die Schmerzen, Schwäche oder Unwohlsein spüren, ärztlichen Rat einzuholen. Bei bestimmten Vorerkrankungen und auch während der Schwangerschaft sind EMS-Trainings tabu.

EMS ja, aber anders
Die Trainingserfolge der standardisierten Trainings bleiben daher im Alltag vielleicht unter ihren Möglichkeiten. Die Wissenschaftler:innen der Deutschen Sporthochschule in Köln setzen trotzdem auf EMS-Training – aber auf eine andere Art: Sie sehen größere Trainingseffekte, wenn der Strom auf dynamische Übungen erfolgt. Dazu trainieren die Proband:innen nicht nur in den studiotypischen starren Haltungen, sondern sind dabei in Bewegung oder arbeiten zusätzlich mit Gewichten.

Besser wäre: häufiger trainieren
Die meisten Studios schreiben ein Training pro Woche vor, davon gibt es selten Ausnahmen. Sowohl aus medizinischer als auch sportwissenschaftlicher Sicht spricht jedoch nichts dagegen, zweimal die Woche zu trainieren – genauso wird es bei Athleten und Athletinnen in der Regel gehandhabt. Die Regenerationszeiten sind ausreichend lange. Das wären auch nur 40 Minuten Training pro Woche – also immer noch weniger, als die meisten unter Hantelbank und Co. liegen.

Die Trainingshäufigkeit hat aber wohl vor allem ökonomische Gründe: Bei nur einem Training die Woche scheinen die Teilnehmenden den Studios länger erhalten zu bleiben – und das lohnt sich finanziell.

Und jetzt?
EMS ist keine Allzweckwaffe
Wunder vollbringt das EMS-Training also nicht, dafür ist eine Einheit pro Woche zu wenig. Für wen die Zeit aber wirklich der kritischste Faktor ist und wer keine Lust auf das normale Fitnessstudio-Umfeld hat, der kann das EMS-Training durchaus ausprobieren. Ein hochintensives Krafttraining (HIT) jedoch dauert nur wenig länger (30 Minuten) und hat in Studien auch etwas größere Effekte erzielt. Angesichts der geringen Kosten für gewöhnliche Fitnessstudios ist das für die meisten Leute wahrscheinlich die einfachere und lohnendere Variante – denn den inneren Schweinehund muss man auch für 20 Minuten Training überwinden.
Den größten Nutzen bietet die EMS-Methode vor allem für die Klientel, für welches die Stromimpulse schon seit Jahrzehnten genutzt werden – für ältere, schwache oder übergewichtige Patienten, die ihre Gelenke schonen wollen oder müssen. Bislang übernehmen die Krankenkassen das Training jedoch nicht. Weitere Studien könnten das ändern.

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