Ruspaglia – Die Templerkomturei im Piemont
Ein vergessenes Haus des Ordens nordwestlich von Turin
Die Spuren der Templer in Italien sind zahlreich, doch manche ihrer Niederlassungen sind nur durch verstreute Quellen zu greifen. Eine dieser Stätten ist Ruspaglia, im Gebiet des Canavese, nördlich von Turin gelegen. Ihre Geschichte verbindet sich mit der Familie der Grafen von Biandrate, einer einflussreichen Dynastie, die nicht nur in den norditalienischen Kommunalfehden eine Rolle spielte, sondern auch an mehreren Kreuzzügen teilnahm und im Heiligen Land zeitweise politisches Gewicht besaß.
Ursprung und Schenkung
Nach den spärlich erhaltenen Nachrichten verdankt Ruspaglia seine Entstehung vermutlich einer umfangreichen Schenkung der Grafen von Biandrate. Belegt ist dies nicht durch ein zeitgenössisches Dokument, sondern durch das Werk De origine gentilium sorum et rerum successoribus des Guido de Biandrate, Mitglied der Familie und zugleich Angehöriger des Johanniterordens. Das Werk, das 1513 gedruckt wurde, erwähnt, dass die Templer 1174 große Besitzungen im Raum Ruspaglia, Canavese und San Giorgio erhielten.
Zu den übergebenen Gütern gehörte auch eine bereits ältere, der Gottesmutter geweihte Kirche, die damit in die Obhut des Ordens gelangte. Guido de Biandrate dürfte als Johanniter Zugang zu heute verlorenen oder nicht mehr auffindbaren Originalurkunden gehabt haben, was seinem Bericht ein besonderes Gewicht verleiht.
Schutz und Bedeutung
Die Quellenlage zu Ruspaglia ist äußerst dünn. Es ist anzunehmen, dass die Besitzungen wie auch das Ordenshaus unter den Kämpfen der umliegenden Stadtkommunen litten und Schäden davontrugen. 1222 wird überliefert, dass der Provinzmeister der Templer in Italien/Lombardei den Komtur von Vercelli beauftragte, den Schutz des Hauses von Ruspaglia zu gewährleisten.
Dies zeigt, dass die Niederlassung für den Orden von Bedeutung war. Spätestens in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts war Ruspaglia selbständige Komturei, da ein dortiger Komtur in den Teilnehmerlisten eines Provinzkapitels in Piacenza genannt wird.
Übergang an die Johanniter
Nach der Auflösung des Ordens in den Jahren nach dem Prozess gegen die Templer gingen Kirche und Besitzungen an die Johanniter über. Diese widmeten die Kirche neu auf den Heiligen Jakobus. Noch im 18. Jahrhundert erwähnt ein Visitationsbericht die „Kirche des heiligen Jakobus“ und einen Hof, der als „La Comenda“ bezeichnet wurde – ein deutlicher Hinweis auf die fortdauernde Erinnerung an die frühere Komturei.
Niedergang und Wiederherstellung
Die Kirche bestand die Jahrhunderte hindurch, doch das Schicksal der Stätte blieb wechselvoll. 1991 erlitt das Bauwerk durch Vandalismus schwere Beschädigungen. Die Restaurierung dauerte fast zwei Jahrzehnte, bis die Arbeiten 2009 abgeschlossen waren.
Heute erinnert die Jakobuskirche mit dem angrenzenden ehemaligen Ordenshof still an eine der vergessenen Niederlassungen der Templer im Piemont. Ruspaglia steht beispielhaft für jene Orte, deren Geschichte fast im Dunkel der Vergangenheit verschwunden wäre – wären da nicht wenige verstreute Quellen und die beständige Erinnerung an das Wirken der Tempelritter in Italien.
