Lehrbrief GR 118

Gott zum Gruße.
Non nobis domine, non nobis, sed nomini tuo da gloriam.

Die Katharer

Irrlehre, Legende und die Templer im Süden Frankreichs

Über kaum ein Thema ranken sich so viele Mythen, Missverständnisse und romantische Verklärungen wie über das Verhältnis der Tempelritter zu den sogenannten Katharern, jenen angeblichen Häretikern, die im 12. und 13. Jahrhundert besonders in Südfrankreich für Aufsehen sorgten – oder vielmehr für Aufruhr, wie es die damalige Kirche empfand.

Wer waren die „Katharer“ überhaupt?

Die Bezeichnung Katharer – vom griechischen katharós = rein – tauchte im Mittelalter kaum auf, und wenn, dann meist in theologischen Traktaten. Erst im 20. Jahrhundert wurde sie zum gängigen Begriff für eine Reihe von Bewegungen, die im Languedoc als Abweichler vom katholischen Dogma betrachtet wurden. Was heute als „katharische Religion“ verkauft wird, war zur damaligen Zeit wohl kein einheitliches System, sondern ein loses Spektrum von kirchenkritischen Gruppen, die sich gegen den moralischen Verfall und die Weltlichkeit des Klerus stellten.

Die „Albigenser“ – benannt nach der Stadt Albi – gerieten besonders ins Fadenkreuz der Kirche, da man ihnen dualistische Glaubensvorstellungen zuschrieb: Die Welt sei demnach ein Werk des bösen Schöpfers, der Geist hingegen göttlich. Diese Lehre, die stark an den Manichäismus erinnert, wurde durch Schriften wie die von Bernhard von Clairvaux und Henri de Marci zu einem Feindbild stilisiert. Doch wie der Historiker R.I. Moore betont, ist es sehr fraglich, ob es je eine geschlossene „Gegenkirche“ gab. Vielmehr handelte es sich um vielfältige Gruppen mit sozialreformerischen Zielen.

Templer und Albigenser – Feinde, Freunde oder Funktionäre?

Die Rolle des Templerordens im sogenannten Albigenserkreuzzug (1209–1229) wird in Romanen und Spekulationen häufig dramatisiert. Von einer geheimen Verbindung zwischen Templern und „Katharern“ ist dort oft die Rede – gestützt auf Behauptungen aus dem 19. Jahrhundert, etwa vom Jesuiten Augustin Barruel, der Templer, Katharer, Freimaurer und Jakobiner als ein und denselben antikirchlichen Komplott sah.

Historisch haltbar ist das nicht.

Tatsächlich nahmen Templer nur in geringer Zahl am Albigenserkreuzzug teil – nicht aus Sympathie mit der „Häresie“, sondern weil ihre Ressourcen vorrangig im Heiligen Land gebunden waren. Dennoch lassen sich einige Verbindungen nachweisen: Templer schützten den Sohn von Simon de Montfort bei einem Aufstand in Narbonne und enthüllten ein Attentat auf den Bischof von Toulouse. Auf Seiten der Kreuzfahrer agierte u. a. der Provinzmeister Guillaume d’Alliac.

Gleichzeitig gab es familiäre Bindungen zwischen lokalen Adligen – die gelegentlich als häresieverdächtig galten – und ortsansässigen Templern. Es ist belegt, dass solche Adligen auf Templerfriedhöfen beigesetzt wurden – ein Hinweis auf zumindest persönliche Loyalität.

Häresie – Machtinstrument oder Glaubensabweichung?

Die kirchlichen Prozesse gegen Häretiker jener Zeit waren nicht nur religiös motiviert, sondern dienten oft auch politischen Zwecken. Wer zu lasch gegen Ketzer vorging, geriet selbst unter Verdacht. Die Gesetzgebung von Ad Abolendam (1184) und das IV. Laterankonzil (1215) führten dazu, dass selbst Erben von Häretikern entrechtet wurden – ein effektives Mittel, um oppositionelle Kräfte zu entmachten.

Das späte Bild einer „katharischen Religion“ mit klaren Strukturen und Riten, wie es viele populäre Darstellungen nahelegen, ist überwiegend ein Konstrukt nachträglicher Quelleninterpretationen. Die Inquisition selbst war darum bemüht, Abweichler überhaupt erst in Schubladen wie „Katharer“, „Valdenser“ oder „Manichäer“ einzuordnen.

Fazit: Mehr Legende als Wahrheit

Die Vorstellung, der Templerorden sei insgeheim ein Träger katharischer Ideen gewesen, entspringt dem romantischen Denken des 19. Jahrhunderts – nicht der mittelalterlichen Realität. Historisch gesichert ist, dass die Templer mehrheitlich loyal zur römischen Kirche standen und sich weder systematisch noch organisatorisch mit den sogenannten Katharern verbündeten.

Und doch bleibt das Spannungsfeld zwischen Macht, Glaube, Politik und Legende rund um Templer und Katharer ein faszinierendes Kapitel der Geschichte – voller Rätsel, Widersprüche und Projektionen.

Fiat Lux
Ralph von Reichenberg GM