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Eine gewisse Sexfeindlichkeit

Die Wahrnehmung der katholischen Kirche als sexfeindlich entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte durch eine Kombination aus theologischen, kulturellen und sozialen Faktoren. Hier sind einige wichtige Meilensteine und Gründe, die zu dieser Entwicklung beigetragen haben:
Frühes Christentum
1. Einfluss des Apostels Paulus:
◦ Schriften: In seinen Briefen betonte Paulus oft die Bedeutung der Enthaltsamkeit und die Vorzüge des Zölibats, besonders im Hinblick auf die baldige Wiederkunft Christi (z. B. 1. Korinther 7).
◦ Enthaltsamkeit: Diese Lehren legten den Grundstein für die Vorstellung, dass sexuelle Enthaltsamkeit eine besonders tugendhafte Lebensweise sei.
2. Frühe Kirchenväter:
◦ Augustinus von Hippo: Augustinus hatte erheblichen Einfluss auf die kirchliche Lehre über Sexualität. Er sah Sexualität oft in Verbindung mit der Erbsünde und betonte, dass der sexuelle Akt nur in der Ehe und ausschließlich zur Fortpflanzung moralisch akzeptabel sei.
◦ Asketische Traditionen: Die frühe Kirche übernahm asketische Traditionen, die das Fleischliche und Sinnliche als potenziell sündhaft ansahen.
Mittelalter
3. Zölibat des Klerus:
◦ Verpflichtung: Im 11. Jahrhundert wurde das Zölibat für Priester im westlichen Christentum verpflichtend. Diese Maßnahme sollte unter anderem die Unabhängigkeit des Klerus von weltlichen Bindungen stärken.
◦ Idealisierung der Jungfräulichkeit: Die Kirche idealisierte zunehmend das Jungfräuliche und Enthaltsame, nicht nur für den Klerus, sondern auch als spirituelles Ideal für Laien.
4. Scholastik und Kirchenrecht:
◦ Thomas von Aquin: Er beeinflusste die theologische Sichtweise auf Sexualität, indem er die Fortpflanzung als primäres Ziel der Ehe hervorhob und andere Formen sexueller Aktivität als unmoralisch oder weniger wertvoll betrachtete.
◦ Sünde und Moral: Die Entwicklung des kanonischen Rechts führte zu detaillierten Regelwerken darüber, welche sexuellen Handlungen als sündhaft galten.
Neuzeit
5. Reformation und Gegenreformation:
◦ Protestantische Kritik: Die Reformation führte zur Kritik der katholischen Lehren über Sexualität und des Zölibats, was die katholische Kirche in ihrer Haltung bestärkte.
◦ Konzil von Trient: Bestätigte viele der traditionellen Ansichten der Kirche und verstärkte die strikte Kontrolle über Moral und Sexualität.
6. Moderne Entwicklungen:
◦ Enzykliken und Lehren: Im 20. Jahrhundert bekräftigte die Kirche in Dokumenten wie „Humanae Vitae“ (1968) von Papst Paul VI. ihre ablehnende Haltung gegenüber künstlicher Empfängnisverhütung.
◦ Sexuelle Revolution: Die Kirche stand im Konflikt mit der sich wandelnden sexuellen Moral in der westlichen Gesellschaft, was den Eindruck verstärkte, sie sei sexfeindlich.

Die Vorstellung von einer sexfeindlichen katholischen Kirche entstand durch eine lange Geschichte theologischer und kultureller Entwicklungen. Während die Kirche die Sexualität als etwas grundsätzlich Gutes sieht, das in den richtigen Kontexten (z.B. Ehe) gelebt werden sollte, führten strenge moralische Lehren und die Betonung der Enthaltsamkeit zu einer Wahrnehmung der Feindlichkeit gegenüber Sexualität. Diese Haltung ist oft das Ergebnis einer Kombination aus theologischen Interpretationen und dem Bemühen, moralische Disziplin in einer sich wandelnden Welt aufrechtzuerhalten.

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