⚔️ Frühchristliche Häresien und Schismen
Im Gegensatz zu ihrem späteren Ruf dogmatischer
Konformität ließ die frühe Kirche Raum für theologische
Spekulationen. Nicht jede Theorie führte zur
Häresie, doch einige Christen entwickelten Ideen, die
schließlich von der ganzen Kirche abgelehnt wurden.
Die wichtigsten Häresien des 2. Jahrhunderts werden
unter dem Begriff Gnosis zusammengefasst. Ihre Vertreter,
wie Valentinus und Basilides, lehrten einen
Dualismus, in dem die Materie als böse galt und zwischen
einem Weltschöpfer und dem wahren Gott
unterschieden wurde – Ansichten, die für die meisten
Christen im Widerspruch zur Bibel standen. Daneben
war der Montanismus bedeutend, eine prophetische
Erneuerungsbewegung, die um 160 in Kleinasien
entstand. Während des 2. Jahrhunderts grenzte sich
die Kirche auch von den Ebioniten ab, Judenchristen,
die weiterhin das jüdische Gesetz befolgten.
Im 3. Jahrhundert kam es zu den ersten Kontroversen
über die Frage der Trinität und das Verhältnis der Kirche
zu den Sakramenten. Denn Rom beliebte Monarchianismus
betonte die Einheit Gottes im Gegensatz zur
Unterscheidung in die drei göttlichen Personen der Trinität.
Der Adoptianismus stellte das Menschsein
über die Göttlichkeit Christi. Und in Rom formierte sich
eine puritanische Bewegung um den Presbyter Novatian,
die all jenen, die in Zeiten der Chrfttenverfolgung
vom Glauben abgefallen waren, die Vergebung versagen
wollte.
Das 4. Jahrhundert stand unter dem Zeichen des arianischen
Streits, der zur ersten verbindlichen Definition
der Trinität führte. Der alexandrinische Presbyter Arius
lehrte, dass der Sohn Gottes geschaffen und deshalb
seinem Wesen nach dem Vater nicht gleich sei. Auf
dem Konzil von Nicäa wurde der Arianismus verurteilt
und der Begriff der Homousie, der Wesensgleichheit
von Gottvater und Gottsohn, ausdrücklich in das Glaubensbekenntnis
aufgenommen. Dennoch gewann die
Lehre des Arius in der Folgezeit an Einfluss und konnte
erst durch das Konzil von Konstantinopel (381) aus
der Reichskirche verbannt werden.
Das große Thema des 5. Jahrhunderts war der Dissens
über die Inkarnation beziehungsweise das Verhältnis
der göttlichen und menschlichen Natur in Jesus. Der
Nestorianismus betrachtete beide als grundsätzlich
verschieden, wodurch der Mensch Jesus ein anderer
wäre als der Gottessohn, der nur in ihm gewohnt hätte.
Die Gegner des Nestorios beschuldigten ihn, dass er
Christus damit zu »zwei Söhnen« erkläre. Auf dem
Konzil von Chalkedon wurde der Nestorianismus verworfen,
aber ebenso die dazu völlig konträre Lehre des
Eutyches, der jegliche Unterscheidung in eine göttliche
und menschliche Natur Jesu ablehnte. Im Westen
entzündete sich zudem ein Streit um die Gnadenlehre
und das Verhältnis von Glauben und Taten. Der Pelagianismus,
der den freien Willen und die grundsätzliche
Rechtschaffenheit des Menschen postulierte, wurde
von Augustinus von Hippo verurteilt, der eine
pessimistischere Sicht vom sündigen Menschen vertrat.
Im 5. Jahrhundert lebten zahlreiche christliche Gruppierungen
außerhalb der Gemeinschaft der Großkirche
und waren häufig durch die Autoritäten des christlichen
Römischen Reichs in ihrer Religionsausübung eingeschränkt.
In jüngerer Zeit hat sich die Erkenntnis
durchgesetzt, dass die Sektenbildungen oft auf Missverständnissen
oder einer anderen, aber ebenso
gültigen Interpretation der Bibel und christlicher Traditionen
beruhten und nicht, wie von den orthodoxen
Theologen damaliger Zeit behauptet, auf dem Wirken
des Antichrist.