⚔️ Gedanken am 23. Oktober
Die Zähmung des Geistes – Die dritte Leitlinie zur Reife
Wir haben uns bereits mit der Kultivierung der Tugend durch wohlwollende Güte und mit dem Prinzip des Nichtverletzens beschäftigt – zwei der grundlegenden Leitlinien auf dem Weg zur spirituellen Reife. Doch diese beiden Säulen allein genügen nicht. Es braucht eine dritte, die sie trägt und verbindet: die Zähmung des Geistes.
In den Schriften Asiens wird der ungezügelte Geist oft als „Affe“ beschrieben – rastlos, flatterhaft, von Ast zu Ast springend. Wer schon einmal in der Stille meditierte, kennt dieses Bild nur zu gut. Ein Gedanke an Gott wird unterbrochen vom Einfall an die Einkaufsliste, gefolgt von der Erinnerung an ein Gespräch, dann von Sorgen um einen geliebten Menschen, und ehe wir uns versehen, schweifen wir ab in Phantasien über Vergangenes oder Zukünftiges.
So zeigt sich: Der Affe im Kopf schläft nie von selbst. Erst durch bewusste Übung wird er ruhiger, bis er schließlich nicht mehr das Chaos beherrscht, sondern in den Dienst des Herzens tritt.
Warum die Zähmung so entscheidend ist
Ein ungezähmter Geist kann weder Güte noch Gewaltlosigkeit zuverlässig leben. Er ist wie ein untrainiertes Pferd, das uns im entscheidenden Moment abwirft. Wer hingegen den Geist meistert, gewinnt Klarheit und Gelassenheit – Tugenden, die für den Templer ebenso notwendig sind wie das Schwert für den Ritter.
Die Zähmung des Geistes bedeutet nicht, ihn zu unterdrücken. Sie bedeutet, ihn zu lehren, an einem Ort zu verweilen, so wie ein junger Novize lernen muss, im Gebet auszuharren. Mit der Zeit wird aus dem wilden Affen ein treuer Gefährte.
Praktische Übung: Der Countdown der Achtsamkeit
Schon im Januar haben wir die einfache Übung des Atemzählens kennengelernt. Sie ist ein Schlüssel, um den Geist zu sammeln:
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Bei der ersten Ausatmung: konzentriere dich auf die Zahl Vier und spüre das Loslassen.
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Bei der zweiten Ausatmung: richte dich auf die Zahl Drei und fühle das tiefer werdende Entspannen.
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Bei der dritten Ausatmung: halte die Zahl Zwei im Sinn – und mit ihr die zunehmende Stille.
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Bei der vierten Ausatmung: versinke in der Zahl Eins, wo Ruhe und Sammlung entstehen.
Wiederhole diesen Zyklus fünf Minuten lang. Du wirst bemerken, dass die Sprünge des Geistes allmählich weniger werden, als ob der Affe müde wird und innehält.
Tägliche Templerarbeit
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Führe heute diese Countdown-Übung zweimal durch: einmal am Tag und ein zweites Mal vor dem Schlafengehen.
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Achte während des Tages darauf, wie oft dein Geist „von Ast zu Ast“ springt. Notiere dir am Abend ein Beispiel, wann er besonders unruhig war – und eines, wo er gesammelt blieb.
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Erinnere dich: Die Zähmung des Geistes ist keine einmalige Anstrengung, sondern ein täglicher Weg. So wie der Ritter sein Schwert schärfen muss, so muss der Templer täglich seinen Geist üben.
Schlussgedanke
Die wahre Stärke des Templers liegt nicht allein im Mut oder in der Waffenkunst, sondern in der Herrschaft über den eigenen Geist. Ein gezähmter Geist ist wie ein stiller See – er spiegelt die Wahrheit, ohne sie zu verzerren. Und nur ein solcher Geist ist fähig, das Licht Gottes klar widerzuspiegeln.
