Bürgermeisterwahl in der Stadt des Papstes
In der Ewigen Stadt am Tiber beginnen die ersten Manöver mit Blick auf die Kommunalwahlen im kommenden Jahr. Den frühen Auftakt machte Bürgermeisterin Virginia Raggi, die bekanntgab, ihre Wiederwahl anzustreben. Damit erwischte die Vertreterin der Fünfsternebewegung, die seit 2016 die Stadt der Päpste regiert, sogar manchen ihrer eigenen Weggefährten auf dem falschen Fuß. Gleichzeitig zwingt sie die anderen Parteien, Farbe zu bekennen. Die Bürgermeisterwahl in der Hauptstadt der Christenheit spielt traditionell für die Italienische Bischofskonferenz, mehr noch aber für den Vatikan eine Rolle. In vielen Belangen sind Kirche und Stadt miteinander verwoben und aufeinander angewiesen. Der Freie Zugang zu den heiligen Stätten und die ungehinderte Abhaltung religiöser Zerimonien sind nur ein Bereich davon.
Die Kirche und die Stadt waren 1.300 Jahre lang eine Einheit. Entsprechend ist das Stadtbild kirchlich durchdekliniert. Kaum ein Straßenzug der Altstadt ohne Kirche und ohne religiöse Symbole einschließlich päpstlicher Hoheitszeichen. Viele städtische und staatliche Institutionen haben ihren Sitz in ehemals kirchlichen Einrichtungen. Der italienische Staatspräsident residiert im Winterpalast der Päpste. Selbst in einem laizistischen Staat hat das Auswirkungen.
Nach dem Ende des Kirchenstaates, als sich das neueerrichtete Königreich Italien 1870 das Patrimonium Petri gewaltsam unter den Nagel riß, herrschte Eiszeit zwischen den kirchenfeindlichen Institutionen des neuen Staates und der Kirche. Der Papst war zum Gefangenen in der eigenen Stadt geworden. Papst Pius IX. konnte nur mit Mühe und mit mehreren Jahren Verspätung in der Kirche beigesetzt werden, die er testamentarisch als letzte Ruhestätte verfügt hatte. Um die Jahrhundertwende prägte mit Ernesto Nathan, dem Großmeister des freimaurerischen Großorient von Italien, ein erklärter Kirchenfeind die Geschicke der Stadt. An dieses belastete Kapitel von insgesamt mehr als 50 Jahren erinnert man sich im Vatikan ungern. Vergessen hat man es nicht. Auch über die unangenehme Tatsache, daß Nathan Jude war, sieht man heute stillschweigend hinweg und verweist auf die „neue Qualität“ der christlich-jüdischen Beziehungen.