Der zweite Kreuzzug und die Tempelritter
Eberhard de Barres und der Aufstieg des roten Kreuzes
Ein Kreuzzug unter schwierigen Vorzeichen
Der Zweite Kreuzzug (1147–1149) war die direkte Reaktion auf den Fall der Grafschaft Edessa im Jahr 1144 – eine der ersten Kreuzfahrerstaaten im Nahen Osten. Die Niederlage der Christen in Edessa rief Bestürzung in ganz Europa hervor. Papst Eugen III. rief im Jahr 1145 zum Kreuzzug auf, doch erst mit der Predigt des Bernhard von Clairvaux, der das Kreuz predigend durch Frankreich und das Heilige Römische Reich zog, gewann der Aufruf eine mitreißende Dynamik.
Unter jenen, die seinem Ruf folgten, war auch Eberhard de Barres, Präzeptor des Templerordens in Frankreich – ein Mann, der bald eine entscheidende Rolle in der Geschichte des Ordens und des Kreuzzugs selbst spielen sollte.
Der Ruf Bernhards und das Kapitel von Paris
Im Jahr 1147 versammelte Eberhard de Barres 130 Tempelritter im Kapitel von Paris, um die Teilnahme des Ordens am Zweiten Kreuzzug zu organisieren. Der Templerorden, gegründet zum Schutz der Pilger und zur Verteidigung des Heiligen Landes, erkannte in diesem Ruf eine Gelegenheit, seine missionarisch-militärische Berufung zu erfüllen.
Die außergewöhnliche Bereitschaft und Disziplin der Tempelritter beeindruckten nicht nur die weltlichen Fürsten, sondern auch den Papst selbst: Eugen III. verlieh dem Orden ein sichtbares Zeichen besonderer Würde – das rote Kreuz, das fortan auf dem weißen Habit der Templer prangte. Dieses Kreuz wurde zum Symbol des Opfers, der Tapferkeit und der göttlichen Berufung des Ordens.
Eberhard de Barres – Führer der Disziplin
Eberhard de Barres, klug, streng und fromm, begleitete das französische Kreuzfahrerheer unter König Ludwig VII. auf dem langen Weg durch Kleinasien – ein gefährliches Terrain, in dem die europäischen Ritter mit den leicht gerüsteten, wendigen Truppen der Seldschuken konfrontiert wurden. Diese kannten das Gelände und setzten bevorzugt auf mobile Taktiken, insbesondere den Einsatz von Bogenschützen auf Pferden, die aus der Distanz zuschlugen und sich schnell zurückzogen.
Da das fränkische Heer mit solcher Kriegsführung nicht vertraut war, strukturierte Eberhard die Marschordnung neu: Er teilte das Heer in Gruppen zu je 50 Mann, die jeweils einem Tempelritter unterstellt waren. Durch diese Reform gelang es, eine kompakte und koordinierte Marschkolonne zu bilden, die diszipliniert und geschlossen operieren konnte.
Diese Taktik bewährte sich: Trotz ständiger Angriffe brachte Eberhard das Heer unversehrt bis nach Antalia an der kleinasiatischen Südküste. Diese Leistung stärkte das Ansehen des Ordens bei Königen und Baronen und bewies, dass die Templer nicht nur fromme Krieger, sondern auch militärische Organisatoren von hohem Rang waren.
Vom Heerführer zum Großmeister
Im Jahr 1149, nach dem Tod von Robert de Craon, wurde Eberhard de Barres zum dritten Großmeister des Templerordens gewählt. In einer Zeit voller Unsicherheit und wachsender Herausforderungen übernahm er damit die höchste Führungsposition innerhalb des Ordens. Seine Führung war geprägt von Strenge, Disziplin und einer tiefen Spiritualität, die ihn auch mit Bernhard von Clairvaux verband.
Doch Eberhards Weg sollte nicht dauerhaft auf dem Schlachtfeld bleiben. Bereits im Jahr 1152 legte er überraschend sein Amt nieder und trat dem Zisterzienserorden bei, dem auch Bernhard angehörte. In Clairvaux, dem geistlichen Zentrum des reformierten Mönchtums, vollzog Eberhard seine persönliche spirituelle Wende – vom Krieger Christi zum demütigen Mönch.
Fazit: Templer, Kreuz und Geist – eine prägende Wegmarke
Die Rolle der Tempelritter im Zweiten Kreuzzug unter der Führung Eberhard de Barres’ zeigt eindrucksvoll, wie militärische Disziplin, geistliche Berufung und politische Verantwortung in der mittelalterlichen Welt miteinander verwoben waren. Die Einführung des roten Kreuzes als äußeres Zeichen ihrer Mission wurde zu einem Markenzeichen des Ordens – und zu einem Symbol ihrer spirituell legitimierten Kampfbereitschaft.
Eberhard selbst verkörpert den Typus des asketischen Ritters, der sowohl das Schwert als auch das Kreuz zu tragen wusste – und der schließlich, in der Stille des Klosters Clairvaux, seine letzte Heimat fand.
