✠✠✠✠✠✠ TEMPLER-BLOG ✠✠✠✠✠✠

⚔️ Gedanken am 29. Dezember

Der Heiligenschein in der Küche: Über Achtsamkeit und das Loslassen von Perfektionismus

Wir alle haben diesen Moment schon einmal erlebt: Ein Thema beschäftigt uns intensiv, wir haben uns eine klare Meinung dazu gebildet und möchten diese nun voller Enthusiasmus mit anderen teilen. So auch im Alltag, wo es oft die kleinen Gewohnheiten und Ratschläge sind, die wir an unsere Liebsten weitergeben möchten. Als ich eines Tages die Küche aufräumte und mein Sohn Justin, damals Mitte 20, hereinschaute, kam genau so ein Moment über mich.

Ich begann, ihm die Vorzüge eines achtsamen Kochens mit frischen Zutaten nahezulegen – wie nahrhafter, wohlschmeckender und gleichzeitig kostengünstiger selbst zubereitete Speisen doch seien. Ich sprach auch darüber, wie wichtig eine durchdachte „Kühlschrankverwaltung“ ist, um Resten neues Leben einzuhauchen, Verschwendung zu vermeiden und mit den Ressourcen verantwortungsvoll umzugehen. Mit einer gewissen Leidenschaft erklärte ich ihm, dass nichts Wertvolles im Haushalt verschwendet werden sollte.

Justins Reaktion darauf, halb ironisch und halb liebevoll gemeint, brachte mich plötzlich zum Nachdenken: „Hast du schon deinen Heiligenschein beantragt, Mama?“ Seine Worte trafen genau den Punkt, und ich musste lachen. Es war ein Moment, der mich daran erinnerte, dass es manchmal besser ist, sich selbst und seine Prinzipien nicht allzu ernst zu nehmen. Denn am Ende kommt es darauf an, das Gleichgewicht zwischen Achtsamkeit und Leichtigkeit zu finden, ohne dabei den Hang zum Perfektionismus überhandnehmen zu lassen.

Die Kunst, Fehler zuzulassen: Die Weisheit des Mönchs

Die Anekdote, die Justin mich so freundlich und humorvoll spüren ließ, führt uns zu einer Weisheit, die auch in vielen spirituellen Lehren verankert ist. Ein Mönch wurde einmal gefragt, was die Essenz des Klosterlebens sei. Seine Antwort war so einfach wie tiefgründig: „Wir fallen und stehen auf, fallen und stehen auf, fallen und stehen wieder auf.“ Diese Worte verdeutlichen, dass das Leben – ob im Kloster oder in unserem Alltag – ein ständiger Lernprozess ist. Wir werden immer wieder mit Fehlern und Rückschlägen konfrontiert, und es liegt an uns, wie wir damit umgehen.

Diese Worte erinnern uns daran, dass wir nicht perfekt sein müssen, dass wir nicht jeden Moment die besten Entscheidungen treffen werden. Vielmehr geht es darum, immer wieder aufzustehen, aus unseren Erfahrungen zu lernen und das Leben mit einer guten Portion Humor und Gelassenheit zu nehmen. Der Anspruch, stets „alles richtig“ zu machen und in jedem Augenblick die beste Version von uns selbst zu sein, kann oft zur Belastung werden. Sich nicht allzu ernst zu nehmen und auch über sich selbst lachen zu können, kann daher eine befreiende und zugleich lehrreiche Einstellung sein.

Die „Predigerkrankheit“ und die Illusion des Heiligenscheins

In solchen Momenten der Leidenschaft, wenn wir glauben, anderen unsere Erkenntnisse und Prinzipien nahebringen zu müssen, geraten wir leicht in die „Predigerkrankheit“. Wir wollen dann vielleicht mehr belehren als tatsächlich inspirieren. Der „Heiligenschein“, den Justin mir humorvoll attestierte, war ein Spiegel für mein eigenes Bedürfnis, das Richtige zu tun und dies auch meinem Umfeld mitzuteilen. Doch dieser „Heiligenschein“ ist trügerisch und kann leicht zur Falle werden.

Es ist wichtig, unsere Prinzipien und Werte zu leben, doch ebenso bedeutend ist es, unseren Mitmenschen Raum zu lassen, ihren eigenen Weg und Rhythmus zu finden. Mit unserem Beispiel können wir inspirieren, ohne dass es einer Belehrung bedarf. Die Lektion hierbei ist: Nicht immer müssen wir eine aktive Rolle einnehmen, um Positives zu bewirken. Manchmal genügt es, einfach zu sein und das Vertrauen zu haben, dass die Menschen in unserem Umfeld selbst die richtigen Entscheidungen treffen werden – auf ihre eigene Weise und in ihrem eigenen Tempo.

Die Templerarbeit des Tages: Achtsamkeit und „Frieden sein“

Um diesen Geist der Gelassenheit und Achtsamkeit im Alltag zu pflegen, ist eine einfache Übung hilfreich, die uns daran erinnert, dass Frieden und Leichtigkeit nicht im Tun, sondern im Sein liegen. Thich Nhât Hanh, ein vietnamesischer Zen-Mönch, der die Praxis der Achtsamkeit lehrt, spricht davon, „Frieden zu sein“. Das bedeutet, in sich selbst Frieden zu finden und ihn auszustrahlen, ohne die Notwendigkeit, aktiv etwas zu verändern oder zu verbessern.

Ein achtsamer Spaziergang kann uns dabei helfen, dieses Gefühl des inneren Friedens zu kultivieren. Indem wir im Moment verweilen, die Natur um uns wahrnehmen und unseren Geist zur Ruhe bringen, verbinden wir uns mit dem Hier und Jetzt. Diese Haltung können wir auch in unsere Beziehungen mit anderen Menschen mitnehmen. Wir müssen uns nicht beweisen, sondern dürfen einfach präsent sein, ohne den Drang zu verspüren, das Verhalten anderer zu beeinflussen oder zu korrigieren.

Anleitung für einen achtsamen Spaziergang

  1. Beginn mit dem Atem: Bevor du losgehst, nimm dir einen Moment, um tief durchzuatmen und zur Ruhe zu kommen. Spüre, wie du dich mit jedem Atemzug entspannst und deine Aufmerksamkeit ins Hier und Jetzt bringst.
  2. Bewusste Schritte: Gehe langsam und nimm jeden deiner Schritte bewusst wahr. Spüre den Boden unter deinen Füßen und fühle die Bewegungen deines Körpers. Erlaube dir, einfach nur zu sein, ohne dich mit Gedanken oder Aufgaben zu beschäftigen.
  3. Wahrnehmung der Umgebung: Öffne deine Sinne und nimm die Umgebung wahr – den Geruch der Luft, die Geräusche um dich herum, die Farben der Natur. Lasse dich von der Schönheit und Einfachheit des Moments berühren.
  4. Sei „Frieden“: Erlaube dir, in diesem Moment „Frieden zu sein“. Verweile in dieser friedlichen Haltung und nimm sie in dein Herz auf. Wenn du später in deine Beziehungen zurückkehrst, kannst du diesen inneren Frieden als Grundlage für deine Interaktionen nutzen.

Die Bedeutung von Humor und Selbstakzeptanz

Die Kunst, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen, öffnet uns für die Freude und Leichtigkeit im Leben. Es ist eine Art der Selbstakzeptanz, die uns erlaubt, unsere Unvollkommenheiten zu umarmen und über uns selbst zu lachen. Der Humor, den mein Sohn Justin in meine Ansichten über die „Kühlschrankverwaltung“ gebracht hat, war eine Erinnerung daran, dass auch die besten Prinzipien und Gewohnheiten ihren Platz haben, aber niemals zur Last für andere werden sollten.

Indem wir uns selbst mit Wohlwollen und Akzeptanz betrachten, entwickeln wir eine innere Haltung der Milde, die auch anderen zugutekommt. Diese Selbstakzeptanz ermöglicht es uns, Rückschläge als Teil des Wachstumsprozesses zu sehen und das Leben in seiner ganzen Unvorhersehbarkeit anzunehmen. Der Mönch, der vom ständigen „Fallen und Aufstehen“ spricht, zeigt uns, dass jeder Moment eine neue Gelegenheit ist, mit frischer Perspektive weiterzugehen.

Fazit: Ein Leben im Gleichgewicht zwischen Achtsamkeit und Leichtigkeit

Im Alltag ist es wichtig, das richtige Maß zu finden – zwischen dem Wunsch, das Richtige zu tun, und der Gelassenheit, die Dinge auch einmal loszulassen. Die „Predigerkrankheit“ und der „Heiligenschein“ sind humorvolle Bilder für den Drang, alles perfekt zu machen und unsere eigenen Erkenntnisse und Werte anderen nahezulegen. Doch ein Leben in Achtsamkeit bedeutet auch, diesen Drang loszulassen und die Menschen um uns herum frei ihren eigenen Weg gehen zu lassen.

Ein achtsamer Spaziergang, das Üben von „Frieden sein“ und die Erinnerung an Humor und Leichtigkeit sind einfache, aber kraftvolle Mittel, um in uns selbst das Gleichgewicht zu finden und dieses Gleichgewicht auch in unseren Beziehungen zu leben. Möge der Tag uns daran erinnern, dass ein wenig Selbstironie und die Fähigkeit, über uns selbst zu lachen, den Weg zum inneren Frieden und zur Freiheit ebnen.

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