Vom „Plünderer“ zum „Hüter“ der Schöpfung werden
„Hoffe und handele mit der Schöpfung“: unter dieser Prämisse steht die Botschaft des Papstes zum diesjährigen Welttag der Schöpfung, die der Vatikan an diesem Donnerstag veröffentlicht hat. In der stark theologisch geprägten Botschaft ruft Franziskus zur Umkehr und zur Änderung des Lebensstils auf, macht aber auch auf die katastrophalen Auswirkungen des Krieges für die Schöpfung aufmerksam und warnt vor einer grenzenlosen Entwicklung der Künstlichen Intelligenz.
Jedes Jahr am 1. September begeht die Kirche zum Auftakt der ökumenischen Schöpfungszeit den Weltgebetstag für die Schöpfung. In diesem Jahr bezieht sich Franziskus bei seiner Botschaft auf den Römerbrief des Apostels Paulus (Röm 1,19-25), in dem der Apostel erklärt, „was es bedeutet, dem Geist gemäß zu leben und er konzentriert sich auf die sichere Hoffnung auf Erlösung durch den Glauben, der neues Leben in Christus bedeutet“, erläutert der Papst in seiner Botschaft.
In dieser legt er den Fokus auf die Hoffnung – eine Brücke zum bevorstehenden Heiligen Jahr 2025, das unter dem Motto „Pilger der Hoffnung“ steht – ebenso wie auf den konkreten Appell zu einer Änderung unserer Lebensweise, um die Schöpfung zu bewahren und aus ihrer „Knechtschaft“ zu erlösen, in der sie sich unverschuldet gemeinsam mit dem Menschen wiederfinde. Deshalb sei sie auch nicht in der Lage, „das zu tun, wozu sie gedacht ist, nämlich einen dauerhaften Sinn und Zweck zu haben“, gibt Franziskus zu bedenken, sei „dem Zerfall und dem Tod ausgeliefert, was durch den missbräuchlichen Umgang des Menschen mit der Natur noch verstärkt wird.“
„Die christliche Hoffnung enttäuscht nicht, aber sie täuscht auch nicht“
Anderseits stelle die Erlösung des Menschen in Christus auch eine feste Hoffnung für die Schöpfung dar, so der Papst weiter. „Die christliche Hoffnung enttäuscht nicht, aber sie täuscht auch nicht: Wenn auch das Seufzen der Schöpfung, der Christen und des Geistes eine Vorwegnahme und Erwartung der bereits stattfindenden Erlösung ist, so sind wir jetzt doch in viele Leiden eingetaucht, die der heilige Paulus als ,Bedrängnis, Not, Verfolgung, Hunger, Kälte, Gefahr, Schwert’ beschreibt (vgl. Röm 8,35).“
Keine Illusion sondern Realismus
Die Hoffnung biete also eine „alternative Lesart der Geschichte und der menschlichen Geschicke: nicht illusorisch, sondern realistisch, mit dem Realismus des Glaubens, der das Unsichtbare sieht.“
Doch müssten wir bereit sein, uns selbst in Frage zu stellen und zu verändern, angetrieben vom Heiligen Geist, der die Gemeinschaft der Gläubigen stets „wachsam bleiben“ lasse:
„Er (der Heilige Geist, Anm. d. Red.) lehrt sie beständig und ruft sie zur Umkehr in ihrer Lebensweise auf, um der vom Menschen verursachten Umweltzerstörung entgegenzutreten und jene Gesellschaftskritik zu formulieren, die in erster Linie Zeugnis ablegt für die Möglichkeit, sich zu ändern.“
Beziehungen kitten
Es sei letztlich dringend notwendig, die Beziehung „zu Gott, zu sich selbst und den anderen Menschen und die Beziehung zum Kosmos“ wiederherzustellen, die „durch die Sünde Adams“ zerstört worden sei, mahnt der Papst: „Alle diese Beziehungen müssen synergetisch wiederhergestellt, gerettet und ,gerecht gemacht‘ werden.“ Dabei dürfe jedoch „keine fehlen“, denn: „Wenn eine fehlt, scheitert das Ganze.“
„Wenn eine fehlt, scheitert das Ganze“
In diesem Zusammenhang bedeute Hoffen und Handeln also auch, die Kräfte zu bündeln und mit Männern und Frauen guten Willens zusammenzuarbeiten, um „die Frage nach der menschlichen Macht, nach ihrem Sinn und nach ihren Grenzen neu [zu] bedenken“, schreibt Franziskus weiter.
Denn unsere Macht habe sich dank der beeindruckenden technologischen Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte „rasant gesteigert“. Doch „unkontrollierte Macht bringt Ungeheuer hervor und wendet sich gegen uns selbst“, gibt der Papst zu bedenken: „Deshalb ist es heute dringend notwendig, der Entwicklung der künstlichen Intelligenz ethische Grenzen zu setzen, welche mit ihrer Rechen- und Simulationskapazität zur Beherrschung von Mensch und Natur eingesetzt werden könnte, statt dem Frieden und einer ganzheitlichen Entwicklung zu dienen“, verweist Franziskus auf seine Botschaft zum Weltfriedenstag 2024, in der die Künstliche Intelligenz und deren Implikationen für den Weltfrieden breiten Raum einnehmen.
„Deshalb ist es heute dringend notwendig, der Entwicklung der künstlichen Intelligenz ethische Grenzen zu setzen, welche mit ihrer Rechen- und Simulationskapazität zur Beherrschung von Mensch und Natur eingesetzt werden könnte, statt dem Frieden und einer ganzheitlichen Entwicklung zu dienen“
„Warum gibt es so viel Böses in der Welt? Warum so viel Ungerechtigkeit, so viele brudermörderische Kriege, die Kinder töten, Städte zerstören und den Lebensraum des Menschen verschmutzen, die vergewaltigte und verwüstete Mutter Erde?“, fragt der Papst in seiner Botschaft zum Weltgebetstag für die Schöpfung eindringlich weiter – und liefert auch eine Antwort dafür.
„Der Anspruch, die Natur zu besitzen und zu beherrschen und sie nach Belieben zu manipulieren, ist daher eine Form von Idolatrie. Es ist der prometheische Mensch, der berauscht von seiner eigenen technokratischen Macht die Erde arrogant in einen ,gnaden-losen‘ Zustand versetzt, also in einen Zustand ohne die Gnade Gottes.“
„Es ist der prometheische Mensch, der berauscht von seiner eigenen technokratischen Macht die Erde arrogant in einen ,gnaden-losen‘ Zustand versetzt, also in einen Zustand ohne die Gnade Gottes“
Doch wenn der gestorbene und auferstandene Jesus „die Gnade Gottes“ sei, dann stimme auch, was Benedikt XVI. sagte, zitiert Franziskus in seiner Botschaft seinen Vorgänger auf dem Stuhl Petri: „Nicht die Wissenschaft erlöst den Menschen. Erlöst wird der Mensch durch die Liebe“ (Enzyklika Spe Salvi, 26).
Ethische und theologische Frage
Der Gehorsam gegenüber dem Geist der Liebe verändere jedoch die Haltung des Menschen radikal, er werde „vom ,Plünderer‘ zum ,Bewirtschafter‘ des Gartens“, zeigt sich Franziskus überzeugt. Die Schöpfung hingegen werde beständig von ihrer eigenen Zukunft angezogen, sei „nicht statisch oder in sich selbst verschlossen“, unterstreicht der Papst, der damit zu dem Schluss kommt:
„Außer einer ethischen Frage ist die Bewahrung der Schöpfung daher auch eine eminent theologische. Sie betrifft nämlich die Verflechtung zwischen dem Geheimnis des Menschen und dem Geheimnis Gottes.“ Der Mensch sei frei in seinem Handeln und in seinen Entscheidungen, weil er nach dem Ebenbild Gottes geschaffen und dadurch „Repräsentant“ der Schöpfung in Christus wurde. Damit verbunden sei aber auch eine „transzendente (theologisch-ethische) Motivation, die den Christen verpflichtet, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt zu fördern“, während gleichzeitig die Schöpfung „seufzend wie in Geburtswehen“ auf das „Offenbarwerden der Kinder Gottes“ warte.
In diesem Zusammenhang stehe nicht nur „das irdische Leben des Menschen in dieser Zeit“ auf dem Spiel, sondern „vor allem“ dessen Bestimmung für die Ewigkeit, warnt der Papst, der die Gläubigen dazu ermutigt, sich an ihre Identität als Kinder Gottes zu erinnern, um mit ihrem heiligmäßigen Leben auch konkrete Veränderungen zu bewirken.