Pei-Ming porträtiert Gefängnisinsassen
Die Grenzen zwischen Innen und Außen verschwimmen zu lassen und so ein Gefühl der Gemeinschaft zu schaffen: Diese Erfahrung wollte der chinesische Künstler Pei-Ming mit seinen Porträts der Häftlinge im römischen Gefängnis Regina Coeli vermitteln. Sein Werk wird derzeit in der Ausstellung „Conciliazione 5“ gezeigt.
Für ihn sei es eine Erfahrung gewesen, die er „nie vergessen“ werde, so der in Shanghai geborene und in Frankreich ausgebildete Künstler Yan Pei-Ming sichtlich bewegt bei seiner Ankunft im Gefängnis Regina Coeli am Tag vor der Eröffnung der Ausstellung, um den Häftlingen die entstandenen Werke zu zeigen. Die Menschen, die er während seiner wochenlangen Arbeit von Fotos abgezeichnet hat, habe er beim Überschreiten der Schwelle „sofort“ wiedererkannt, berichtet er im Gespräch mit Vatican News:
„Ich habe mit ihnen einen Monat lang auf Distanz zusammengelebt. Und jetzt waren sie da, ich habe sie am Eingang gesehen und gedacht, ah, das ist er…“, so der Künstler, der für die Häftlinge ein besonderes künstlerisches Interesse hegt: „Aber nicht nur sie, sondern alle Menschen im Gefängnis, alle zusammen. Da gibt es die Wärter, die Freiwilligen, den Priester, die Ärzte… Das gibt dem Gefängnis eine andere Perspektive. Denn im Gefängnis kann es nicht nur die Häftlinge geben, da sind die Menschen drum herum, eine Gemeinschaft…“
Hoffnung für unsere Menschlichkeit
Das Heilige Jahr, das die katholische Kirche aktuell begeht und das den Grund für diese ungewöhnliche künstlerische Zusammenarbeit darstellt, bezeichnet Yan Pei-Ming als „Hoffnung für unsere Menschlichkeit“.
„Die Kunst ist bedeutsam, denn die Menschheit vergeht, die Kunst bleibt. Das bedeutet, dass Kunst ewig sein kann, viel länger als unsere Menschlichkeit. Denn unser Leben ist sehr kurz.“
Kunst könne also der Vergänglichkeit trotzen, müsse sich aber auch der kriegerischen Zerstörung der Welt widersetzen: „Die Welt wird von blutigen Konflikten zerrissen, die das menschliche Gesicht entstellen“, so Yan Pei-Ming. „Natürlich ist die heutige Welt eine Katastrophe. Und auch unsere Menschlichkeit ist in Gefahr. Wo der Mensch existiert, existiert der Konflikt. Das ist seit Jahrhunderten so, seit dem Beginn unserer Menschheit. Es gab immer Krieg, daher ist es schwierig, das zu verhindern. Aber es müssen immer Anstrengungen unternommen werden, um eine zerstörerische Katastrophe für unsere Menschheit zu verhindern.“
Eine Ausstellung, die Grenzen verschwimmen lässt
Die Ausstellung wurde vom Dikasterium für Kultur an der Via Conciliazione 5 – an der Straße, die zum Vatikan führt – eingerichtet und anlässlich des Heiligen Jahrs für Künstler eröffnet. Die Bilder sind nicht nur im Innenraum der Via Conciliazione 5 zu sehen, sondern sie werden auch an die Fassade des Gefängnisses projiziert, um die Grenzen zwischen der Außenwelt und den Insassen verschwimmen zu lassen. Der Betrachter bleibt jeweils an der Schwelle stehen, kann also nicht in den Innenraum der Ausstellung eintreten, doch die Projektion und die Bilder verbinden Insassen und Außenstehende in einer eigenen Form des Dialogs.
Pei-Ming sagte uns, dass ihm die Erfahrung, die Gesichter von Gefängnisinsassen zu porträtieren, nicht ganz neu ist: 1997 verbrachte er eine Woche in einem französischen Frauengefängnis, wo er mit den Insassinnen in eine Art Workshop eintauchte und Aspekte des Alltagslebens malte. Bei diesem Heilig-Jahr-Projekt konnte er jedoch nicht in direktem Kontakt mit den Insassen arbeiten, sondern musste seine Porträts auf Distanz erstellen. Die gesamten Weihnachtsferien habe er gearbeitet, bis zu 15 Stunden am Tag, um schließlich 27 statt der ursprünglich 12 in Auftrag gegebenen Porträts abzugeben. „Jede künstlerische Arbeit basiert eigentlich auf dem Porträtieren“, bemerkt Yan, „auch wenn es nicht so aussieht.“
„Normalerweise geht man in Museen, um die Bilder von berühmten Künstlern zu sehen, also, dann das eigene Porträt zu sehen, ist wirklich beeindruckend“, sagt uns eines der Modelle, die Pei-Ming abgebildet hat und das nach einer siebenjährigen Haftstrafe kurz vor der Entlassung steht. Ihm sei es niemals auch nur im Traum eingefallen, dass ihm so etwas hätte passieren können: „Man muss immer auf etwas Besseres hoffen, wenn man die Hoffnung verliert, verliert man auch den Lebenswillen. Wir hoffen auf eine bessere Zukunft.“
Mit Hilfe eines chinesischstämmigen Häftlings, der sich bereit erklärte, den Anwesenden eine kurze Übersetzung zu geben, wurde bei der Vorstellung der Porträts im Gefängnis die verwendete Technik erläutert: Aquarellieren mit sehr langen Pinseln, mit auf dem Boden ausgelegtem Karton, ohne Vorzeichnung. Die Gesichter einer Gemeinschaft wurden so rekonstruiert, „um ihnen Würde zu verleihen“, präzisierte die Kuratorin der Ausstellung, Cristiana Perrella.