Die Flucht der Templer nach Schottland
Zuflucht und Hoffnung unter Robert Bruce
Nach der dramatischen Auflösung des Templerordens im Jahr 1307 durch Papst Clemens V. und die anschließende Verfolgung seiner Mitglieder in vielen christlichen Ländern suchten die verbliebenen Templer dringend nach einem sicheren Zufluchtsort. Während viele Legenden und Spekulationen, wie etwa die fantastischen Ideen eines Erich von Däniken, versuchen, das Schicksal der Templer in geheimnisvolle Theorien zu hüllen, gibt es Hinweise darauf, dass Schottland unter König Robert Bruce den geflüchteten Rittern eine viel greifbarere und strategisch sinnvolle Zuflucht bot.
Schottland: Ein sicherer Zufluchtsort
Für die Templer war Schottland ein attraktives Fluchtziel, nicht nur wegen seiner Nähe, sondern auch aufgrund der politischen Lage im Land. Die geografische Beschaffenheit Schottlands, insbesondere der Seeweg, machte das Land für die Templer leicht und relativ gefahrlos erreichbar. Eine Reise über Land durch England wäre aufgrund der Verfolgung und der Kontrolle durch König Eduard II. weitaus riskanter gewesen.
Zudem war Schottland zu dieser Zeit vom Rest der christlichen Welt politisch isoliert. Robert Bruce, der sich im Kampf um die schottische Unabhängigkeit gegen England befand, war aufgrund des Mordes an seinem Rivalen John Comyn von Papst Clemens V. exkommuniziert worden. Diese Exkommunikation machte ihn zu einem Außenseiter in der christlichen Gemeinschaft, und so war Schottland weniger den Einflüssen des Papsttums ausgesetzt. Für die geflüchteten Templer war dies von großer Bedeutung, da sie in Schottland keine Gefahr der Verhaftung und Verfolgung fürchten mussten, wie es in anderen christlichen Ländern der Fall war.
Die Unterstützung durch kampferprobte Templer
Robert Bruce führte zu dieser Zeit einen verzweifelten Kampf gegen die englische Herrschaft und war nach der Niederlage in der Schlacht bei Methven 1306 gezwungen, ins Hochland von Argyll zu fliehen. Dort versammelte er neue Kräfte und suchte nach Wegen, die englische Übermacht zu bekämpfen. In dieser Situation wären die Templer, die als kampferprobte und disziplinierte Krieger bekannt waren, eine wertvolle Unterstützung für ihn gewesen.
Besonders die von den Templern im Heiligen Land erlernte Taktik der leichten Reiterei und des schnellen, präzisen Angriffs schien für Bruce vielversprechend. Diese Taktik, die den Sarazenen während der Kreuzzüge viele Erfolge gebracht hatte, wurde von den Templern übernommen und in ihren eigenen Schlachten erfolgreich eingesetzt. Bruce erkannte, dass diese Art der Kriegsführung, kombiniert mit der strengen Disziplin der Templer, ein entscheidender Faktor im Kampf gegen die überlegenen englischen Truppen sein könnte.
Die Rolle der Templer in der Schlacht von Bannockburn
Ein entscheidendes Ereignis in der schottischen Unabhängigkeitsbewegung war die Schlacht von Bannockburn am 24. Juni 1314, dem Tag des heiligen Johannes. In dieser Schlacht trafen die schottischen Truppen unter Robert Bruce auf die Armee von Eduard II. von England. Es wird berichtet, dass die Templer in dieser Schlacht eine wesentliche Rolle gespielt haben sollen. Ihr plötzliches Erscheinen auf dem Schlachtfeld, in ihrer charakteristischen Ordenstracht mit dem schwarz-weißen Banner, soll die englischen Truppen in Panik versetzt haben.
Diese Überlieferungen besagen, dass das Auftauchen der Templer die Engländer so sehr erschreckte, dass sie in panischer Flucht das Schlachtfeld verließen, was letztlich zum entscheidenden schottischen Sieg führte. Obwohl es keine endgültigen Beweise für die direkte Beteiligung der Templer an der Schlacht gibt, bleibt ihre mögliche Unterstützung für Bruce ein faszinierendes Element der Geschichte.
Die Spuren der Templer in Schottland
Im schottischen Hochland, insbesondere in Kilmartin in Argyll, gibt es heute noch Grabplatten mit eingemeißelten Schwertern und freimaurerischen Symbolen. Diese Symbole deuten auf die Existenz von Mitgliedern einer Baugilde hin, die den Templern verbunden waren. Diese Gilde, oft als die „Söhne Salomons“ oder „Kinder Salomons“ bezeichnet, war wie die Templer selbst ein Opfer von Verfolgungen. Die Verbindung dieser Bauhütten zu den Templern und deren Flucht nach Schottland bleibt ein faszinierendes Thema, das bis heute Gegenstand von Spekulationen und Forschungen ist.
Das Geheimnis um den Fortbestand des Ordens
Obwohl unklar ist, wie lange der Templerorden in Schottland weiter existierte, gibt es Berichte, die auf eine Fortführung des Ordens unter schottischem Schutz hinweisen. Einige Quellen, wie der deutsche Freimaurer und Templerforscher Baron Karl von Hund, erwähnen den Templer Pierre d’Aumont, der nach dem Tod des letzten Großmeisters Jacques de Molay auf dem Scheiterhaufen dessen Nachfolger als Großmeister geworden sein soll. D’Aumont, der Präzeptor der Auvergne, soll mit weiteren Rittern über Irland nach Schottland geflohen sein und sich auf der Insel Mull mit anderen geflüchteten Templern unter der Führung eines George Harris zusammengeschlossen haben.
Obwohl die genaue historische Richtigkeit dieser Berichte umstritten bleibt, deuten sie darauf hin, dass Schottland für die Templer eine langfristige Zuflucht und möglicherweise der Ausgangspunkt für die Weiterführung ihres geheimen Erbes gewesen sein könnte.
Fazit
Die Flucht der Templer nach Schottland und ihre mögliche Beteiligung am schottischen Unabhängigkeitskrieg unter Robert Bruce gehören zu den faszinierendsten und zugleich mysteriösesten Kapiteln in der Geschichte des Templerordens. In einer Zeit, in der der Orden in den meisten christlichen Ländern verfolgt wurde, bot Schottland einen sicheren Hafen für die geflüchteten Ritter. Robert Bruce, selbst ein geächteter König, profitierte möglicherweise von der militärischen Erfahrung und dem taktischen Wissen der Templer. Trotz der vielen Legenden und Spekulationen bleibt die Geschichte der Templer in Schottland ein fesselndes Erbe, das bis heute Rätsel aufgibt.