Vermutliche Templer Niederlassungen in Deutschland 15
Worms (Rheinland-Pfalz)
Die Spuren der Tempelritter in der ältesten Stadt Deutschlands
Die Stadt Worms, am westlichen Ufer des Rheins gelegen, zählt zu den ältesten Städten Deutschlands und war im Mittelalter ein bedeutendes geistliches, wirtschaftliches und politisches Zentrum. Bekannt für ihren imposanten Dom, das jüdische Erbe und ihre Rolle im Nibelungenlied, war Worms auch ein Ort der Begegnung von Königtum, Kirche und Rittertum. Inmitten dieser geschichtsträchtigen Kulisse finden sich Spuren und Hinweise auf eine mögliche Templerpräsenz – wenn auch ohne formale Bestätigung. Der folgende Artikel geht der Frage nach, ob es in Worms einen Templerhof oder Besitz des Ordens der Tempelritter gegeben haben könnte, und welche historischen Indizien dafür sprechen.
Die Stadt Worms im Mittelalter – Ein bedeutender Ordensstandort
Worms war im 12. und 13. Jahrhundert ein bedeutender Bischofssitz, ein Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit und eine stark befestigte Reichsstadt. Sie lag direkt an einem der wichtigsten Verkehrswege des Reiches: dem Rhein. Dieser Fluss war nicht nur Handelsstraße, sondern auch Pilgerroute und Verbindungsachse für Ritterorden und Kreuzfahrer.
Die Stadt war geprägt durch:
Zahlreiche Klöster und Stifte, darunter das Andreasstift, das Liebfrauenstift und das Martinsstift
Eine starke Ritterpräsenz durch Reichsministerialen und Adelsfamilien
Einen blühenden Handelsplatz mit internationaler Ausstrahlung
Eine offene Haltung gegenüber kirchlichen und militärischen Orden – z. B. Deutschordenshaus und Johanniterkonvente sind in Worms urkundlich belegt
All dies macht Worms zu einem logisch denkbaren Standort für eine Templerstation, auch wenn bislang kein direkter Nachweis einer Kommende gefunden wurde.
Indirekte Hinweise auf Templerbesitz in Worms
1. Urkundliche Erwähnungen von „domus Templi“ in der Region
In mehreren Dokumenten aus dem 13. Jahrhundert finden sich Hinweise auf Besitzungen des Templerordens im Raum Rheinhessen, darunter:
Eine Erwähnung von Ländereien bei Worms-Heppenheim, die dem „Haus des Tempels“ zugeschrieben wurden
Eine Nennung von Einkünften, die an einen „frater Templi“ in der Region gezahlt werden sollten – ohne exakten Ortsbezug
Diese Hinweise deuten auf wirtschaftliche Aktivitäten des Ordens im Umland, die möglicherweise über ein Verwaltungszentrum in Worms organisiert wurden.
2. Flurnamen und Bezeichnungen
Im Gebiet um Worms tauchten bis ins 18. Jahrhundert Bezeichnungen wie:
„Templerhof“
„Tempelgarten“
„Templerweg“
auf. Besonders in den Ortsteilen Hochheim, Pfeddersheim und Horchheim gibt es Hinweise auf alte Flurstücke mit diesen Namen. Sie könnten auf ehemaligen Ordensbesitz zurückgehen – auch wenn eine Verwechslung mit Johannitern oder Deutschherren nicht ausgeschlossen ist.
3. Spuren in der lokalen Überlieferung
In der Volksüberlieferung von Worms heißt es, die Templer hätten einst einen „Hof vor der Stadtmauer“ betrieben, von dem aus sie:
Pilger versorgten,
Wein aus dem Rheintal einlagerten,
und mit dem Domkapitel in Verbindung standen.
Obwohl es sich um eine Legende handeln könnte, passt dieses Bild zu anderen kleineren Templerstationen im Reich.
Warum Worms ein attraktiver Templerort gewesen wäre
Mehrere Faktoren sprechen dafür, dass die Templer Worms als Standort in Betracht gezogen haben könnten:
Rheinzugang: Der Fluss war die Hauptversorgungs- und Reiseroute der Kreuzfahrer und Ritterorden.
Pilgerstation: Viele Pilger zogen über Worms nach Speyer, Mainz oder Köln – ein ideales Umfeld für eine Templerherberge.
Kirchlicher Einfluss: Als Bischofsstadt mit starkem Domkapitel bot Worms stabile Verhältnisse und potenzielle Gönner.
Reiches Umland: Fruchtbare Böden, Weinbau und zahlreiche Adelsgüter konnten als Pachtflächen oder Spenden in Ordensbesitz übergehen.
Nähe zu anderen Templerorten: Nachgewiesene Niederlassungen wie Koblenz, Marburg, Rosenthal oder Mühlhausen lagen in erreichbarer Entfernung.
Mögliche Szenarien
Auch ohne gesicherte Niederlassung ergeben sich einige plausible Szenarien:
1. Wirtschaftshof ohne liturgische Funktion
Ein kleiner Hof zur Verwaltung von Ländereien oder Spenden, betrieben von Laienbrüdern oder beauftragten Verwaltern.
2. Pilgerstation oder Herberge
Ein einfaches Haus außerhalb der Stadtmauern, das durchreisenden Kreuzfahrern und Templern als Unterkunft diente.
3. Temporäre Nutzung durch reisende Ordensritter
Die Nähe zu großen Pilgerwegen macht es möglich, dass Worms lediglich als Etappenort ohne festes Ordenshaus genutzt wurde.
Fazit: Worms – Zwischen Legende und logistischer Realität
Die vermutete Templerpräsenz in Worms bleibt ein spannendes Thema zwischen Legende, Indizien und historiografischem Potenzial. Während keine formelle Niederlassung nachgewiesen ist, sprechen zahlreiche Hinweise für wirtschaftliche oder logistische Aktivitäten des Ordens im Umfeld der Stadt.
Worms ist damit ein wichtiger Kandidat auf der Liste vermuteter Templerorte – einer jener Orte, die zeigen, wie weit das Netzwerk des Ordens möglicherweise reichte, auch wenn nicht jeder Stein die Spur eines roten Kreuzes trägt.
Weiterführende Forschungsmöglichkeiten
Analyse der Besitzverzeichnisse des Domkapitels und regionaler Adelsfamilien
Vergleich mit Johanniter- und Deutschordenslisten ab 1312
Archäologische Prospektion in Fluren mit verdächtigen Namen („Tempelgarten“, „Templerhof“)
Aufarbeitung der Straßen- und Flurnamen in den Stadtteilen Hochheim, Pfeddersheim, Herrnsheim