Eine Reise in die Vergangenheit und Gegenwart
Als Kind verbrachte ich viele Stunden an der Hand meines Großvaters, die Stadt und das Staunen entdeckend. Heute, als Großvater selbst, begleite ich meine Enkelin auf ähnlichen Wegen und lasse die Vergangenheit lebendig werden. Die Leopoldstadt hat sich verändert, doch ihre Essenz bleibt erhalten. Die Ruinen des Nordwestbahnhofs, der einstige jüdische Pazmanitentempel und der 24er-Wagen, der dereinst zum Gänsehäufel, Wiens prominentestem Freibad, führte, sind verschwunden. Doch in meinen Erinnerungen sind sie noch präsent und erzählen von einer anderen Zeit.
Die vergessenen Gassen der Leopoldstadt
Während wir durch die Gassen schlendern, entdecke ich Orte, die längst aus dem Stadtbild verschwunden sind, aber in meiner Erinnerung weiterleben. Der Nordwestbahnhof, einst ein geschäftiger Ort, liegt heute in Ruinen. Doch ich erinnere mich an die Züge, das Stimmengewirr und das geschäftige Treiben, das diesen Ort prägte. Der jüdische Pazmanitentempel, ein Symbol für die jüdische Gemeinde, existiert nur noch in meinem Gedächtnis. Diese Orte sind verschwunden, aber sie bleiben ein Teil meiner Geschichte und der Geschichte dieses Bezirks.
Menschen und Geschichten
In diesen Straßen begegnete ich selbstbewussten Tanten, die ihre Geschichten erzählten, und der Gestalt eines berühmten Freistilringers, des Nachbarn meines Großvaters im Miethaus in der kleinen unscheinbaren Gasse in der Nähe des Pratersterns. Diese Menschen, die einst mein Leben bereicherten, tauchen aus dem Meer des Vergessens auf und begleiten mich auf meinem Spaziergang. Sie sind Teil meiner Heimat, einer Heimat, die ohne den Prozess des Erinnerns undenkbar wäre.
Heimat und Erinnern
Heimat ist mehr als nur ein geografischer Ort. Heimat ist eng mit dem Prozess des Erinnerns verbunden. Es sind die Erinnerungen, die einem Ort seine Bedeutung und Tiefe verleihen. Ohne Erinnerungen wäre Heimat ein leeres Konzept, ein Ort ohne Geschichte und ohne Seele. Die Leopoldstadt ist für mich ein Ort voller Erinnerungen – Erinnerungen an meine Kindheit, an die Menschen, die mich geprägt haben, und an die Geschichten, die mir erzählt wurden.
Die doppelte Zeit: damals und heute
Die doppelte Zeit – damals und heute – ermöglicht es mir, die Leopoldstadt aus zwei Perspektiven zu sehen. Während ich heute durch die Straßen gehe, sehe ich die Veränderungen und die Kontinuitäten. Ich sehe die neuen Gebäude und die renovierten Fassaden, aber auch die Spuren der Vergangenheit, die in den alten Steinen und Pflastersteinen eingebettet sind. Diese doppelte Zeit erlaubt es mir, eine tiefere Verbindung zu diesem Ort zu spüren und die Veränderungen zu akzeptieren, ohne die Vergangenheit zu vergessen.
(Von einem Bewohner des Bezirks)