Symbolik der Templer
Zwischen mittelalterlicher Welterklärung und moderner Mystifizierung
In der öffentlichen Wahrnehmung werden den Templern oft tief verborgene Geheimnisse und eine besondere Symbolsprache zugeschrieben. Doch ein nüchterner Blick auf die erhaltenen Bauwerke und Ausstattungen der Templerkirchen offenbart ein ganz anderes Bild: Es gibt keine exklusiv dem Templerorden zuzuordnende Symbolik, die sich eindeutig und nachweislich von jener des mittelalterlichen katholischen Kosmos abhebt.
Kreisformen im Weltbild des Mittelalters
Ein besonderes Augenmerk verdienen die Kreis- und Rosettenornamente in den Templerkirchen von San Bevignate (Perugia) und Montsaunes (Südfrankreich). Diese geometrischen Elemente werden oft vorschnell als „Templersymbole“ bezeichnet, lassen sich jedoch problemlos in die allgemeine mittelalterliche Bildsprache einordnen. In den Wand- und Deckenmalereien finden sich stilisierte Kreise, Rosetten und Sterne, die keineswegs eine exklusive Templer-Symbolik tragen.
Diese Formen stehen vielmehr in der Tradition der antiken Vier-Elemente-Lehre, wie sie etwa durch Isidor von Sevilla in zahlreichen Handschriften überliefert wurde. Die Vorstellung einer wechselseitigen Beziehung von Makrokosmos (Welt, Natur) und Mikrokosmos (Mensch) ist ein zentrales Denkmuster mittelalterlicher Welterklärung, das seinen Ursprung bereits in den philosophischen Systemen von Platon und Aristoteles hat.
Elemente, Jahreszeiten und das Kreuz
Die vier Elemente – Feuer, Wasser, Luft und Erde – galten als Grundbausteine der Schöpfung. Ihre jeweiligen Eigenschaften (z. B. Wasser = kalt und feucht, Erde = trocken und kalt) bestimmten nicht nur physikalische Vorgänge, sondern auch die Jahreszeiten, die menschlichen Temperamente und Lebensalter. Diese symbolische Ordnung wurde von christlichen Denkern wie Hrabanus Maurus im 8. Jahrhundert spirituell vertieft: Er setzte die Elemente mit den vier Enden des Kreuzes in Beziehung und schuf so einen theologischen Rahmen für die Deutung der Natur als göttliche Offenbarung.
Die sogenannte „Templerrosette“ – ein universelles Ornament
Ein besonders häufig fehlgedeutetes Motiv ist die sechsstrahlige Rosette, die oft als „Templerrosette“ bezeichnet wird. Diese Form ist jedoch kein exklusives Erkennungszeichen des Ordens. Vielmehr handelt es sich um ein antikes und weit verbreitetes Symbol, das sich bereits im 4. Jahrhundert bei koptischen Christen, im 7. Jahrhundert bei den westgotischen Bauwerken Spaniens und in bedeutenden Sakralbauten wie der Kathedrale von Pisa, der Kathedrale von Die oder der Westminster Abbey wiederfindet. Dort steht sie für die Vielgestaltigkeit der Schöpfung, für den Sternenhimmel oder fungiert als dekoratives Hintergrundelement.
Grabplatten und der Mythos des Templersymbolismus
Auch vermeintlich „templerische“ Symbole wie Kreuze, Schwerter, Schilde oder Helme auf Grabplatten sind nicht spezifisch dem Templerorden zuzurechnen. Solche Motive waren im Hochmittelalter weit verbreitet und fanden sich bei Rittern aller Herkunft und Orden. Die Vorstellung, bestimmte Bauwerke anhand solcher Symbole dem Templerorden zuweisen zu können, beruht meist auf einer modernen romantisierenden Deutung, die entweder aus einer Unkenntnis mittelalterlicher Ikonographie resultiert oder auf rückprojizierten freimaurerischen Vorstellungen beruht, wie sie im 18. und 19. Jahrhundert populär wurden.
Das einzig authentische Symbol
Inmitten all der Mythen bleibt nur ein einziges authentisch überliefertes Symbol des mittelalterlichen Templerordens übrig: Zwei Ritter auf einem Pferd. Dieses Bild, das auf Siegeln und in schriftlichen Quellen des Ordens erscheint, steht symbolisch für Brüderlichkeit, Armut und den militärisch-mönchischen Charakter des Ordens. Es verweist auf den Ursprung des Ordens als Gemeinschaft armer Ritter, die sich gegenseitig unterstützen und gemeinsam in den Dienst Gottes stellen.
Fazit: Symbolik ohne Geheimcode
Die Symbolik der Templer ist keine geheime Bildsprache, sondern Teil der breiten spirituellen und naturphilosophischen Tradition des Mittelalters. Ihre Bauwerke und Ornamente fügen sich in den damaligen Weltdeutungsrahmen ein – ohne exklusiven Code, aber mit einer tiefen Einbettung in das christlich-antike Verständnis von Ordnung, Natur und Transzendenz. Wer die Templer wirklich verstehen will, muss nicht nach verborgenen Zeichen suchen – sondern ihre Welt mit den Augen des Mittelalters sehen.