Die Entstehung der Leibfeindlichkeit in der heutigen Kirche
Eine kritische Betrachtung
Die Leibfeindlichkeit in der heutigen Kirche ist ein Thema, das immer wieder diskutiert wird und viele Gläubige sowie Kirchenführer vor Herausforderungen stellt. Doch wie kam es eigentlich dazu, dass sich in der christlichen Lehre eine solche Abneigung gegen den Körper entwickelte? Um diese Frage zu beantworten, werfen wir einen Blick auf die Geschichte und die Entwicklung des Christentums.
Der Apostel Paulus, einer der einflussreichsten Figuren des frühen Christentums, war ein Pharisäer, ein gläubiger Jude und ein Schriftgelehrter. In seinen Briefen an die frühen Gemeinden legte er die Grundlagen für das christliche Glaubensverständnis. Interessanterweise findet sich in seinen Schriften keine Erwähnung eines Zölibats oder einer generellen Leibfeindlichkeit. Paulus selbst war verheiratet und sprach sich nicht gegen die Ehe oder die Sexualität aus.
Die Ursprünge der Leibfeindlichkeit in der christlichen Lehre sind vielmehr auf die Vermischung mit dem griechischen Denken zurückzuführen. In der Antike war Griechenland bekannt für seine Philosophen und Gelehrten, die eine dualistische Sichtweise auf den Menschen entwickelten. Sie trennten den Körper vom Geist und betrachteten den Körper als minderwertig und sündhaft, während der Geist als rein und erhaben angesehen wurde.
Diese dualistische Sichtweise fand ihren Weg in das frühchristliche Denken, insbesondere durch den Einfluss von Philosophen wie Platon und später auch durch die Kirchenväter. Die Idee, dass der Körper eine Quelle der Sünde sei und die Seele von ihm befreit werden müsse, führte zu einer zunehmenden Ablehnung des Körpers in der christlichen Theologie.
In den folgenden Jahrhunderten wurde die Leibfeindlichkeit weiter ausgebaut und institutionalisiert. Das Zölibat wurde im Mittelalter für Priester zur Pflicht, und die Kontrolle über die Sexualität wurde zu einem wichtigen Thema in der Kirche. Diese Entwicklung führte zu einer tiefen Spaltung zwischen Körper und Geist in der christlichen Lehre.
Die griechisch geprägte Leibfeindlichkeit erreichte in der Renaissance und der Reformation ihren Höhepunkt, als die Kirche versuchte, sich von „weltlichen“ Einflüssen zu distanzieren und die Askese und Selbstkasteiung in den Vordergrund stellte. Dies führte zu zahlreichen Missständen und Konflikten innerhalb der Kirche.
Es ist wichtig zu betonen, dass nicht alle Strömungen des Christentums die Leibfeindlichkeit unterstützen. Es gibt innerhalb der Kirche auch heute noch viele Gläubige und Theologen, die eine positivere Sicht auf den Körper vertreten und die Bedeutung der menschlichen Sexualität anerkennen. Die katholische Kirche hat in den letzten Jahren auch begonnen, einige Reformen in Bezug auf das Zölibat und die Sexualmoral zu diskutieren.
Insgesamt ist die Leibfeindlichkeit in der heutigen Kirche das Ergebnis einer historischen Entwicklung, die auf die Vermischung von christlicher Lehre und griechischem Denken zurückzuführen ist. Es ist wichtig, diese Entwicklung kritisch zu betrachten und zu hinterfragen, um zu einer ausgewogeneren und menschenfreundlicheren Theologie zu gelangen, die die Ganzheit des Menschen würdigt und respektiert.