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Zum 60. Todestag von C. G. Jung

Wie kann bei dem vielen Leid und der menschlichen Bosheit ein lieber Gott die Welt regieren? Die Antwort findet Jung beim antiken Philosophen Heraklit: Energie entsteht, wenn Gegensätze zusammenwirken: heiß-kalt, hoch-tief, verschieden geladene elektrische Pole. C. G. Jung schließt daraus: Im Seelenleben sind gegensätzliche Pole aktiv, die aus einer zugrunde liegenden Ganzheit hervorgehen, in die sie wieder integriert werden wollen, damit aus dem Schlechten das Gute folgt.

Das Böse, Jung spricht auch von Teufel und Dämonen, kommt nicht von außen in den Menschen, der den Gegensatz zum Guten in sich trägt. Das Böse bricht aus, wenn die Gesamtpsyche bei der Regulierung der gegensätzlichen Pole gestört wird. Jung sieht den Störfaktor im Ich-Bewusstsein, das sich von der Kollektivpsyche abspaltet. Die aber wehrt sich, durchkreuzt Vernunft und Willen, erzeugt bedrohliche Bilder und zwingt das Ich, wieder um das Selbst zu rotieren „wie die Erde um die Sonne“.

Nun überträgt Jung diese Seelendynamik vom einzelnen Menschen auf ganze Völker. 1936 sieht er im Nationalsozialismus die deutsche Kollektivpsyche am Werk mit Wotan, ihrem zentralen Archetypus, dem die Deutschen wegen ihres „falschen Intellektualismus“ verfallen. Auch Wotan ist gegensätzlich gepolt, barbarisch und zugleich kreativ. Aber das deutsche Volk habe die Gegensätze nicht integriert und seine Selbstverwirklichung verpasst, weiß Jung nach dem Krieg.

Sehr praktisch – also ist niemand für irgendetwas verantwortlich. Nach den Verursachern einer Katastrophe zu fragen wäre ja überheblich und würde die Selbstregulierung der Seele stören. Ein Aspekt aber gibt mir zu denken: Vieles Böse, das Menschen tun, geschieht nicht aus bewusster Absicht, vielleicht aus innerer Verwirrung: „Denn nicht das Gute, das ich will, tue ich, sondern das Böse, das ich nicht will“, schildert der Apostel Paulus. Ist die Verwirrung im Kopf oder in den Tiefen der Seele zu Hause?

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