Gab Mohammed wirklich den Auftrag, „Ungläubige“ zu töten?
Eine kritische Auseinandersetzung mit Koranversen und ihrem historischen Kontext
Kaum ein religiöses Thema wird in der öffentlichen Debatte so kontrovers diskutiert wie der angebliche Befehl des Propheten Mohammed, sogenannte „Ungläubige“ zu töten. Immer wieder taucht diese Behauptung in politischen, medialen oder ideologischen Diskussionen auf – oft ohne genaue Kenntnis der religiösen Texte oder ihres historischen Kontexts. Doch was ist wirklich dran? Steht im Koran tatsächlich, dass Muslime Nichtgläubige töten sollen?
Was bedeutet „Ungläubige“ überhaupt?
Zunächst ist es wichtig zu verstehen, dass der Begriff „Ungläubiger“ (arabisch: Kafir) im Islam eine vielschichtige Bedeutung hat. Er meint nicht einfach „Nicht-Muslim“. In vielen Versen bezieht er sich auf konkrete Gruppen, die sich aktiv gegen den Islam oder gegen Mohammeds Gemeinde im 7. Jahrhundert stellten – also Feinde in einem historischen Kriegszustand, nicht friedliche Andersgläubige.
In der Frühzeit des Islam war Mohammed sowohl religiöser Führer als auch politischer und militärischer Anführer. Viele Verse im Koran beziehen sich deshalb auf konkrete historische Situationen – z. B. auf Kriege zwischen muslimischen und mekkanischen Stämmen – und nicht auf allgemeingültige Aufrufe zur Gewalt.
Die berühmten „Schwertverse“
Ein häufig zitierter Vers ist Sure 9, Vers 5, oft als „Schwertvers“ bezeichnet:
„Und wenn die heiligen Monate verflossen sind, dann tötet die Götzendiener, wo immer ihr sie findet, und nehmt sie gefangen und belagert sie und lauert ihnen aus jedem Hinterhalt auf. Wenn sie jedoch bereuen und das Gebet verrichten und die Zakat entrichten, dann lasst ihren Weg frei. Wahrlich, Allah ist allverzeihend, barmherzig.“ (Sure 9:5)
Dieser Vers wird oft aus dem Zusammenhang gerissen. In der vollständigen Lesung der Sure zeigt sich, dass er sich auf einen spezifischen Vertragsbruch von heidnischen Stämmen bezieht, die gegen die muslimische Gemeinde kämpften. Noch im selben Kapitel (Vers 6) heißt es:
„Und wenn einer der Götzendiener bei dir Schutz sucht, so gewähre ihm Schutz, damit er das Wort Allahs hören kann. Dann bring ihn an einen Ort, wo er sicher ist.“
Das widerspricht dem Bild einer pauschalen Tötungsanweisung gegen Nicht-Muslime.
Der Umgang mit Andersgläubigen im Koran
An vielen Stellen ruft der Koran zu religiöser Toleranz auf. Hier einige Beispiele:
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„Es gibt keinen Zwang im Glauben.“ (Sure 2:256)
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„Euch eure Religion, und mir meine.“ (Sure 109:6)
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„Und streitet mit den Leuten der Schrift nur in bester Weise.“ (Sure 29:46)
Diese Verse zeigen, dass der Koran friedliches Zusammenleben mit Andersgläubigen nicht nur erlaubt, sondern sogar empfiehlt – solange keine direkte Bedrohung vorliegt.
Der historische Mohammed
Es ist historisch belegt, dass Mohammed mit Christen, Juden und anderen Gruppen Verträge schloss, Handelsbeziehungen pflegte und ihnen Schutz gewährte. Seine Auseinandersetzungen mit bestimmten Gruppen beruhen meist auf politischen und militärischen Konflikten – nicht auf religiösem Fanatismus.
Die islamische Frühzeit war von Stammesfehden, Verrat und Kriegen geprägt – wie auch bei anderen Religionen und Kulturen jener Zeit. Wer die religiösen Schriften ohne diesen Kontext liest, läuft Gefahr, Fehlinterpretationen zu übernehmen.
Fazit: Kein pauschaler Tötungsbefehl
Nein, Mohammed gab keinen allgemeinen Auftrag, „Ungläubige“ zu töten. Die entsprechenden Verse im Koran beziehen sich auf historisch begrenzte Konflikte, nicht auf den dauerhaften Umgang mit Andersgläubigen.
Wie bei allen religiösen Schriften gilt auch hier: Kontext ist entscheidend. Wer einzelne Verse isoliert zitiert, kann fast jede Botschaft hineinlesen – auch das Gegenteil der ursprünglichen Intention.
Statt vorschneller Urteile sollte man sich bemühen, Quellen gründlich zu lesen, Zusammenhänge zu verstehen und zwischen Glaube, Politik und Geschichte zu unterscheiden. Nur so wird ein echter interreligiöser Dialog möglich.