Der Prozess gegen die Templer
Eine Chronologie der Verfahren
Der Prozess gegen den Templerorden, der zwischen 1307 und 1312 stattfand, gehört zu den berüchtigtsten Justizskandalen des Mittelalters. Er umfasste fünf teils voneinander abhängige, teils parallel geführte Verfahren, die von König Philipp IV. und Papst Clemens V. initiiert wurden. Ziel war es, den Orden zu zerschlagen, dessen Reichtum zu konfiszieren und die Kontrolle über seine Besitztümer zu erlangen. Im Folgenden wird der Ablauf der Prozesse in seinen fünf Hauptphasen beschrieben.
I. Erstes Verfahren: Die Verhöre der königlichen Beamten (1307)
Das erste Verfahren begann unmittelbar nach dem Massenarrest der Templer am 13. Oktober 1307. König Philipp IV. ließ die Mitglieder des Ordens durch seine Beamten verhören. Grundlage der Anklage waren Vorwürfe, die im Arrestationsbefehl formuliert worden waren:
- Verleugnung Christi bei der Ordensaufnahme,
- Verunehrung des Kreuzes durch Bespucken,
- Götzendienst,
- unsittliche Küsse,
- Duldung von Sodomie.
Zur Erzwingung von Geständnissen wurde Folter angeordnet. Nur ein Geständnis der „verité“ (Wahrheit) konnte die Exkommunikation aufheben; eine Weigerung führte zur Hinrichtung. Die Protokolle dieser Verhöre sind heute nur bruchstückhaft überliefert. Nachdem diese Phase abgeschlossen war, übergab Philipp den Fall an die Inquisition.
II. Zweites Verfahren: Untersuchung durch die Inquisition (1307–1308)
Die französische Inquisition unter Leitung des Generalinquisitors Wilhelm Imbert führte die Ermittlungen fort. Diese Phase des Prozesses, die zwischen dem 19. Oktober und dem 24. November 1307 besonders intensiv war, war von der sogenannten summaria cognitio geprägt – einer verkürzten Verfahrensform, die in Häresieverfahren seit 1296 Anwendung fand.
Besondere Merkmale der summaria cognitio:
- Feinde und Exkommunizierte konnten als Zeugen zugelassen werden.
- Schriftliche Klagen waren nicht erforderlich.
- Anwälte der Angeklagten konnten zurückgewiesen werden.
Trotz dieser Umstände gelang es der Inquisition nicht, ausreichende Beweise für die vorgebrachten Anklagepunkte zu sammeln, weshalb Papst Clemens Anfang 1308 die Inquisition aussetzte.
III. Drittes Verfahren: Die Verhöre in Poitiers und Chinon (1308)
Vom 28. Juni bis 1. Juli 1308 tagte in Poitiers eine Kardinalskommission, die direkt von Papst Clemens eingesetzt wurde. Diese Phase des Prozesses fokussierte sich auf die Aussagen der Templer als Zeugen über den gesamten Orden, nicht nur über ihre persönlichen Handlungen.
Ein bemerkenswertes Ereignis dieser Phase war die Vernehmung der Ordenswürdensträger in der Festung von Chinon durch die Kardinalskommission im August 1308. Hierbei wurden die Anklagepunkte aus den vorherigen Verfahren erneut geprüft. Die Exkommunikation wurde jedoch nur aufgehoben, wenn die Angeklagten ihre vorherigen Geständnisse bestätigten.
IV. Viertes Verfahren: Die internationalen Inquisitionsverfahren (1308–1311)
Mit der Bulle Subit assidue leitete Papst Clemens ein kirchliches Verfahren ein, das auf internationaler Ebene durchgeführt wurde. Dieses Verfahren wurde von Bischöfen, Erzbischöfen und Inquisitionssachverständigen geleitet. Es zielte darauf ab, bisher nicht verhörte Ordensmitglieder zu befragen. Grundlage der Verhöre war ein umfangreiches Interrogatorium mit 88 Anklagepunkten.
Die Durchführung variierte stark zwischen den einzelnen Provinzialkommissionen, deren Protokolle nur teilweise erhalten sind. Diese Phase des Prozesses endete in den Vorbereitungen für das Konzil von Vienne.
V. Fünftes Verfahren: Die Generalkommission und das Konzil von Vienne (1309–1312)
Am 12. November 1309 konstituierte sich die Generalkommission in Paris, die sich ausschließlich mit der Untersuchung des Ordens als Gesamtheit befasste. Ihr Ziel war es, Material für das geplante Konzil von Vienne zu sammeln und Verteidiger des Ordens zu benennen.
Die Generalkommission verwendete ein Interrogatorium mit 128 Anklagepunkten, um zu klären, ob der Orden als Ganzes häretisch war oder ob die vorgeworfenen Praktiken lediglich individuelle Missbräuche darstellten. Die Verhöre wurden in mehreren Etappen durchgeführt, wobei die meisten Protokolle aus dem Jahr 1310 stammen. Diese Phase endete mit der Auflösung des Ordens durch Papst Clemens V. im Jahr 1312 auf dem Konzil von Vienne.
Ein Justizskandal des Mittelalters
Der Templerprozess war geprägt von Folter, unklaren Verfahren und politischer Einflussnahme. Die Hauptanklagepunkte – Verleugnung Christi, Götzendienst, unsittliche Küsse und Sodomie – wurden durch die erzwungenen Geständnisse nicht ausreichend belegt, dennoch führte der Prozess zur Zerschlagung des Ordens. Das Hauptmotiv hinter den Verfahren war wohl weniger religiöser Eifer als vielmehr der Wunsch Philippes IV., die Reichtümer des Ordens an sich zu reißen. Die Templer bleiben ein Sinnbild für Machtpolitik unter dem Deckmantel religiöser Rechtfertigung.