Die mittelalterlichen Wurzeln von Halloween
Ein Blick aus der Sicht eines Tempelritters
Wenn in unseren Tagen Kinder mit Laternen und Kürbissen durch die Straßen ziehen, „Süßes oder Saures“ rufen und sich in Hexen oder Gespenster verwandeln, so mag es scheinen, als sei dies ein Brauch neuerer Zeit. Doch wer sich an die Wurzeln erinnert, erkennt: Hinter dem heutigen Halloween verbirgt sich eine alte, ernste und mitunter düstere Geschichte – eine Geschichte, die uns Tempelrittern nicht fremd war.
All Hallows Eve – Vigil und Mahnung
Im Mittelalter war die Nacht des 31. Oktober nicht in erster Linie ein Fest des Gelächters, sondern eine Nacht der Andacht. Sie wurde All Hallows Eve genannt – der Vorabend zu Allerheiligen.
Die Kirche ordnete an, dass man wache, faste und bete, um der Heiligen zu gedenken und sich des Schicksals der Verstorbenen zu erinnern.
Wir Tempelritter, als Diener Christi, verbrachten diese Nacht häufig in Vigilien, mit Kerzenlicht, Gebet und stiller Betrachtung. Doch wir wussten ebenso: In den Herzen des Volkes brodelten alte Erinnerungen – Überreste heidnischer Bräuche, die trotz der Taufe Europas weiterlebten wie glimmende Kohlen unter der Asche.
Blutmonat und Erntezeit
Der November galt unter den Bauern als der „Blutmonat“. Es war die Zeit, in der das Vieh geschlachtet und Vorräte für den Winter angelegt wurden.
Mit dem Tod der Tiere und dem Fallen der Blätter lag über dem Land die Ahnung von Vergänglichkeit.
Es war eine Zeit des Dankes für die Ernte, aber auch der Furcht vor der Dunkelheit und vor den Geistern, die nach altem Volksglauben in dieser Nacht die Grenze zur Menschenwelt überschritten.
Während die Kirche zur Buße mahnte, suchten die Menschen Trost in Feuer, Fest und Gemeinschaft. Die Flammen der Erntefeuer wurden zum Sinnbild dafür, dass selbst im Dunkel des Winters ein göttlicher Funken leuchtet.
Erinnerungen an Samhain
In den Ländern des Nordens und Westens hallte noch das Echo des Festes Samhain nach – jenes alten Toten- und Übergangsfestes der keltischen Völker.
Man glaubte, dass in dieser Nacht die Schleier zwischen den Welten dünn seien und die Geister der Verstorbenen zurückkehren könnten.
Masken und Verkleidungen sollten die Lebenden vor bösen Seelen schützen, indem sie sich unter die Schatten mischten.
Wir Templer sahen in diesen Bräuchen Relikte einer vorchristlichen Zeit – und doch wussten wir, dass sie eine tiefe Wahrheit berührten: die ewige Nähe von Leben und Tod, Licht und Schatten.
Vom Heidentum zur christlichen Weihe
Die Kirche versuchte, die wilden Bräuche des Volkes in christliche Bahnen zu lenken.
Im 7. Jahrhundert wurde das Pantheon in Rom, einst allen Göttern geweiht, zu einer Kirche „Aller Heiligen“ umgewandelt.
Später verlegte Papst Gregor III. das Fest Allerheiligen auf den 1. November, gefolgt vom Allerseelentag am 2. November – zum Gedenken an alle Verstorbenen.
So wurde aus den nächtlichen Feuern des Samhain eine Zeit des Gebets, der Fürbitte und der Erinnerung an die Toten.
Das, was einst heidnischer Brauch war, fand eine neue Weihe im Lichte des Kreuzes.
Doch die uralten Ängste des Volkes verschwanden nicht; sie wandelten sich, verborgen unter neuen Symbolen.
Symbole der Nacht
Viele Symbole, die heute mit Halloween verbunden sind, haben uralte Wurzeln.
Fledermäuse, Kröten und Spinnen galten einst als Begleiter von Seelen auf ihrem Weg durch die Schattenreiche.
Das Apfelritual, heute als „Apfeltauchen“ bekannt, erinnert an das römische Fest der Pomona, Göttin der Früchte.
Die Freudenfeuer, die früher zu Ehren des Sonnengottes entzündet wurden, brannten später als Vigillichter für Christus und seine Heiligen.
So spiegeln sich in diesen Symbolen zwei Welten: das Heidnische und das Christliche, das Erdgebundene und das Himmlische – vereint im Rhythmus von Leben, Tod und Wiederkehr.
Die seltsame Geschichte von Halloween
Heute, im 21. Jahrhundert, ist Halloween zu einem weltlich-kommerziellen Fest geworden.
Kürbisse leuchten auf den Veranden, Kinder tragen Masken, und die Supermärkte füllen sich mit Süßigkeiten.
Nur wenige wissen, dass diese Bräuche auf Samhain und die mittelalterlichen Allerheiligen-Vigilien zurückgehen.
Samhain war im alten Irland und Britannien der Übergang zwischen Sommer und Winter – zwischen Leben und Tod.
Man entzündete gewaltige Feuer, um das Dunkel zu bannen, und glaubte, dass Geister, Hexen, Kobolde und Dämonen in dieser Nacht umherstreiften.
Das Volk stellte Opfergaben aus Speisen und Getränken vor die Tür, um die Geister der Ahnen zu besänftigen – ein Brauch, der später in das „Trick or Treat“ der Neuzeit überging.
Mit der Christianisierung verschob sich der Sinn: Der Abend wurde zum Gedenken an die Heiligen und die Verstorbenen, zum Gebet für die Reinigung der Seelen im Fegefeuer.
Doch als das Fest mit irischen Auswanderern nach Amerika gelangte, fand es dort eine neue Gestalt – bunt, fröhlich und von jedem religiösen Ernst befreit.
Unser Blick als Templer
Für uns Tempelritter aber ist Halloween mehr als ein harmloser Spaß.
Es ist ein Symbol für den ewigen Kreislauf von Licht und Finsternis, Leben und Tod, Schuld und Erlösung.
Während das Volk mit Masken und Laternen spielt, erinnern wir uns an die Vigilien des Lichts, die wir im Angesicht der Dunkelheit hielten.
Das Fest, das einst die Geister ehrte, kann – richtig verstanden – eine Mahnung sein:
Die wahre Schlacht findet nicht in der Nacht der Geister statt, sondern im eigenen Inneren.
Denn dort entscheidet sich, ob wir dem Licht oder der Finsternis dienen.
Halloween, in seinem ursprünglichen Sinn, ist ein Spiegel des spirituellen Weges:
Das Alte stirbt, das Neue wird geboren.
Der Mensch steht an der Schwelle, wie einst die Ahnen am Feuer von Samhain – zwischen den Welten, gerufen, das Dunkel zu durchschreiten, um das Licht zu finden.
Fazit
Mögen Kinder heute lachen und Süßigkeiten sammeln – der Tempelritter aber erkennt in dieser Nacht eine geistige Erinnerung:
An die Vergänglichkeit des Lebens, an die Macht des Gebets und an die Verantwortung, das Licht Christi in dunklen Zeiten zu hüten.
Halloween ist kein Tag der Narretei. Es ist – wenn wir die Schleier heben – ein verborgenes Fest der Wandlung, ein uraltes Symbol dafür, dass das Licht auch im tiefsten Schatten brennt.
