Vatikanischer Finanz-Skandal
Ein Urteil aus London
„Mit Blick auf die Fakten, die während des Prozesses bekannt wurden, haben die Kläger die Standards der Kommunikation mit dem Staat (Staatssekretariat, Anm. d. Red.) nicht erfüllt, die als Verhalten in gutem Glauben qualifiziert werden könnten.“ Das erklärte der Richter Robin Knowles an diesem Freitag. Das Urteil aus London steht im Einklang mit den Entscheidungen des vatikanischen Gerichtshofs.
Mincione hatte das Verfahren zusammen mit seinen Unternehmen im Juni 2020 eingeleitet. Er wollte das englische Gericht zu einer Reihe von Erklärungen bewegen. Dabei ging es um Verträge, die zwischen November und Dezember 2018 geschlossen worden waren und mit denen das Staatssekretariat versucht hatte, das Gebäude in der Sloane Avenue 60 in London zu erwerben.
Fünfzig Seiten Urteilsschrift
Die Erklärungen, um die sich der Finanzmakler bemühte, sollten gerichtlich den guten Glauben Minciones und seiner Unternehmen bei der Aushandlung und Erfüllung der Verträge bescheinigen. Der Rechtsstreit steht im Zusammenhang mit den Ermittlungen und der im Juli 2021 erfolgten Anklageerhebung gegen Mincione durch den Kirchenanwalt der Vatikanstadt wegen einer Reihe von mutmaßlichen Verstößen im Zusammenhang mit Investitionen des Staatssekretariats.
In der 50-seitigen Urteilsschrift, die der Gerichtshof publizierte, lehnt der Richter die von den Klägern beantragten Erklärungen ab. Stattdessen stellt er unter anderem fest, dass Mincione gegenüber dem Staatssekretariat irreführende Angaben zum Wert der Immobilie Sloane Avenue 60 gemacht habe. In Paragraph 130 des Urteils sieht das Gericht es als erwiesen an, dass der Finanzier und seine Unternehmen die Standards der Kommunikation mit dem Staatssekretariat, die als gutgläubiges Verhalten qualifiziert werden könnten, nicht erfüllt hätten. Es verweist auf die Angabe des Staatssekretariats, „dass diese Zahl keine Grundlage in der Realität hat“.
Der Richter weiter: „Natürlich vertrat Mincione die Verkäuferseite der Transaktion und hatte ein Interesse daran, einen hohen Preis zu erzielen. Aber die Angelegenheit stand in einem besonderen Kontext, wozu die Investitionsbeziehung zwischen dem Staat und den Antragstellern gehört. Seine Erwähnung von 275 Millionen Pfund bezog sich meines Erachtens nicht auf einen geforderten Preis. Er hat die Bedeutung dieses Wertes während der Sitzungen nicht näher erläutert, und ohne diese Erläuterung war das, was er gesagt hat, nicht ehrlich und irreführend“.
Darüber hinaus stellt der Richter in Paragraph 243 des Urteils fest: „Auf der Grundlage der Beweise, die ich während des Prozesses gehört habe, hatte es (das Staatssekretariat, Anm. d. Red.) Grund, sich durch seine Erfahrungen mit den Antragstellern völlig getäuscht zu fühlen. Die Kläger haben keine Anstrengungen unternommen, um es (das Staatssekretariat, Anm. d. Red.) vor Betrügern zu schützen. Sie kümmerten sich nicht darum (um das Staatssekretariat, d. Red.) und stellten ihre eigenen Interessen in den Vordergrund. Es (das Staatssekretariat, Anm. d. Red.) hätte von professionellen Kollegen wie Herrn Mincione und anderen mehr erwartet“.
Auch ein paar Sätze zu Torzi
Der Gerichtshof gewährte Mincione allerdings bestimmte Erklärungen, die sich von den Erklärungen über „Treu und Glauben“ unterscheiden. Der Text dieser Erklärungen ergibt sich unmittelbar aus den damals vereinbarten Vertragsbestimmungen und gibt diese getreu wieder. Der genaue Wortlaut dieser Erklärungen wird in einer späteren Anhörung festgelegt, um ihre Richtigkeit im Einklang mit den Verträgen sicherzustellen.
In Bezug auf den Makler Gianluigi Torzi stellt das Londoner Gericht in Paragraph 183 fest: „Es war unbestritten, dass Herr Torzi in Bezug auf die Transaktion treuhänderische Pflichten gegenüber dem Staat hatte. Auf der Grundlage der (dem Richter vorliegenden) Fakten war sein Verhalten in Bezug auf die Gutt-Aktien zumindest unangemessen, skrupellos und unehrlich. Der gesamte Vorfall ist auch insofern von Bedeutung, als er zeigt, dass dem Staat die Erfahrung und das Fachwissen fehlten, um sich vor dieser Art von Verhalten zu schützen.“
Eine Bestätigung der Position des Staatssekretariats
Das Urteil des Obersten Gerichts, das im Anschluss an eine Verhandlung zwischen Juni und Juli 2024 erging, besagt, dass angesichts des Verhaltens von Mincione und anderer mit ihm verbundener Personen keine Erklärung über deren guten Glauben abgegeben werden sollte. Dieses Urteil bedeutet eine Bestätigung der Position des Staatssekretariats. Darüber hinaus betont das Gericht, dass die Aussage des Zeugen des Staatssekretariats, des Substituten Erzbischof Edgar Peña Parra, vor Gericht ehrlich gewesen sei.
Während des Verfahrens verzichtete das Staatssekretariat auf die Erhebung einer Widerklage und konzentrierte sich stattdessen auf das Strafverfahren vor den Gerichten des Vatikanstaates. Dieses Verfahren hat zu einer Verurteilung Minciones wegen mehrerer Straftaten zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten geführt sowie zur Einziehung von 200,5 Millionen Euro. Gegen diese strafrechtliche Verurteilung wurde Berufung eingelegt. Die Entscheidung des Londoner Gerichts bestätigt jedoch mehrere Feststellungen des Vatikan-Tribunals in erster Instanz.
„Ich nehme mit Genugtuung den Inhalt der Entscheidung des High Court of Justice zur Kenntnis“, kommentierte der Kirchen- und „Staatsanwalt“ des Vatikans, Alessandro Diddi. „Auch die britischen Richter haben bestätigt, was das Amt (des vatikanischen Kirchenanwalts, Anm.) immer erklärt hat, nämlich dass Raffaele Mincione gegenüber dem Staatssekretariat ,unterhalb der Standards‘ gehandelt habe, an denen ein Verhalten nach Treu und Glauben gemessen wird. Ich glaube, dass dieses Urteil auch die Richtigkeit der Schlussfolgerungen des Vatikan-Tribunals unterstreicht.“