Der Verlust des Heiligen Landes und der Fall Akkons
Das Ende der Kreuzfahrerstaaten
Der Verlust des Heiligen Landes und der Fall Akkons 1291 markieren das tragische Ende der christlichen Kreuzfahrerstaaten im Nahen Osten. Was einst mit dem Ersten Kreuzzug 1096 als triumphaler Eroberungszug begann, endete knapp 200 Jahre später in einer katastrophalen Niederlage gegen die muslimischen Mamluken. Die letzten Jahre der Kreuzfahrerstaaten waren geprägt von inneren Zerwürfnissen, militärischer Unterlegenheit und der übermächtigen Stärke der Mamluken unter Sultan Baibars, Sultan Qalawun und schließlich Sultan al-Ashraf Khalil.
Sultan Baibars und die ersten Verluste
Bereits unter Sultan Baibars I. (1223–1277) begannen die Christen im Heiligen Land ihre letzten großen Territorien zu verlieren. Baibars, ein brillanter Militärstratege und unerbittlicher Gegner der Kreuzfahrer, eroberte zwischen 1265 und 1271 wichtige Städte und Festungen:
- 1265: Caesarea, Haifa und Arsuf
- 1266: Safed und Toron
- 1268: Antiochia
Der Fall von Antiochia war ein besonders schwerer Schlag für die Kreuzfahrer. In einem sarkastischen Brief an Bohemund VI., den Fürsten von Antiochia, schilderte Baibars die Verwüstung der Stadt und die Versklavung ihrer Bewohner. Bohemund, der sich zu diesem Zeitpunkt in Tripolis befand, konnte nichts unternehmen, um seine Stadt zu retten.
1271 fiel zudem die imposante Festung der Johanniter, der Krak des Chevaliers. Trotz eines Waffenstillstands im Frühjahr 1272, der unter der Vermittlung von Karl von Anjou geschlossen wurde, schrumpfte das Territorium der Christen auf einige Küstenstädte: Akkon, Beirut, Tyrus, Sidon, Tripolis und Gibelet.
Die letzten Jahre unter Sultan Qalawun
Nach dem Tod Baibars 1277 übernahm Sultan Qalawun (1222–1290) die Führung der Mamluken und setzte die Eroberungen fort. Obwohl die Templer unter Großmeister Gottfried von Beaujeu mehrere Waffenstillstände aushandelten, wurden diese regelmäßig gebrochen:
- 1285: Die Johanniterburg Margat fiel.
- 1287: Latakia wurde erobert.
- 1289: Tripolis fiel nach einer grausamen Belagerung.
Die Belagerung von Tripolis war besonders brutal. Der Chronist Abul Fida beschreibt, wie die muslimischen Truppen die Stadt mit Katapulten beschossen und die Bevölkerung massakrierten. Nur wenigen gelang die Flucht über das Meer.
Das letzte Kapitel: Der Fall von Akkon (1291)
Der Waffenstillstand und seine Zerstörung
Nach der Eroberung von Tripolis wurde 1289 ein erneuter Waffenstillstand zwischen König Heinrich II. von Zypern und Sultan Qalawun für „zehn Jahre, zehn Monate und zehn Tage“ vereinbart. Akkon, die letzte bedeutende christliche Hochburg im Nahen Osten, erlebte daraufhin einen kurzen wirtschaftlichen Aufschwung. Muslime und Christen trieben Handel, und die Märkte der Stadt florierten.
Doch im August 1290 traf ein Trupp ungezügelter italienischer Kreuzfahrer in Akkon ein. Nach Trinkgelagen und Übergriffen auf muslimische Händler und Bauern eskalierte die Situation. Die Kreuzfahrer begannen wahllos Muslime auf den Straßen zu töten. Sultan Qalawun betrachtete diesen Bruch des Waffenstillstands als ausreichenden Grund für einen Angriff auf Akkon. Kurz nach dem Aufbruch seines Heeres starb Qalawun jedoch im November 1290.
Die Belagerung durch Sultan al-Ashraf Khalil
Im März 1291 setzte Sultan al-Ashraf Khalil das Vorhaben seines Vaters fort und zog mit einem gewaltigen Heer nach Akkon. Die Stadt war mit ihren starken Mauern gut befestigt, doch die Überbevölkerung – die Einwohnerzahl war durch Flüchtlinge auf etwa 100.000 Menschen angewachsen – führte zu chaotischen Zuständen.
Die Verteidigung lag in den Händen der Ritterorden:
- Templer unter Großmeister Gottfried von Beaujeu
- Johanniter unter Jean de Villiers
- Orden von Saint Thomas
- Lazarusorden
Am 17. Mai 1291 durchbrachen die Mamluken nach schwerem Artilleriebeschuss und erbitterten Straßenkämpfen die Mauern der Stadt. Gottfried von Beaujeu wurde im Kampf tödlich verwundet und starb am selben Tag.
Die Verteidiger zogen sich in die letzte Bastion, die Templer-Zitadelle, zurück. Zehntausende suchten dort Zuflucht, doch am 28. Mai fiel auch dieses Bollwerk unter einem massiven Angriff der Mamluken.
Das Ende der Kreuzfahrerstaaten
Nach dem Fall Akkons gab es keine Hoffnung mehr für die Kreuzfahrer im Heiligen Land:
- Tyrus und Beirut wurden kampflos aufgegeben.
- Die letzten Festungen, Tortosa und Atlit, wurden 1291 geräumt.
- Die Insel Ruad, die letzte Bastion, fiel 1302.
Die verbliebenen Ritter zogen sich nach Zypern zurück. Dort versuchte der neue Templer-Großmeister Theobald Gaudin (gewählt nach dem Fall Akkons) vergeblich, Unterstützung für einen neuen Kreuzzug zu mobilisieren. Jakob von Molay, sein Nachfolger, plante noch militärische Unternehmungen, doch ohne Erfolg.
Fazit: Das Erbe des Verlusts
Der Fall Akkons 1291 markierte nicht nur das Ende der christlichen Herrschaft im Heiligen Land, sondern auch das Scheitern des Kreuzzugsgedankens. Die inneren Konflikte der Kreuzfahrerstaaten, die fehlende Unterstützung aus Europa und die militärische Überlegenheit der Mamluken hatten den Niedergang unausweichlich gemacht.
Die Ritterorden – Templer, Johanniter und Lazarusritter – verloren ihre strategischen Stützpunkte und mussten ihre Aktivitäten nach Zypern und später nach Europa verlagern. Der Verlust des Heiligen Landes hinterließ eine tiefe Wunde im christlichen Europa und beendete eine Epoche, die von Glaubenseifer, militärischen Abenteuern und geopolitischen Machtkämpfen geprägt war.