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Wie unsere Eltern uns noch vor der Geburt geprägt haben

Wir sind ein bisschen Mama und ein bisschen Papa. Doch im Erbgut schlummern noch viel mehr Informationen. Was unsere Eltern gegessen und gefühlt haben, all das kann uns für das ganze Leben prägen.

Was ist Epigenetik?
Vor langer Zeit stritten Biologen noch darum, wie etwa Tiere zu ihren Eigenschaften kommen. Wie haben sich etwa über die Jahrmillionen verschiedene Spezies entwickelt? Für Charles Darwin war später klar: Es muss über Vererbung und viele Generationen passiert sein, dass seine berühmten Darwinfinken bestimmte Schnäbel haben. Der Franzose Jean-Baptiste de Lamarck hingegen vertrat die These, dass Individuen selbst, allein durch ihren Willen auch ihre Gestalt verändern können. Wenn die Früchte und Blätter höher hängen, dann würde der Giraffe innerhalb eines Lebens – statt über viele Generationen – ein längerer Hals wachsen.
Lamarckismus widerlegt – und doch fehlen Erklärungen
Heute ist klar: Lamarck hatte unrecht. Und doch beantworten die Erkenntnisse Darwins nicht alles, was man beobachten kann – etwa bei uns Menschen. Über Vererbung allein lassen sich die Muster oder das plötzlich gehäufte Auftreten mancher Erkrankungen, egal ob Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes oder psychische Probleme wie Traumata oder Depression, nicht beantworten. Wie etwa lässt sich erklären, dass nur ein Zwilling anfällig für Diabetes wird?

Die Abfolge unseres Erbguts allein reicht für diese Phänomene nicht aus. Genau hier kommt die Epigenetik ins Spiel. Mit ihr wollen Forschende erklären, was bisher zu beobachten, aber nicht zu erklären war.

Epigenetik könnte Antworten auf wissenschaftliche Rätsel liefern
Zuerst einmal: Die Epigenetik beschäftigt sich mit der Art und Weise, wie unsere Gene angeschaltet und ausgeschaltet werden. Dieser Vorgang wird auch Genregulation genannt. Wenn man sich unsere DNA als eine Art Bibliothek vorstellt, dann bestimmt die Epigenetik, welche Bücher zugänglich in den Regalen liegen und welche versteckt im Archiv liegen.

Und das funktioniert so: Unsere Gene sind Abschnitte auf einem DNA-Strang beziehungsweise auf der DNA-Doppelhelix. Damit Gene abgelesen werden können, müssen sie freiliegen oder Proteine an ihnen haften, die das Signal geben: jetzt ablesen. Genauso kann der Strang jedoch um Proteinkugeln gewickelt und damit inaktiv sein. Oder es lagern sich andere biochemische Moleküle an, die darüber entscheiden, ob unsere Gene aktiviert werden oder nicht.

Bleiben wir bei der Vorstellung einer Bibliothek, dann lagern dort Informationen für den Umgang mit allen Lebenslagen. Die Acetylierung oder Methylierung, also die Angabe, welche Bücher zugänglich sind und welche nicht, macht jede menschliche Bibliothek einzigartig. Stellt man sich eine Liste aller Bücher vor, manche sind archiviert, andere direkt zugänglich, dann ergibt sich ein Muster. Dieses kann sich im Laufe unseres Lebens verändern. Die Epigenetik verändert also unsere Eigenschaften und Erbmerkmale daher ständig.

Forschende haben verschiedene Kontrollmechanismen beobachtet. Aus ihrer Kombination würden sich fast unendlich viele Möglichkeiten ergeben, wie kompakt und verschlossen oder offen und zugänglich die DNA ist. Solch eine Komplexität würden wir derzeit gar nicht begreifen. Denkbar ist allerdings auch, dass sich Muster etabliert haben, wie einzelne Regulationsprozesse miteinander wirken. Doch das wird die Wissenschaft noch Jahrzehnte beschäftigen.

Erst einmal bedeuten diese Beobachtungen aber: Das Individuum kann sich tatsächlich während seines Lebens auf die Umgebung einstellen.

Epigenetik ist ein Rätsel, multi- und transgenerationelle Epigenetik umso mehr
Doch es gibt noch einen weiteren Punkt, der für uns hier besonders wichtig und auch spannend ist: Denn die epigenetischen Informationen können zu Teilen auch vererbt werden – und nicht nur die eigenen Kinder prägen, sondern auch weitere Generationen. Sie können aber auch innerhalb eines Lebens verändert werden. So können Organismen oder unser Körper auf Umweltveränderungen reagieren, obwohl sich an unserem Erbgut selbst nichts ändert.

Ein Prozent der Gene des Kindes ist empfänglich für Veränderungen vor der Geburt. Das ist angesichts der insgesamt bis zu 25 000 Genen des Menschen immer noch sehr wenig, aber sie können dennoch wichtig sein. Was wir heute tun und essen, spiegelt sich daher womöglich in unseren Kindern und Enkelkindern wider. Das kann gut oder gefährlich sein.

Welchen Sinn hat Epigenetik?
Die abgedroschene Phrase „Nichts ist beständiger als der Wandel“ beschreibt eigentlich ganz gut, warum wir unter anderem Epigenetik brauchen. Die Welt um uns herum verändert sich und die Natur hat Möglichkeiten gefunden, wie sich Lebewesen an diese Umweltbedingungen anpassen können. Dass Gene zufällig mutieren, kann Vorteile bringen (so haben Europäer:innen ihre Toleranz gegenüber Milchzucker dank Mutation erhalten, während der Großteil der Menschheit ziemliche Blähungen bekommt). Dass sich die Gene beider Eltern vermischen, schafft genetische Unterschiede und dadurch Vielfalt.
Doch bei beiden Ursachen genetischer Veränderung, egal ob Mutation oder Fortpflanzung, gibt es jeweils einen großen Haken: Um sich genetisch an Veränderungen anzupassen, ist eine Art entweder auf den Zufall angewiesen oder die Zeit. Von einer Generation zur nächsten vergehen beim Menschen derzeit mehr als 30 Jahre. Bis sich rein zufällig die passende genetische Kombination aus zwei Eltern ergibt – darauf kann man nicht warten.

Epigenetik verschafft uns theoretisch einen Überlebensvorteil
Epigenetische Veränderungen geschehen schneller und scheinen viel weniger zufällig in Bezug auf die Umwelt. Man könnte auch sagen: Kurz vor der Geburt macht unser Erbgut noch einmal einen Realitätscheck. Wenn die Welt da draußen ungemütlich ist, dann bereitet uns die Genregulation auf diese Weise bestmöglich darauf vor. Das wäre eine evolutive Erklärung. Doch leider führt sie in der heutigen industrialisierten Welt zu manchen Problemen, wie wir gleich noch sehen werden.

Eigentlich gibt es bei neuem Leben eine Art Neustart. Doch mittlerweile wissen wir, dass Kinder nicht einfach die Hälfte des Erbguts ihrer Eltern neu zusammensetzen und dann epigenetisch bei null beginnen. Stattdessen sind sie unweigerlich vorgeprägt — durch die Umwelt und das Verhalten der Eltern. Das Genom jedes Kindes enthält Merkmale, die noch aus der Zeit vor der Geburt oder während der Schwangerschaft stammen, also Wochen, Monate oder sogar Jahrzehnte zurückliegen können. Das sind die bereits genannten ein Prozent des Genoms, die je nach Lage unterschiedlich wichtig sein können.

Epigenetische Effekte begleiten uns ein Leben lang und verändern sich währenddessen
Eins noch: Die Epigenetik hört nach der Geburt nicht auf, sondern sie ist immer aktiv. Forschende konnten das etwa anhand eines Fahrrad-Experiments zeigen. Die Probandinnen und Probanden mussten eine Zeit lang nur mit einem Bein in die Pedale treten. Später konnten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen messen, dass sich die Genaktivität im linken und rechten Bein unterschieden hat. Die Muskeln haben sich an die neuen Bedingungen auch epigenetisch angepasst.

Die Epigenetik ist also ein wichtiger Mechanismus, um uns ständig anzupassen. Unsere Gesellschaft hat sich aber dermaßen entwickelt, dass natürliche Mechanismen mit unserem zivilisatorischen Zustand aneinandergeraten.

Wie lange werden die epigenetischen Veränderungen vererbt?
Eine bekannte Untersuchung ist die Överkalix-Studie aus Schweden. Dort haben die Forschenden mehr als 300 Menschen untersucht, die zwischen 1890 und 1920 geboren sind, und auch deren Kinder und Kindeskinder unter die Lupe genommen. Sie schauten auf Stammbäume und Krankenakten.
Die Großelterngeneration erlebte damals eine andauernde Hungersnot und man konnte nachweisen, dass diese Zeit auch noch Nachwirkungen auf die Enkelkinder hatte. Nicht nur das: Hatten Väter früh geraucht, waren Söhne häufiger übergewichtig.

Eltern geben ihre epigenetischen Muster nicht nur an Kinder, sondern auch Enkelkinder weiter
Je nachdem, wer und wann die Menschen betroffen waren, waren die Effekte auch über mehrere Generationen vererbt. Gerade wenn die Großeltern während ihrer Wachstumsphase kaum zu essen hatten, konnte man bei den Enkelkindern eine doppelte so hohe Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen nachweisen.

Eine Erklärung für das Mehrgenerationenmodell über die Eltern hinaus ist folgende:

Im Mutterleib, wenn der Embryo langsam wächst, beeinflussen Umweltfaktoren drei Generationen gleichzeitig:

die Mutter,
den Embryo und
die Keimzellen des Embryos.
Genau gesagt heißt das: Selbst wir weisen wohl noch Merkmale auf, die auf Umwelteinflüsse zurückzuführen sind, als unsere Mutter noch als Embryo im Bauch unserer Oma heranwuchs. Beim Menschen lässt sich das meist nur über historische Archive oder Aufzeichnungen nachvollziehen – wenn die Daten gut hinterlegt wurden. Ansonsten ist der Zeitraum für Forschende viel zu groß. Sie untersuchen daher häufig Tiermodelle, bei denen die Generationenfolge viel schneller ist – etwa Mäuse oder Ratten.

Das Problem: Nicht jedes Ergebnis aus Tierstudien lässt sich eins zu eins auf den Menschen übertragen. Aber sie geben wichtige erste Hinweise.

Wie beeinflusst die Ernährung der Eltern das Kind?
In vielen Entwicklungsländern gibt es derzeit die Tendenz, dass Diabetes und Übergewicht zunehmen. Meist erklärt man es sich ziemlich einfach: Übergewichtige Mütter kriegen übergewichtige Kinder und die haben meist auch Zuckerprobleme. Schaut man dann noch, was beispielsweise in Mexiko an Süßem gegessen und getrunken wird, dann liegt die Erklärung schnell auf der Hand.
In anderen Ländern wie Indien aber sieht man steigende Diabetes- und Übergewichtszahlen auch bei untergewichtigen Müttern. Gerade dort scheint die Epigenetik einen Einfluss zu haben. Evolutionär könnte man das so erklären: Der Körper des Kindes soll vorbereitet sein auf schlechte Zeiten, wie sie während der Schwangerschaft geherrscht haben. Das könnte die Überlebenschancen verbessern.

Was die Eltern essen, prägt die Kinder
Nun ist es aber so, dass sich das Leben und der Lebensstil von vielen Menschen in Entwicklungsländern sehr plötzlich geändert hat. Die Kinder von unterernährten Müttern hatten auf einmal genug oder überdurchschnittlich viel zu essen. Je industrialisierter das Land, desto eher landen ungesunde Lebensmittel auf dem Teller, desto mehr Süßigkeiten gibt es. Gerade bei untergewichtigen Müttern zeigt sich, dass die Nachkommen ein erhöhtes Risiko haben, das genaue Gegenteil zu entwickeln: Übergewicht. Aus Tierstudien weiß man, dass die Nachkommen quasi prädestiniert waren, mehr zu essen und auch mehr Gewicht zuzulegen.

Ebenso konnte man bei Nagetieren zeigen, dass die Nachkommen von unterernährten Müttern ein höheres Diabetes-Risiko hatten. Dieser Effekt zeigte sich sogar in der Enkelgeneration.

Auch die Mahlzeiten des Vaters spielen eine Rolle
Der Mutter wird eine größere Rolle zugesprochen als dem Vater, schließlich haben die Monate während der Schwangerschaft einen besonderen Einfluss auf die Epigenetik. Forschende konnten aber für Vatertiere ebenfalls nachweisen, dass veränderte Nahrungszusammensetzungen (mehr oder weniger Protein) auch epigenetische Veränderungen beim männlichen Nachwuchs hervorriefen. Ebenso konnten sie nachweisen, dass auch eine fettreiche Ernährung das Diabetesrisiko der Tochter beeinflusste.

Warum du nicht jeder Ernährungsstudie trauen und glauben solltest, erklären wir hier …

Ein wichtiger Nährstoff während der Schwangerschaft ist Folsäure. Bekommt der Embryo zu wenig, steigt das Risiko für schwere Entwicklungsstörungen. Das Gewebe, aus dem sich das zentrale Nervengewebe und auch das Gehirn entwickeln, ist davon betroffen. Manche Kinder zeigen neurologische Störungen. Der Mangel kann auch so stark sein, dass sich keinerlei Gehirn entwickelt und der Embryo verstirbt.

Folsäure steht im Fokus der Forschenden
Dieser wichtige Nährstoff kann selbstverständlich auch in zu hoher Dosis vorliegen. Biochemisch ist Folsäure ein Lieferant für Methylgruppen, also genau die chemischen Verbindungen, die zu epigenetischen Veränderungen führen. Zu viel Folsäure könnte dazu führen, dass mehrere Gene willkürlich verändert werden.
Allerdings gibt es keine überzeugenden Hinweise darauf, dass grundsätzlich überall die Gene von zu viel Folsäure betroffen sind. Forschende vermuten, dass es auf bestimmte Gene einen höheren Einfluss haben kann. Dafür braucht es in Zukunft aber spezielle Untersuchungen.

Welchen Effekt haben Stress und Traumata?
Bei der Ernährung liegen Einflüsse auf den Stoffwechsel des Nachwuchses noch relativ leicht auf der Hand. Schwieriger sind hormonelle und neurologische Wirkungen aus der Umwelt und von den Eltern, die sich im Erbgut der Kinder niederschlagen können.
Untersuchungen aus Kriegs- und Krisengebieten sowie von depressiven Menschen (und Tieren) zeigen, dass tatsächlich psychische Zustände noch über mehrere Generationen fortbestehen können. Beispielsweise konnten Forschende nachweisen, dass Stress epigenetisch Einflüsse auf den Blutzuckerspiegel der Nachkommen hat.

Es gibt guten und schlechten Stress
Genauso führen depressive Zustände bei Mäusen zu Veränderungen auf genetischer Ebene. Die Nachkommen waren demnach ebenfalls anfälliger, auch wenn sie selbst nie große Stresssituationen erlebt hatten. Untersucht haben Forschende das zudem an den Überlebenden des Holocaust. Selbst in der Enkelgeneration konnte man noch Nachwirkungen feststellen.

Doch nicht jeder Stress ist schlecht. Moderater Stress, ein bisschen Termindruck, etwas eigener Ehrgeiz, sind im Gegenteil sogar förderlich. Wenn die Mutter solch einen Stress erlebte, sind die Kinder sowohl mental als auch körperlich schneller gereift. Zu viel Stress hingegen kann Wachstum und Entwicklung der Kinder nachhaltig negativ beeinflussen.

Wie uns Stress bremsen und pushen kann, erklären wir hier …

Spielt der Geburtszeitpunkt eine Rolle?
Die Frage und unsere Antwort haben nichts mit Horoskopen zu tun. Faktisch betrachtet ist ein Zusammenhang gar nicht abwegig, denn die Umweltbedingungen zwischen Zeugung und Geburt sind natürlich vollkommen anders, wenn man später an einem heißen Sommertag geboren wird oder in einer Art sibirischem Winter. Was man aber bedenken muss: Tatsächlich ist nicht der Geburtstag entscheidend, sondern eben genau alle anderen Tage, nämlich die davor.
Was genau alles bei einer Geburt passiert, zeigen wir hier …

Rein statistisch konnten Forschende Zusammenhänge zwischen dem Geburtszeitpunkt und der psychischen Belastbarkeit feststellen. Demnach sollen Sommerkinder launischer sein als andere, Herbstkinder seltener depressiv und Winterkinder dafür geistig gefestigter. Das klingt genauso spannend wie zufällig. Und tatsächlich waren die statistischen Unterschiede nicht groß genug, um nicht doch den Zufall ausschließen zu können.

Allerdings überlappen sich solche Ergebnisse mit denen aus anderen Studien. Etwa korrelieren auch Geburtstage mit einem erhöhten Selbstmordrisiko. Menschen, die zwischen April und Juni auf die Welt gekommen sind, hatten demnach ein höheres Risiko, sich selbst zu töten. Letztlich kommen hier aber noch so viele weitere nie berücksichtigte Faktoren hinzu, dass die wenigen Studien dazu keinen endgültigen Schluss zulassen. Zumal es reine Korrelationsstudien sind und keinerlei biochemische, neuronale oder hormonelle Erklärungen dafür vorliegen.

Für Allergien gibt es plausible Erklärungen
Anders ist es beim Zusammenhang zwischen Geburtszeitpunkt und Allergien. Dort gibt es zahlreiche Zusammenhänge, die darüber hinausgehen, dass Kinder von allergischen Eltern ebenfalls häufiger an Allergien leiden.

Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sahen in einer Untersuchung an 6000 Kindern, dass gerade diejenigen, die zwischen Oktober und November geboren sind (9,5 Prozent), häufiger Allergien haben als Sommerkinder (5 Prozent). Die Forschenden erklären das damit, dass die Pollenaktivität möglicherweise in einer kritischen Phase der embryonalen Entwicklung entscheidend dafür ist, wie häufig die Kinder später ebenfalls eine Allergie entwickeln.

Der Kampf zwischen Immunsystem und Fremdkörpern im Allgemeinen reicht dafür aus, denn erhöhte Pollenaktivität führte demnach auch zu erhöhten Nahrungsmittelallergien. In den ersten drei Schwangerschaftsmonaten sei das Allergierisiko bei den späteren Winterkindern verdreifacht gewesen.

Ist eine künstliche Befruchtung ungesund?
Rein aus epigenetischer Sicht gibt es hier spannende und wichtige, aber vielleicht auch traurige Hinweise. Während der künstlichen Befruchtung findet eine wichtige Phase des Befruchtungsvorgangs in einem anderen, künstlichen Umfeld statt. Die These: Das hat negative Folgen für das Kind. Manche Forschende gehen davon aus, dass das künstliche Umfeld die Methylierung des Genoms verändert. Demnach könnten sich deshalb zu viele, zu wenige oder andere Gene verändern, als es in der Gebärmutter zur selben Zeit der Fall wäre.
Für eine verlässliche Antwort braucht es aber noch viele weitere Studien. Und so bleibt diese Idee bis zum derzeitigen Zeitpunkt eine These.

Was können wir mit dem Wissen anfangen?
Eine Menge. Zu wissen, welche Faktoren Kinder für ihr Leben lang positiv oder negativ prägen, hat einen immensen Einfluss darauf, wie viele von ihnen ein gesundes, glückliches Leben führen können. Möglicherweise können nur wenige Momente oder kurze Zeiträume entscheiden, wie hoch bestimmte Krankheitsrisiken noch ein Leben lang sein werden. Wenn die Epigenetik tatsächlich wie ein unumlegbarer Schalter fungieren kann, dann sollten wir versuchen, sie zu verstehen.
Manche Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen denken auch einen Schritt weiter: Wenn Epigenetik nur biochemische Veränderungen am Erbgut sein sollte – vielleicht könnten wir diese durch Medikamente steuern. Wenn wir etwa wissen, dass bestimmte Genregionen (de-)methyliert sind und deshalb ein höheres Diabetes-, Krebs- oder Depressionsrisiko vorliegen, dann könnte man die Ursache dafür bekämpfen.

Epigenom könnte Risiken verraten
Wer sein Epigenom scannen ließe, der könnte wissen, wofür er anfällig ist, und seinen Lebensstil daraufhin anpassen. Es besteht aber dasselbe Problem wie bei einer Genanalyse: Wollen wir überhaupt wissen, was uns womöglich mit einem x-beliebigen Risiko im Leben droht? Oder würde uns das mehr schaden als nützen? Eine schwierige Frage.

Das Wissen um epigenetische Einflüsse könnte aber helfen, die Empfehlungen für werdende Eltern zu verfeinern, sich möglicher Risiken bewusster zu werden und negative Auswirkungen auf die Kinder und Enkelkinder zu verhindern.

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