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Wie historische Quellen missbraucht werden

Ideologie versus Wissenschaft

Die Geschichtswissenschaft hat die Aufgabe, historische Ereignisse und Strukturen auf Grundlage von Quellen zu analysieren und zu interpretieren. Doch nicht selten wird die Vergangenheit umgedeutet, um politische oder ideologische Ziele zu untermauern. Historische Quellen werden dabei nicht als Werkzeuge der Erkenntnis genutzt, sondern als Steinbruch, aus dem sich Argumente beliebig herausbrechen lassen. Ein aktuelles Beispiel für diesen Missbrauch ist die angebliche „Rehabilitierung“ des Templerordens.

Sensationslust und Quellenkritik

Wie Andreas Zajic, Experte für mittelalterliche Urkunden an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, betont, ist Vorsicht besonders bei mythenbeladenen Themen geboten. Der Templerorden, dessen Auflösung durch Papst Clemens V. im Jahr 1312 beschlossen wurde, ist ein Paradebeispiel. Seit Jahrhunderten ranken sich Legenden um den Orden, die von Schatzsuchen bis hin zu Verschwörungstheorien reichen.

Ein aktueller Fall zeigt, wie diese Mythen für fragwürdige „wissenschaftliche“ Sensationen genutzt werden: An der Universität Salzburg wurde im Rahmen des „Salzburg International Templar Studies Network“ die These aufgestellt, die Auflösung des Templerordens sei „ungültig“ gewesen. Diese Aussage, begleitet von einer medienwirksamen Aussendung, suggeriert, dass der Papst den Orden heute rehabilitieren könnte.

Doch wie Zajic klarstellt, mangelt es den zugrunde liegenden Arbeiten an wissenschaftlicher Substanz. Fehlerhafte Transkriptionen, grundlegende Missverständnisse und mangelnde Kompetenz im Umgang mit mittelalterlichen Quellen offenbaren gravierende handwerkliche Mängel. „Mittelalterliche Quellen muss man handhaben können“, betont Zajic und kritisiert die unzureichende Methodik.

Das „Vetorecht der Quellen“

Peter Becker vom Institut für österreichische Geschichtsforschung plädiert für einen ergebnisoffenen Umgang mit Quellen. Er zitiert Reinhart Koselleck, der vom „Vetorecht der Quellen“ sprach: Historische Dokumente und Artefakte dürfen nicht beliebig interpretiert werden, um vorgefasste Meinungen zu stützen. Ihre adäquate Analyse setzt technisches Know-how und tiefes historisches Verständnis voraus.

Der Missbrauch von Quellen entsteht oft durch eine ideologisch oder wirtschaftlich motivierte Verzerrung. Dies zeigt sich deutlich im Salzburger Templerprojekt, das vom Land Salzburg mit 223.000 Euro gefördert wurde. Die Zielsetzung, die Templer zu rehabilitieren, steht im Widerspruch zu einer wissenschaftlichen Untersuchung, die sich an der Realität der historischen Belege orientiert.

Zwischen Wissenschaft und Hobbyforschung

Besonders problematisch wird es, wenn die Grenze zwischen akademischer Forschung und spekulativer Hobbyforschung verschwimmt. So sind am Templerprojekt nicht nur Universitätsangehörige beteiligt, sondern auch freischaffende „Archäologen“, die angebliche Templerskelette ausgegraben haben. Diese Aktivitäten finden regelmäßig medialen Widerhall, werden jedoch von Fachleuten wie Zajic als unwissenschaftlich eingestuft.

Fazit: Verantwortung im Umgang mit Geschichte

Der korrekte Umgang mit historischen Quellen ist nicht nur eine Frage der Methodik, sondern auch der Verantwortung. Geschichte hat eine enorme gesellschaftliche und politische Sprengkraft. Sie kann aufklären und verbinden, aber auch missbraucht werden, um zu spalten und Mythen zu legitimieren.

Die Geschichtswissenschaft steht daher vor der Aufgabe, den Missbrauch historischer Quellen entschieden zu bekämpfen. Nur durch strenge Quellenkritik, solide Methodik und ergebnisoffene Forschung kann sie ihrem Anspruch gerecht werden, die Vergangenheit in ihrer Komplexität zu beleuchten und als Grundlage für unser Verständnis der Gegenwart zu dienen.

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