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„Tod den Häretikern?“

Zwischen mittelalterlicher Rhetorik und moderner Kirchenkrise

Die römisch-katholische Kirche steht erneut im Zentrum öffentlicher Kritik. Anlass ist die vom Vatikan angekündigte Apostolische Visitation des Stiftes Heiligenkreuz bei Wien – einem als konservativ geltenden Zentrum geistlichen Lebens mit über 100 Mönchen und rund 300 Studierenden.

Das Stift selbst erklärte öffentlich, über die Gründe der Visitation nicht informiert worden zu sein. Diese Aussage wirkt fragwürdig, denn der Vatikantest zur Ankündigung der Visitation wurde bereits veröffentlicht. Er nennt explizit den Führungsstil, mögliche Missbrauchsvergehen und weitere gravierende Verfehlungen als Anlass für die Untersuchung.

Besonders brisant ist die Rolle des bekannten Paters Karl Wallner, der in öffentlich zugänglichen Kanälen über Jahre hinweg eine radikale, oft demokratiekritische Position vertreten hat. Auch sein Mitbruder Pater Waldstein steht seit Langem in der Kritik. Ihm werden nicht nur Verbindungen zu antidemokratischen Netzwerken, sondern auch problematische theologische Positionen nachgesagt – darunter etwa die offene Befürwortung der Todesstrafe für Häretiker.

Diese Haltung wirkt wie ein Rückfall in das düstere Zeitalter der Inquisition – eine Epoche, in der abweichender Glaube buchstäblich mit dem Tod bestraft wurde. Doch was würde Jesus von Nazareth, der jüdische Rabbi aus Galiläa, wirklich dazu sagen? Der biblische Christus, der von Nächstenliebe, Vergebung und Barmherzigkeit predigte?

Wer heute nicht an die von der Kirche erfundenen Dogmen glaubt, gilt in den Augen konservativer Kleriker noch immer als „Häretiker“. Aber was bedeutet das konkret? Die leibliche Himmelfahrt Marias, das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes, die jungfräuliche Empfängnis – viele dieser Lehrsätze entziehen sich jeder wissenschaftlichen Überprüfung. Sie werden geglaubt – oder eben nicht.

Für viele Gläubige sind solche Fragen legitim. Doch für extremistische Kreise scheint es nur Schwarz oder Weiß zu geben: Glauben oder Verdammtsein. Das Klima solcher Radikalisierung hat historische Parallelen – und genau hier wird es für das Stift Heiligenkreuz besonders unangenehm.

Denn bereits um 1890 lebte dort ein gewisser Lanz von Liebenfels – ein völkischer Ideologe und selbsternannter „Neutempler“, der später offen als Wegbereiter nationalsozialistischen Denkens wirkte. Seine Schriften, wie etwa „Allgemeine rassenkundliche Somatologie“ oder „Die Gefahren des Frauenrechts“, atmen denselben toxischen Geist von Rassenwahn, Frauenverachtung und Antisemitismus. Lanz nannte Dunkelhaarige verächtlich „Äfflinge“ und propagierte eine Herrenmenschen-Theorie. Seine „Erleuchtung“ verdankte er – wie er selbst sagte – der Unterweisung eines Stiftspriesters.

Solche ideologischen Spuren werfen lange Schatten. Dass nach dem Tod von Lanz von Liebenfels ein Mönch aus Heiligenkreuz dessen Begräbnisrituale vollzog, zeigt die problematische Nähe zwischen geistlicher Institution und radikaler Weltanschauung.

Die aktuelle Visitation des Stifts durch den Vatikan ist daher nicht nur eine innerkirchliche Formalie. Sie ist ein Prüfstein für die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche. Es geht nicht nur um Missbrauch, Machtmissbrauch oder konservative Frömmigkeit – es geht um den Kampf gegen spirituellen Autoritarismus und die Verantwortung für die eigene Geschichte.

Wer im Namen Gottes zur Gewalt aufruft, wer ketzerische Abweichung mit dem Tod ahnden will, stellt sich gegen das Herz des Evangeliums. Und gegen die Menschlichkeit.

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