✠✠✠✠✠✠ ASTO TEMPLER-BLOG ✠✠✠✠✠✠

Über 100 Jahre problematische Ausbildung im Stift Heiligenkreuz

Das Stift Heiligenkreuz im Wienerwald ist eines der ältesten Zisterzienserklöster Europas – und ein Ort, an dem über Jahrhunderte hinweg nicht nur geistliche, sondern auch ideologische Prägungen stattfanden, deren Auswirkungen zum Teil erschreckend weit reichen. Ein besonders dunkles Kapitel beginnt Ende des 19. Jahrhunderts, mit einem Novizen, der später als Vordenker des Nationalsozialismus berüchtigt wurde: Jörg Lanz von Liebenfels.

Georg Lanz wird zum „Neutempler“

Der bürgerlich als Georg Lanz geborene Mann trat 1893 als Novize in das Stift Heiligenkreuz ein. In der klösterlichen Abgeschiedenheit durchlief er eine intensive Ausbildung in Theologie und Spiritualität. Doch diese geistige Schulung nahm einen gefährlichen Verlauf. Lanz’ theologischer Mentor und Ausbilder war Pater Nivard Schlögl, Professor für Altes Testament und orientalische Sprachen – und Novizenmeister des Stiftes.

Pater Nivard Schlögl – Mentor mit gefährlicher Gesinnung

Pater Nivard Schlögl war keine gewöhnliche Lehrerfigur. Als Novizenmeister war er verantwortlich für die spirituelle und intellektuelle Formung junger Mönche. Doch Schlögl war Verfechter rassistischer und antisemitischer Thesen, die er offenbar auch in seiner Ausbildungstätigkeit einfließen ließ. In Georg Lanz fand er einen empfänglichen Schüler – und prägte maßgeblich dessen spätere Weltanschauung.

Unter Schlögls Einfluss entwickelte Lanz eine frühantisemitische, pseudotheologische Sichtweise, in der biologistische Rassenlehre, Sexualfeindlichkeit und religiöser Fanatismus miteinander verschmolzen. Es war eine ideologische Saat, die bald Früchte trug – mit weitreichenden Folgen.

Die „Skulptur-Erfahrung“ – und der Austritt

Lanz selbst berichtet später, dass er im Stift auf eine mystische Steinskulptur gestoßen sei, die seine „Erleuchtung“ ausgelöst habe – ein angeblich uraltes Symbol „arischer Reinheit“ gegenüber „dämonischen Untermenschen“. Diese Erfahrung wurde für ihn zur Bestätigung seiner wachsenden Rassentheorien. 1899 verließ er das Kloster – nicht, weil man seine Ideen ablehnte, sondern weil er „seinen eigenen Orden“ gründen wollte.

Der neue Orden und die Ostara-Hefte

Kurz darauf gründete Lanz die „Neutempler-Ordensgemeinschaft“, die eine obskure Mischung aus Esoterik, Rassenlehre, Christentum und germanischer Mystik verbreitete. Sein Hauptmedium: die „Ostara“-Hefte, eine Reihe pseudowissenschaftlicher, rassistischer und frauenfeindlicher Broschüren, die bald auch in Kreisen gelesen wurden, die später den Nationalsozialismus formten – darunter Adolf Hitler selbst.

Lanz wurde später als „der Mann, der Hitler seine Ideen brachte“ bezeichnet. Nach Hitlers Machtübernahme erhielt Lanz jedoch ein Schreibverbot – der Ursprung der NS-Ideologie sollte nicht auf einen esoterischen Sonderling mit monastischer Vergangenheit zurückverfolgt werden können.

Beispielhaft: Ostara-Heft Nr. 33

Ein Blick in das Heft Nr. 33, betitelt „Die Gefahren des Frauenrechts und die Notwendigkeit des Männerrechts“, zeigt die zutiefst frauenfeindliche Ideologie, die Lanz vertrat. Darin heißt es etwa:

„Diejenigen, welche das Frauenrecht predigen und das Weib dem Manne in allem gleichstellen wollen, begehen ein Verbrechen an der Natur.“

Oder:

„Das Weib ist von Natur dem Manne untergeordnet, da es eine niedrigere Entwicklungsstufe darstellt.“

Auch groteske Aussagen wie:

„Schon die Menstruation ist ein Hindernis für öffentliche und anhaltende Berufsarbeit der Frau.“

Diese Gedanken offenbaren einen zutiefst entmenschlichenden Geist – und doch hatte Lanz auch weibliche Anhängerinnen in seinem Orden. Ein Widerspruch, der die irrationalen Dimensionen seiner Ideologie unterstreicht.

Was bleibt vom Stift Heiligenkreuz?

Dass ein solcher ideologischer Nährboden in einem katholischen Kloster entstanden ist, wirft Fragen auf – nicht nur über das frühe 20. Jahrhundert, sondern auch über die Kontinuität konservativer und extremistisch angehauchter Denktraditionen. Gerade vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen – etwa der Visitation durch den Vatikan aufgrund interner Missstände – zeigt sich, dass Heiligenkreuz nicht nur ein Ort der Liturgie, sondern auch der ideologischen Prägung ist.

Fazit

Die Ausbildung im Stift Heiligenkreuz war über ein Jahrhundert hinweg nicht nur theologisch, sondern auch weltanschaulich geprägt – mit teilweise radikalen, menschenverachtenden und pseudoreligiösen Ideologien, deren Nachwirkungen bis heute spürbar sind. Der Fall Lanz von Liebenfels und sein Mentor Pater Schlögl sind nur ein Beispiel für eine problematische Ausbildungsgeschichte, die es kritisch aufzuarbeiten gilt.

Schreibe einen Kommentar