Die Templer in Paris
Geschichte, Architektur und Bedeutung
Bauliche und territoriale Entwicklung
Die Komturei der Templer in Paris, bekannt als „Temple“, war eine der bedeutendsten Niederlassungen des Ordens in Europa. Obwohl genaue Informationen über die Gründung der ersten Niederlassung in Paris fehlen, steht fest, dass der Orden bereits früh mehrere Besitzungen in der Stadt erwarb. Die älteste erhaltene Urkunde, die den Pariser „Temple“ erwähnt, stammt aus dem Jahr 1146. Bereits ein Jahr später, 1147, fand in Paris ein großes Ordenskapitel statt, bei dem 300 Ordensbrüder im Beisein von Papst Eugen III. und dem französischen König Ludwig VII. zusammenkamen. Dies deutet auf die frühe Bedeutung der Pariser Niederlassung hin.
Der ursprüngliche „Temple“ befand sich in der Nähe der Kirche Saint-Jean-en-Grève am rechten Ufer der Seine, gegenüber der Île de la Cité. In diesem Bereich verfügte der Orden auch über ein „Kontor“, das vermutlich zum Lagern der über die Seine transportierten Waren genutzt wurde. Diese Einrichtung geht wahrscheinlich auf eine Schenkung von 1152 durch Mathieu de Beaumont zurück. Etwas später besaßen die Templer auch eine Mühle unterhalb der Grand Pont, die ihnen zusätzliche Einnahmen sicherte.
Außerhalb der damaligen Stadtmauern von Paris, in einem teils noch sumpfigen Areal, erwarben die Templer weiteres Land. Auf diesem Gelände errichteten sie eine der Heiligen Maria geweihte Kirche, die in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts nach dem Vorbild der Templerkirche in London erbaut wurde. Anfang des 13. Jahrhunderts musste die Kirche wegen des großen Andrangs der Gottesdienstbesucher erweitert werden. 1217 wurde sie von Papst Honorius III. geweiht, der den Besuchern eine Indulgenz gewährte. Mitte des 13. Jahrhunderts erhielt die Kirche ein repräsentatives Portal, und Ende des 13. Jahrhunderts wurde der Chor nochmals durch eine Apsis vergrößert.
Der „Tour du Temple“, der massive Donjon, der später so berühmt wurde, wurde vermutlich in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts unter Bruder Humbert errichtet und Anfang des 14. Jahrhunderts unter Bruder Jean de la Tour erweitert. Ein Siegel der Komturei aus dem Jahr 1290 zeigt bereits den Donjon, der von vier Türmen flankiert wurde und eine Höhe von etwa 50 Metern erreichte. Der Zweck dieses massiven Bauwerks war vermutlich die sichere Verwahrung des französischen Kronschatzes.
Zur Zeit der Aufhebung des Ordens umfasste die Pariser Komturei ein großflächiges, mauerumschlossenes Areal, den sogenannten Enclos du Temple. Auf diesem Gelände befanden sich neben der Kirche auch ein Friedhof, diverse Handwerksbetriebe und ein Hospital. Das Gebiet der Villeneuve du Temple, das ursprünglich landwirtschaftlich genutzt wurde, entwickelte sich im 13. Jahrhundert zu einem urbanen Areal. Die Besitzungen, Einkünfte und Rechte des Ordens erstreckten sich auf zahlreiche Geschäfte, Kleinbetriebe und Mühlen.
Beziehungen und Konflikte
Die Templerniederlassung in Paris spielte eine zentrale Rolle im politisch-sozialen Leben der Stadt. Bereits 1158 logierte der englische Kanzler Thomas Becket während eines Besuchs in Paris im „alten Temple“. 1254 trafen sich der englische König Heinrich III. und Ludwig IX. von Frankreich in der Templerniederlassung, wo es sowohl opulente Festlichkeiten als auch Armenspeisungen gab, wie der Chronist Matthäus Paris berichtet.
Die Beziehungen zwischen dem Templerorden und der französischen Krone waren jedoch nicht immer konfliktfrei. Urkunden aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts belegen Streitigkeiten, insbesondere über die Besteuerung von Pächtern auf Templerland. 1279 wurde dieser Konflikt durch eine Urkunde des Königs geregelt, die die Rechte des Königs und die der Templer im Pariser Raum klar definierte. Innerhalb der Stadtmauern behielt sich der König die hohe und niedere Gerichtsbarkeit vor, während der Orden diese Rechte in den Besitzungen außerhalb der Mauern ausübte.
Der „Temple“ in Paris war auch als sicherer Verwahrort für Preziosen und Gelder bekannt. Seit Mitte des 12. Jahrhunderts befand sich der französische Kronschatz im „Temple“ und wurde von den Templern gemeinsam mit königlichen Beamten verwaltet. Die Schatzmeister des Ordens gehörten zu den engen Beratern der Könige. 1281 sollte ein Teil des vom Zisterzienserorden zu leistenden päpstlichen Zehnten im „Temple“ von Paris eingelagert werden, was jedoch von den Zisterziensern verweigert wurde. Stattdessen hatten sie Gelder aus diesen Kreuzzugs-Subsidien an König Philipp IV. verliehen.
Die Finanzpolitik von Philipp IV., insbesondere die Münzabwertung im Jahr 1306, führte zu einem Volksaufstand, während dessen der König sogar im „Temple“ Zuflucht suchen musste.
1307 fand im „Temple“ von Paris noch ein Generalkapitel des Ordens unter dem Vorsitz von Jacques de Molay statt. Kurz darauf wurde das Ordenshaus jedoch zum Verlies für verhaftete Templer, darunter auch Meister Molay selbst. Nach dem Prozess gegen den Orden ging die Pariser Komturei mit all ihren Liegenschaften an die Johanniter über und wurde zum Zentrum der Grand Prieuré de France.
Architektonische Überreste
Die architektonischen Überreste der Templerniederlassung in Paris sind heute größtenteils verschwunden. Der berühmte Donjon, der auf vielen alten Pariser Stadtplänen und Stadtansichten dargestellt ist, wurde ab 1808 auf Befehl Napoleons abgerissen, um einen royalistischen Sammelpunkt zu beseitigen. In diesem Donjon waren einst Louis XVII. und seine Familie vor ihrer Hinrichtung durch die Revolutionäre inhaftiert.
Die Templerkirche, die während der Französischen Revolution als Lagerhaus genutzt wurde, wurde 1796 abgerissen. Die Kirche war ein wichtiges Beispiel für die Templerarchitektur, deren Merkmale Viollet-le-Duc in seinem Architekturlexikon anhand von Beschreibungen und Darstellungen aus dem 17. Jahrhundert rekonstruierte.
Die Komturei der Templer in Paris war nicht nur ein spirituelles Zentrum, sondern auch ein politischer und wirtschaftlicher Knotenpunkt. Der „Temple“ spielte eine bedeutende Rolle in der Geschichte Frankreichs und war eng mit der französischen Krone verbunden. Trotz der Zerstörung der meisten baulichen Überreste bleibt die Geschichte der Pariser Komturei ein faszinierendes Kapitel in der Geschichte des Templerordens und des mittelalterlichen Frankreichs.