Ist die Evolutionslehre eine Religion?
Eine Klage sagt ja
Ist die Evolutionstheorie für den Unterricht in Schulen geeignet? Diese Frage hat eine Familie in Indiana zum Kernpunkt einer Klage gemacht, die sie gegen das Indiana State Board of Education, den Indiana Secretary of Education und ihren örtlichen Schulbezirk eingereicht hat. Ihr Ziel: Die Evolutionstheorie vollständig aus dem naturwissenschaftlichen Unterricht öffentlicher Schulen zu verbannen. Sie argumentieren, dass die Evolution keine wissenschaftliche Theorie, sondern eine „atheistische Religion“ sei – und somit nicht in Schulen gelehrt werden dürfe.
Die Argumentation der Kläger
Die Eltern Jason und Jennifer Reinoehl aus Indiana behaupten, dass die Lehre der Evolutionstheorie einen Verstoß gegen die Establishment Clause der US-Verfassung darstellt, die die Trennung von Kirche und Staat garantiert. Sie sehen in der Evolutionstheorie eine Förderung des Atheismus und damit eine Art religiöser Indoktrination.
In der Klageschrift heißt es, dass der naturwissenschaftliche Lehrplan, der die Lehre der Evolution vorschreibt, ihre Tochter Sarah zwinge, „eine atheistische Ursprungsgeschichte“ als wissenschaftliche Wahrheit zu akzeptieren. Dies sei ein klarer Widerspruch zu ihren christlichen Glaubensüberzeugungen. Die Reinoehls argumentieren, dass ihre Kinder durch die Lehre der Evolution „Schmerz und Leid“ erfahren hätten, weil sie gezwungen seien, religiöse Überzeugungen zu lernen, die den ihren widersprechen.
Evolution: Wissenschaft oder Glaube?
In der 35 Seiten umfassenden Klageschrift wird die Evolutionstheorie nicht nur als Religion dargestellt, sondern auch in ihrer wissenschaftlichen Glaubwürdigkeit stark infrage gestellt. Die Kläger argumentieren, dass die Evolutionstheorie „von Natur aus religiöser und nicht wissenschaftlicher Natur“ sei. Dabei greifen sie grundlegende Aspekte der Evolution, wie Fossilienfunde und Kohlenstoffdatierung, direkt an.
Interessant ist, dass die Reinoehls in ihrer Argumentation sogar darauf hinweisen, dass die Evolutionstheorie einst „zusammen mit der Eugenik gelehrt“ wurde, um zu beweisen, dass sie aus den Schulbüchern gestrichen werden sollte. Ihre Hauptbehauptung bleibt jedoch, dass die Evolutionstheorie eine Religion sei, da sie von nicht überprüfbaren Annahmen über den Ursprung des Lebens ausgehe.
„Die Evolution verleiht der Natur sowohl Intelligenz als auch übernatürliche Macht, ein Tier von einem anderen zu unterscheiden und auszuwählen“, so die Klageschrift. Diese Argumentation führt dazu, dass die Evolutionstheorie als „religiöser Ursprungsmythos“ bezeichnet wird, der im Widerspruch zu den bekannten Naturgesetzen stehe.
Was sagen die Gerichte?
Ein Bundesgericht wies die Klage zurück und entschied, dass die Lehre der Evolutionstheorie keinen Verstoß gegen die Establishment Clause darstellt. Richterin Sarah Evans Barker erklärte, dass es den Klägern nicht gelungen sei, nachzuweisen, dass Evolution und Atheismus als Religionen betrachtet werden könnten.
In ihrer Entscheidung zitierte die Richterin das Urteil des Falls McLean v. Arkansas Bd. of Ed. aus dem Jahr 1982, in dem es hieß: „In der Rechtsprechung und vielleicht auch im gesunden Menschenverstand ist klar festgelegt, dass die Evolutionstheorie keine Religion ist und dass die Lehre der Evolution nicht gegen die Establishment Clause verstößt.“ Dies bedeutet, dass die Evolutionstheorie als wissenschaftliche Theorie anerkannt wird und nicht als religiöse Lehre betrachtet werden kann.
Das Gericht befand außerdem, dass der Anspruch der Kläger rechtlich unbegründet sei, da sie nicht glaubhaft machen konnten, dass die Evolutionstheorie die Etablierung einer Religion darstellt. Damit wurde die Klage abgewiesen.
Ein anhaltender Streit
Es bleibt offen, ob die Reinoehls gegen das Urteil Berufung einlegen werden. Sicher ist jedoch, dass diese Klage ein Beispiel für eine breitere Bewegung ist, die versucht, die Evolutionstheorie aus dem Unterricht zu verbannen. Diese Bewegung argumentiert, dass die Evolutionstheorie eine Weltanschauung ist, die im Widerspruch zu bestimmten religiösen Überzeugungen steht und daher nicht an Schulen gelehrt werden sollte.
Obwohl Gerichte in den USA wiederholt entschieden haben, dass die Evolutionstheorie wissenschaftlich fundiert und keine Religion ist, gibt es weiterhin Gruppen, die diesen Standpunkt ablehnen. Ihre Argumentation spiegelt eine tiefere gesellschaftliche Debatte wider: Die Rolle der Wissenschaft im öffentlichen Bildungssystem und der Umgang mit religiöser Vielfalt.
Der Streit um die Evolutionstheorie zeigt, wie stark der Konflikt zwischen Glauben und Wissenschaft in den USA nach wie vor ist. Es bleibt abzuwarten, wie sich dieser Konflikt in Zukunft weiterentwickeln wird – doch vorerst bleibt die Evolutionstheorie fester Bestandteil des naturwissenschaftlichen Unterrichts.