Vermutliche Templer Niederlassungen in Deutschland 19
Nürnberg (Bayern)
Die Spurensuche nach den Tempelrittern in der freien Reichsstadt
Die Stadt Nürnberg war im Mittelalter ein herausragender Ort im politischen, wirtschaftlichen und religiösen Gefüge des Heiligen Römischen Reiches. Als freie Reichsstadt, bevorzugter Aufenthaltsort deutscher Könige und bedeutendes Zentrum für Handel und Handwerk zog Nürnberg eine Vielzahl geistlicher und weltlicher Gemeinschaften an. In diesem Umfeld ist es naheliegend, dass auch der sagenumwobene Templerorden (Ordo Pauperum Commilitonum Christi Templique Salomonis) hier präsent gewesen sein könnte – doch ein eindeutiger Nachweis fehlt bis heute.
Stattdessen deuten Flurnamen, mündliche Überlieferungen und archivische Hinweise auf eine mögliche, aber nicht gesicherte Templerpräsenz in Nürnberg hin. Der folgende Artikel fasst den aktuellen Forschungsstand zusammen und beleuchtet, welche Anzeichen für einen „Tempelhof“ in Nürnberg sprechen könnten – und wo sich Legende und Realität überlagern.
Nürnberg im Mittelalter – Ein geistlich geprägter Handelsplatz
Im 13. und 14. Jahrhundert zählte Nürnberg zu den wirtschaftlich mächtigsten Städten im Reich:
Sitz eines Königshofes und bevorzugter Aufenthaltsort der römisch-deutschen Könige
Bedeutendes Zentrum des Handels, der Münzprägung und des Handwerks
Heimat zahlreicher Klöster und geistlicher Einrichtungen, darunter Dominikaner, Franziskaner, Deutschherren, Benediktiner
Verkehrsknotenpunkt mit Routen nach Regensburg, Frankfurt, Prag und Augsburg
Zentrum des frühen deutschen Humanismus und Theologie
Dieses Umfeld machte Nürnberg zu einem potenziell attraktiven Standort für den Templerorden, der gezielt bedeutende Städte mit kirchlichem und wirtschaftlichem Einfluss auswählte, um seine Kommenden, Wirtschaftshöfe und Spendenstellen zu etablieren.
Indizien für eine Templerpräsenz in Nürnberg
1. Straßenname „Tempelstraße“ in der Altstadt
In alten Stadtplänen des 17. und 18. Jahrhunderts findet sich der Name „Tempelstraße“ in der Nähe des heutigen Johannisviertels, unweit der Deutschordenskirche St. Jakob. Diese Bezeichnung taucht zwar später nicht mehr offiziell auf, könnte aber auf einen früheren Ordenshof oder Besitz des Templerordens hinweisen.
2. Möglicher „Tempelhof“ außerhalb der Stadtmauern
Im Gebiet der heutigen Maxfeldstraße oder am Rande des Rosenauparks wird in manchen Chroniken des 16. Jahrhunderts ein „alter Hof der Tempelherren“ erwähnt, der einst außerhalb der mittelalterlichen Stadtmauer gelegen haben soll. Die Quelle stammt aus einer Beschreibung des Nürnberger Landgerichtsbezirks, in der mehrere verlassene Hofstellen gelistet werden – darunter auch ein Hof mit Bezug zum „Tempel“.
3. Verwechslung mit Johannitern oder Deutschherren
Sowohl die Johanniter als auch der Deutsche Orden hatten nachweislich Besitzungen in Nürnberg. Die Deutschherren errichteten hier im 13. Jahrhundert eine eigene Kirche und Komturei. Es ist denkbar, dass spätere Quellen diese mit den Templern verwechselten, insbesondere aufgrund der ähnlichen Kleidung und Aufgaben der Ritterorden.
Urkundliche Spuren – dünn, aber vorhanden
Eine Urkunde aus dem Jahr 1290 im Staatsarchiv Nürnberg erwähnt einen gewissen „frater Albertus de Templo“, der bei einer Schenkung an ein Nürnberger Kloster genannt wird. Ob es sich um einen Templer oder einen Vertreter eines anderen Ritterordens handelte, ist unklar.
In einem Besitzverzeichnis des Deutschordenshauses St. Jakob ist eine Liegenschaft mit dem Zusatz „ex Templo“ (aus dem Besitz des Tempels) aufgeführt – ein möglicher Hinweis auf eine Übertragung von Templergut nach 1312.
In Rechnungsbüchern der Stadt taucht im Jahr 1314 eine Zahlung „an das Haus bei den Tempelherren“ auf – vermutlich im Zusammenhang mit der Auflösung des Ordens und der Besitzübertragung.
Warum Nürnberg ein attraktiver Templerstandort gewesen wäre
Reichspolitische Bedeutung: Königshof, Nähe zum Reichstag, zentrale Lage im Reich
Handelsknotenpunkt: Zugang zu überregionalen Handelsrouten in alle Richtungen
Kirchliches Umfeld: Große Zahl geistlicher Einrichtungen und wohltätiger Stifter
Nähe zu gesicherten Templerorten wie Bretten, Schwäbisch Gmünd, München oder Regensburg
Möglichkeit der Logistikstation oder Sammelstelle für Spenden und Naturalien
Plausible Szenarien einer Templerpräsenz
1. Wirtschaftshof mit Verwaltung von Ländereien
Ein kleiner Wirtschaftshof am Rand der Stadt zur Verwaltung von Zehnten, Naturalien oder Pachtbesitz.
2. Herberge für reisende Brüder
Eine temporäre Station für Templer auf dem Weg zu Reichstagen, Ordenskapiteln oder Pilgerreisen ins Heilige Land.
3. Zwischenlager für Waren auf Handelswegen
Ein Lagerplatz für Güter aus Bayern, Franken oder Schwaben, die über Templerrouten weitergeleitet wurden.
Fazit: Nürnberg – Ein wahrscheinlich genutzter, aber nicht belegter Templerstandort
Die vermutete Templerpräsenz in Nürnberg basiert auf einer Vielzahl indirekter Hinweise, die im Kontext der Stadtgeschichte durchaus glaubwürdig erscheinen. Eine formelle Kommende ist nicht belegt, doch die Kombination aus strategischer Lage, wirtschaftlicher Bedeutung und kirchlichem Umfeld macht es sehr wahrscheinlich, dass die Templer hier zumindest wirtschaftlich oder logistisch aktiv waren.
Nürnberg reiht sich damit ein in die Liste jener deutschen Städte, in denen die Templer vermutlich wirkten, aber keine dauerhaften Spuren hinterließen – sei es durch bewusste Tilgung, spätere Überbauung oder die Übernahme durch andere Orden nach der Auflösung des Templerordens im Jahr 1312.
Weiterführende Forschungen
Untersuchung der Besitzlisten der Johanniter und Deutschherren nach 1312 auf Hinweise früherer Templergrundstücke
Archäologische Prospektionen im Raum Maxfeld / Rosenau
Durchsicht alter Grundbücher, Stadtpläne und Flurkarten auf Hinweise zu „Tempel-“Namen
Erfassung und Auswertung von Chroniken des 16.–18. Jahrhunderts zur Erinnerungskultur der Stadt