Leben sie heute noch im Mittelalter?
Einst sagte man auch bei uns „Gott will es“. Sie wissen was daraus wurde.
Heute steht Irans Oberhaupt wegen Gotteslästerung in der Kritik
In einem Land, in dem Gotteslästerung unter Umständen mit dem Tod bestraft wird, sorgt ausgerechnet das geistliche und politische Oberhaupt für Empörung: Ayatollah Ali Chamenei, Oberster Führer der Islamischen Republik Iran, steht derzeit im Zentrum heftiger öffentlicher Kritik – wegen einer Aussage, die viele als blasphemisch empfinden.
„Es waren mein Mund und Gottes Worte“
Hintergrund ist ein öffentliches Treffen Chameneis mit der Familie des getöteten Generals Qasem Soleimani. Dabei sprach er, laut dem unabhängigen Nachrichtenportal Iran International, über eine Begegnung vor rund 20 Jahren. In Anwesenheit von Offizieren der Revolutionsgarde habe er damals eine Rede gehalten, die ihn selbst überrascht habe. Wörtlich soll Chamenei gesagt haben:
„Ich hielt eine sehr herzliche und eloquente Rede, aber ich hatte sie nicht vorbereitet. Gott hat die Worte immer wieder ausgesprochen. Es waren mein Mund und Gottes Worte.“
Diese Aussage löste umgehend eine Welle der Kritik und des Spotts in den sozialen Netzwerken aus – vor allem von Oppositionellen und religiös Konservativen gleichermaßen. Denn im islamischen Glauben ist die göttliche Offenbarung ausschließlich dem Propheten Mohammed vorbehalten. Die Behauptung, Gott habe durch Chamenei gesprochen, wird daher von vielen als schwere Blasphemie gewertet.
Doppelmoral im Gottesstaat?
Besonders brisant ist die Tatsache, dass Chameneis Regime in der Vergangenheit wiederholt Menschen wegen vermeintlicher Gotteslästerung verhaften, verurteilen und sogar hinrichten ließ. Viele Nutzerinnen und Nutzer auf Plattformen wie X (ehemals Twitter) machten auf diese Doppelmoral aufmerksam:
„Hätte ein gewöhnlicher Bürger so etwas gesagt, wäre er wegen Blasphemie, Beleidigung der Imame und des Obersten Führers längst zum Tode verurteilt worden“, schrieb ein Kommentator.
Ein anderer erinnerte daran, dass das islamische Strafrecht im Iran gerade für solche Fälle regelmäßig zur Unterdrückung regierungskritischer Stimmen herangezogen wird. Die Aussage Chameneis sei, so ein weiterer Nutzer, „nach Maßgabe des eigenen Strafgesetzbuches eindeutig strafbar“.
Regierung reagiert zurückhaltend
Die offizielle Reaktion auf den Vorfall fiel bisher äußerst zurückhaltend aus. Regierungsnahe Medien wie Tasnim, das dem Machtapparat der Revolutionsgarden nahesteht, wiesen die Kritik zurück. Man sprach von einer „Verleumdungskampagne“ aus dem Ausland. Die Angriffe gegen Chamenei seien von „feindlichen persischsprachigen Medien“ wie Iran International, dem persischen Dienst der BBC und Voice of America gesteuert worden.
Diese Reaktion wird von Beobachtern als Versuch gewertet, von der inhaltlichen Brisanz der Äußerung abzulenken – und gleichzeitig die üblichen Feindbilder zu bedienen, um Kritik zu delegitimieren.
Heikler Moment für das Regime
Die Empörung trifft Chamenei zu einem sensiblen Zeitpunkt: Die innenpolitische Lage im Iran bleibt angespannt, das Vertrauen in die Führung ist durch Korruption, wirtschaftliche Misere und anhaltende Repression stark erschüttert. Dass nun auch das höchste religiöse Amt durch eine theologisch problematische Äußerung ins Wanken gerät, könnte das Machtgefüge weiter unter Druck setzen.
Ob es zu offiziellen Konsequenzen kommt, ist allerdings unwahrscheinlich – zu fest sitzt Chamenei an den Schaltstellen der Macht. Für viele Iranerinnen und Iraner bleibt dennoch ein bitterer Nachgeschmack: Während einfache Bürger für Worte sterben können, scheint für den Herrscher des Gottesstaates ein anderer Maßstab zu gelten.