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Was wissen wir heute über die Heilsalben im Mittelalter?

Von Klostermedizin, Kräuterwissen und alchemistischen Rezepturen

Im Mittelalter war Krankheit ein ständiger Begleiter des Alltags – sei es durch schlechte hygienische Verhältnisse, harte körperliche Arbeit oder kriegerische Auseinandersetzungen. In dieser Zeit war die medizinische Versorgung auf dem Land rudimentär, Ärzte rar, das Vertrauen in die heilende Kraft der Natur umso größer. Eine besondere Rolle spielten dabei Heilsalben, die aus Kräutern, Fetten, Harzen und manchmal auch geheimnisvollen Zusätzen zubereitet wurden.

Was wissen wir heute über diese mittelalterlichen Salben? Welche Zutaten wurden verwendet? Und wie wirkungsvoll waren sie wirklich?

1. Ursprung und Träger des Wissens

Das Wissen um Heilsalben war im Mittelalter vor allem in Klöstern, bei Hebammen, Badermeistern und weisen Frauen zu finden. Klöster wie das berühmte Benediktinerkloster in Monte Cassino oder das Kloster Lorsch in Deutschland entwickelten regelrechte „Klosterapotheken“. Dort wurden nicht nur Heilpflanzen kultiviert, sondern auch Rezepturen systematisch aufgeschrieben.

Besonders einflussreich war das Werk „Physica“ der heiligen Hildegard von Bingen (1098–1179), das viele Anwendungen und Rezepturen enthält – von der Heilsalbe gegen Gicht bis zur Wundcreme bei Schnitten und Geschwüren.

2. Zutaten und Zubereitung

Heilsalben bestanden im Wesentlichen aus drei Grundkomponenten:

  • Fett oder Öl als Trägersubstanz: Schweineschmalz, Gänsefett, Bienenwachs oder Olivenöl
  • Heilpflanzen oder Pflanzenauszüge (frisch oder getrocknet): z. B. Ringelblume, Beinwell, Salbei, Schafgarbe, Wacholder, Baldrian
  • Zusätze wie Harze (z. B. Weihrauch, Myrrhe), Metalle (Bleiweiß, Quecksilber), Mineralien (Schwefel, Alaun) oder alchemistische Ingredienzen

Die Zubereitung erfolgte meist in mehreren Schritten:
Zuerst wurde das Fett geschmolzen, dann wurden die zerkleinerten Pflanzen darin erhitzt oder eingelegt, um ihre Wirkstoffe zu extrahieren. Nach dem Abkühlen wurde die Masse durch ein Tuch gefiltert und bei Bedarf mit Bienenwachs eingedickt.

3. Heilwirkungen – traditionell und modern betrachtet

Aus heutiger Sicht lässt sich bei vielen mittelalterlichen Heilsalben eine tatsächliche medizinische Wirkung nachweisen:

  • Ringelblume (Calendula) wirkt entzündungshemmend und fördert die Wundheilung
  • Beinwell (Symphytum) hilft bei Verstauchungen und Knochenbrüchen (daher der Name „Bein-well“)
  • Schafgarbe hat krampflösende und antibakterielle Eigenschaften
  • Wacholderöl lindert rheumatische Beschwerden
  • Propolis und Bienenwachs wirken keimtötend und konservierend

Allerdings gab es auch Rezepturen, deren Wirkung aus heutiger Sicht kritisch zu bewerten ist – etwa Salben mit Schwermetallen, Tiergewebe oder okkulten Zutaten wie „Mumienpulver“, das aus menschlichen Überresten gewonnen wurde und in der Spätantike und Renaissance sehr begehrt war.

4. Salben und Spiritualität

Heilsalben waren im Mittelalter nicht nur rein medizinische Mittel, sondern häufig auch spirituelle Werkzeuge. Sie wurden unter Gebeten oder Segnungen zubereitet, und ihre Wirkung sollte nicht nur körperliche, sondern auch „geistige“ Reinigung und Heilung bewirken.

In manchen Klöstern wurde sogar auf die Mondphasen geachtet oder alchemistische Prinzipien angewendet – etwa die Zuordnung von Kräutern zu Planeten oder Elementen. Salben wurden damit Teil einer umfassenden kosmologischen Heilphilosophie, die den Menschen als Teil eines göttlichen Ganzen verstand.

5. Überlieferung und Wiederentdeckung

Viele der alten Rezepte wurden in sogenannten „Hausbüchern“, Kräuterbüchern oder Apothekerschriften überliefert. Einige dieser Werke sind heute noch erhalten – etwa das Lorscher Arzneibuch (um 800 n. Chr.), das als ältestes medizinisches Werk Deutschlands gilt.

In den letzten Jahrzehnten erlebt das alte Wissen eine Renaissance. Naturheilkundler, Historiker und Heilpraktiker studieren die mittelalterlichen Quellen und setzen das überlieferte Wissen neu um – teilweise mit modernen wissenschaftlichen Studien zur Wirksamkeit der Pflanzenstoffe.

Fazit

Die Heilsalben des Mittelalters waren ein Spiegel der damaligen Welt – eine Mischung aus praktischem Naturwissen, spiritueller Weltsicht und oft erstaunlicher medizinischer Weitsicht. Manche Rezepte erscheinen aus heutiger Sicht fragwürdig, andere wirken bis heute – und sind Grundlage für moderne Naturkosmetik, Salben und Hausmittel.

In einer Zeit, in der viele Menschen sich wieder auf natürliche Heilmethoden besinnen, lohnt sich ein Blick zurück:
Denn manchmal liegt in den Salben von gestern die Weisheit von morgen.

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