Wir ersticken in einer Vielzahl von Gesetzen
Eine Betrachtung der österreichischen Rechtsgeschichte
Österreich war einst ein mächtiges Kaiser- und Königreich, das sich über große Teile Europas erstreckte. Mit dieser Größe kam auch eine immense Vielfalt an Gesetzen und Vorschriften, die das Leben der Bürger bis ins kleinste Detail regelten. Diese Tradition der umfassenden Gesetzgebung hat sich bis in die heutige Zeit erhalten, auch wenn das Territorium des Landes seit dem Zerfall der Monarchie drastisch geschrumpft ist. Doch was einst in einem großen Reich funktionierte, ist heute ein Problem für Österreich, ein Land, das immer noch unter einer Flut von Gesetzen und Regelungen leidet.
Historische Wurzeln der Überregulierung
Während der Zeit des Habsburgerreiches war die Gesetzgebung eine Notwendigkeit, um das Zusammenleben in einem Vielvölkerstaat zu organisieren. Unterschiedliche Kulturen, Sprachen und Rechtsvorstellungen mussten miteinander in Einklang gebracht werden. Das führte zu einer Vielzahl von Verordnungen, Gesetzen und Erlassen, die den Alltag regelten. Als das Kaiserreich zerfiel und Österreich zu einem kleinen, neutralen Staat wurde, verschwanden viele dieser Vorschriften nicht einfach – sie blieben bestehen. Die Rechtslandschaft wurde zwar immer wieder modernisiert, aber der historische Ballast ist bis heute spürbar.
Dann kam die Zeit des Nationalsozialismus unter Adolf Hitler, die das Rechtsgefüge weiter komplizierte. Die nationalsozialistischen Gesetze brachten zusätzliche Vorschriften, viele davon tiefgreifend und umfassend, die auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Teilen fortbestanden oder die Grundlage für neue Gesetze bildeten. Österreich kämpfte in der Nachkriegszeit mit der Aufgabe, das Erbe dieser belastenden Gesetzgebung zu bewältigen, gleichzeitig aber neue Regelungen für ein demokratisches, modernes Land zu schaffen.
Moderne Gesetzesflut und deren Auswirkungen
Die Situation heute ist nicht viel besser. Im Gegenteil, viele Menschen fühlen sich von der Vielzahl an Regelungen geradezu erdrückt. Die Politik scheint geradezu besessen davon zu sein, das Leben der Bürger in immer mehr Bereichen zu regulieren. Ein Blick auf die Masse an Gesetzen und Vorschriften, die Jahr für Jahr beschlossen werden, zeigt ein fast unüberschaubares Bild. Die Frage, die sich dabei stellt: Wer soll das alles noch überblicken?
Die Regelungsdichte schadet vor allem der Wirtschaft. Unternehmen klagen über Bürokratie, die sie in ihrem Wachstum hemmt und Innovation erschwert. Für Kleinunternehmer und Selbstständige wird es immer schwieriger, sich im Dschungel der Vorschriften zurechtzufinden. Doch es trifft nicht nur die Wirtschaft: Selbst Schüler und Migranten sollen sich in diesem Geflecht von Regelungen zurechtfinden. Für viele scheint das ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.
Historische Kuriositäten – Der Radfahrer-Führerschein von 1894
Doch es gibt auch kuriose Beispiele, die zeigen, dass nicht alle Vorschriften ewig Bestand haben. Ein Beispiel aus dem Wien des 19. Jahrhunderts: Der Radfahrer-Führerschein von 1894. In einem Erlass der k.k. Polizei-Direktion wurde geregelt, dass das Befahren der öffentlichen Straßen und Plätze mit Fahrrädern nur solchen Personen gestattet war, die einen speziellen Erlaubnisschein besaßen. Dieser Erlaubnisschein musste auf den Namen der Person ausgestellt sein und mit einer Fotografie sowie einer eigenen Nummer versehen sein. Der Schein war also das Pendant zum modernen Führerschein – allerdings nur für Radfahrer!
Die zugehörige „Fahrordnung“ bestand aus insgesamt zehn Seiten und regelte detailliert die Verhaltensweisen, die beim Radfahren im Wiener Polizei-Rayon zu beachten waren. Dieser bürokratische Überbau für eine so simple Tätigkeit wie das Radfahren zeigt, wie tiefgreifend die Regulierung in den Alltag der Bürger eingriff. Übrigens: Wer das 16. Lebensjahr noch nicht erreicht hatte, bekam keinen Erlaubnisschein und durfte dementsprechend auch nicht radfahren.
Ein Ende der Gesetzesflut in Sicht?
Trotz solcher kuriosen Regelungen aus der Vergangenheit und den vielen neuen Vorschriften der Gegenwart gibt es auch immer wieder Ansätze, alte Gesetze abzuschaffen. Doch der Weg dahin ist lang und steinig. Oft sind es einzelne Politiker oder Bürgerinitiativen, die für die Abschaffung veralteter Gesetze kämpfen – aber es passiert nur zögerlich.
Die Frage, ob wir jemals aus diesem Dschungel an Vorschriften herausfinden werden, bleibt offen. Fakt ist, dass weniger oftmals mehr wäre – für die Wirtschaft, für die Bürger und für ein besseres Miteinander. Weniger Vorschriften würden den Handlungsspielraum vergrößern und Innovationen fördern, anstatt sie durch unnötige Regelungen zu ersticken.
Fazit
Österreich hat eine lange Geschichte der Überregulierung, die von der Kaiserzeit über den Nationalsozialismus bis in die heutige Zeit reicht. Während einige Gesetze abgeschafft wurden, bleibt die Gesetzesflut insgesamt bestehen und sorgt für immer mehr Bürokratie. Besonders die Wirtschaft leidet unter der Vielzahl an Vorschriften, doch auch der Alltag der Bürger wird dadurch unnötig verkompliziert. Ein radikales Umdenken wäre notwendig, um die Gesetzeslandschaft zu entrümpeln und Raum für mehr Freiheit und Flexibilität zu schaffen – doch der Weg dorthin scheint noch weit.